Die Crew

– Das Jahr 2953 –

War es klug, sich auf Anvils Angebot einzulassen, eine Carrack für “Radio Infinity” zu fliegen und eine kleine Radioshow zu produzieren? Was hat es mit einem geheimnisvollen Artefakt an Bord auf sich? Tatsache ist: “Die Crew” fordert Brubacker auf vielfältige Weise. Er hofft in diesem Jahr viele offene Fragen zu klären und macht Schritte in ein vielfach größeres Universum – natürlich wie immer nicht ohne Schwierigkeiten…


Journal-Eintrag 03 / 01 / 2953

Wir flitzen mit diversen Bodenfahrzeugen über Microtech – Hermieoth, Nick Cartago, Gabriel Winters und ich. Kleiner abendlicher Ausflug zum Jahresstart 2953. Irgendwann stehen wir mitten in der Wildnis, der Wind pfeift, die Sonne geht unter, das Oberstübchen ist genug durchgelüftet. Wir wollen schon umkehren, als in der Nähe plötzlich eine Avenger landet, ein kleiner Jäger. Herausspaziert kommt ein vermummter Mann.

„Hallo?“

„Hallo.“

Er hat keine Waffe, kommt ganz ruhig auf uns zu – dann erklärt er uns, wer – besser – was er sei: eine symbiotische Lebensform, rund 2000 Jahre alt. Es sprudelt alles nur so aus ihm heraus – der Name seines Heimatplaneten, auf dessen Suche er ist, dass er mehrere Jahrhunderte auf der Erde gelebt habe, dass er uns nichts Böses wolle. Nach Jahrzehnten der absoluten Isolation habe er beschlossen, sich ein paar Menschen zu offenbaren, den nächsten Schritt zu wagen. Er sei einer der letzten seiner Art. Hier draußen, im Nirgendwo, fühle er sich dafür sicher genug.

Erst weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Vor mir steht augenscheinlich ein normal aussehender Mensch, doch die Lebensform erzählt, dass sie zwei Personen sei. Sie redet immer weiter, nennt extrem seltsam fremd klingende Begriffe, steht einfach nur da und mich überkommt es plötzlich heiß und kalt. Was – wenn das wirklich stimmt? Was, wenn wir es nicht mit einem Verrückten mit Langweile zu tun haben? Ich blicke hinauf an den Himmel. Da draußen sind unzählige Welten. Das Verse endet nicht an den Grenzen der UEE. Hat man früher gedacht, dass man eines Tages auf die Tevarin, die Vanduul oder die Xian treffen würde? Das Leben findet immer einen Weg, oder?

Ich stottere ein paar Sätze zusammen. Was, wenn wir wirklich die ersten sind, die eine neue Alien-Lebensform zu Gesicht bekommen? Haben wir es mit einem Verrückten zu tun, verlieren wir nichts – stimmt die Geschichte, können wir nur gewinnen.

„Ich…ich – wer weiß noch davon?“

„Vier Menschen. Ihr drei und noch eine weitere Person meines Vertrauens.“

„Verrückt.“

Meine Gedanken rasen. Eines nach dem anderen.

„Erstmal nicht zur UEE, die legen dich sofort auf einen Seziertisch“, sagt Hermieoth

„Ist mir bewusst.“

„Das UEE hat aktuell noch ein paar andere Sorgen. Die Menschheit steht unter Druck“, sage ich.

„Weiß ich. Habe lange genug unter Menschen gelebt.“

Plötzlich dreht sich die Person um, läuft zu ihrem Schiff.

„Wir sehen uns, jetzt da wir ersten Kontakt gehabt haben…“

So schnell die Avenger gelandet war, so schnell steigt sie wieder auf. Nach wenigen Minuten ist sie am Nachthimmel verschwunden.

„…und jetzt?“

„Zurück zu unseren Schiffen.“

Plötzlich hören wir eine Durchsage – auf Port Tressler, wo wir zuvor gestartet waren, hat es ein Gasleck gegeben. Wir checken uns auf Huskys FROST – alles nur eine Halluzination, ausgelöst durch eine Vergiftung?

„Wir haben alle das Gleiche gesehen, mit der Person gesprochen“, sage ich.

Will jemand, dass wir glauben, dass wir nur eine Erscheinung hatten?

Was zum Henker machen wir jetzt?

Am nächsten Tag erhalte ich von Husky folgende Nachricht:

*****

.

Auf Blumen

Als ich später das Band abhöre, aus dem die Redaktion von „Radio Infinity“ die neue „Crew“-Sendung zusammenschneiden wird, klinge ich wie ein Irrer. Als hätte ich komplett den Verstand verloren.

Ich rede mit Blumen.

Eine gesteht mir, dass sie in Menschen verliebt sei, eine andere, dass sie Durst habe, weil sie so selten gegossen werde, wieder eine andere fühle sich unansehnlich. Das gebe ich zumindest auf dem Band wieder. Im Hintergrund sind Nick und Husky zu hören, erst belustigt, dann genervt und schließlich erschrocken.

Ich könnte jetzt schreiben, dass war wieder nur eine Halluzination oder besser: Ich wollte Nick und Husky nur mal ordentlich veralbern, weil ihr größtes Problem war, sich nicht entscheiden zu können – zwischen der militärischen und der zivilen Version eines Quantumantriebs für eine Anvil Pisces Medic, die Nick von der Rust Society für unser „Crew“-Projekt gestellt bekommen hat. Nichts interessiert mich schließlich weniger, als dieser technische Kram. Man kommt fünf Minuten später irgendwo an – so what? Das klingt jetzt vielleicht seltsam für einen Reporter, der ja angeblich immer unter Strom zu stehen hat. Gut, für ein medizinisches Rettungsschiff hat das natürlich schon Relevanz … doch zurück zu den Pflanzen: Wahr ist: Sie haben mit mir gesprochen, irgendwie kommuniziert. Ich wünschte, ich könnte etwas anderes sagen.

Die  Blumen auf Microtech – sie sind gezüchtet worden. Es sind quasi halbkünstliche Gebilde, meterhoch, in allen Farben schillernd, wunderschön. Auf Microtech war ich ja nun schon unzählige Male – nie zuvor hatte ich mich den Blumenkübeln aber so genähert und sie so intensiv betrachtet. Nun, natürlich, einmal schon – als ich mich damals nach dem Besäufnis in Wallys Bar in ein Blumenbeet übergeben hatte.

Pflanzen, so heißt es, kommunizieren untereinander. Wird eine Pflanze etwa durch Schädlingsbefall bedroht, so sendet sie Botenstoffe aus, die die umgebenden Pflanzen warnen, die dann ihrerseits Abwehrmechanismen einleiten. Möglichkeit genug, auch Menschen mitzuteilen, wenn ihnen etwas nicht passt?

Wir fliegen im Weltall umher, haben uns fremde Systeme zu eigen gemacht und Planeten kultiviert – doch leben wir wirklich noch mit und in der Natur? Wir umgeben uns mit allerlei modernster Technik, sitzen in luftdicht abgeschlossenen Blechbüchsen, für jedes Problem haben wir eine technische Antwort parat. Pflanzen in Kübeln sind allenfalls zu unserem Wohlgefallen da – oder um sie medizinisch auszubeuten. Doch hören wir noch hin? Sind wir wirklich noch offen für Neues? Im Grunde wissen wir  nichts über die Beschaffenheit des Universums. Ich denke an den Symbionten.

Wahr ist: Als mir die riesige rötliche Pflanze wenige Minuten zuvor ein paar gescheuert hat, war ich so perplex, dass ich laut aufgeschrien habe. Nick und Husky kamen denn auch sofort herbei gerannt. Das riesige Blatt der Pflanze hing über das Geländer – grad so, als habe sie nur darauf gewartet, mir endlich eine zu knallen – oder habe ich mir das nur eingebildet? Weil ich seit meinem Ausfall in Wallys Bar unterbewusst das Gefühl hatte, eine Ohrfeige verdient zu haben?

Die Pflanzen, in die ich mich vor nunmehr zwei Jahren übergeben habe, sind längst ausgetauscht und entsorgt worden. Oder können sich Pflanzen so etwas merken? Das so genannte Myzel-Wurzel-Netzwerk, das als Pilzgeflecht alles pflanzliche Leben miteinander verbindet – vielleicht ist es so eine Art Gedächtnis. Als habe mir die Backpfeife den Weg weisen wollen, kommunizieren die Pflanzen nun mit mir – nicht im Sinne eines klassischen Gesprächs, eher auf einer Gefühlsebene, eine Art nonverbale Kommunikation.

Und so klettere ich zwischen den Blumen umher, bedacht darauf, nirgendwo draufzutreten, nehme – vielleicht – unbewusst, vielleicht für diesen Moment aber auch nur besonders offen für die Geheimnisse des Universums, die Dinge auf.

„Bru, alles okay mit dir?“

„Ja…äh…ja, alles klar.“

„Welchen Quantumantrieb sollen wir deiner Meinung nach nehmen?“

„Wie… was? Ist mir egal. Hat man euch eigentlich schon mal gesagt, dass ihr totale Unromantiker seid?“

„Uff. Wir sollten Ella Bescheid sagen…“

Ich stehe mittlerweile mitten in den Kübeln, krauche bäuchlings drin umher.

„Ich verstehe deinen Schmerz…nein, du bist nicht hässlich…“

„Bru, komm raus da!“

Ich höre die Stimmen meiner Freunde.

„Es tut mir leid, es kommt nicht wieder vor…“

„Bru…“

Journal-Eintrag 24 / 01 / 2953

Ich glaube, ich höre nicht recht – im Radio wird davon gesprochen, dass ein Unbekannter durch die Pflanzen auf New Babbage getrampelt sei. Sogar mein einstiger kleiner Ausfall, als ich mich in die Kübel übergeben hatte, wird noch einmal aufgegriffen. Gottlob hat man mich diesmal nicht erkannt,  sonst hätte ich wohl bald Einreiseverbot nach New Babbage. Irgendein Mitarbeiter in der Stadt-Administration muss gute Verbindungen zur Nachrichtenredaktion von „Radio Infinity“ haben.

Ich höre nebenbei die News, mache mich fertig und bin kurz darauf ausgehbereit. Friedrich hat auf die „Nordlicht eins“ eingeladen, kleiner Ausflug zum Jahresbeginn. Nick ist auch dabei – ich treffe ihn in der Metro. Er trägt heute zur Abwechslung mal abgefahrene Klamotten und eine abgespacte Brille.  Es fällt kein Wort über die Blumen-Eskapade. Mit an Bord ist noch Gate von Gate Catering und Chris Kross, der das Schiff steuert. Offenbar hat er für einzelne Aufträge bei Nordlicht angeheuert. Eine kleine  illustre Runde.  Bald cruisen wir über Microtech dahin. Wir fliegen die Route des Rick Targoli aus dem Scenic Cruise „Bergkönig“ – Nordlichts Einstand im Stanton-System aus dem vergangenen Jahr.

Ich blicke aus dem Fenster und sinniere – was steht in diesem Jahr alles an? Enos und die Aufklärung des Anschlages auf mein Leben. Die Free Riders. Nicks “kleines” Drogen-Problem. Und natürlich – die Crew samt seltsamem Artefakt. Viel auf der Agenda, viele verschiedene Stränge. In der Bar erzählen die anderen beim Bier, was bei ihnen ansteht – Friedrich will seinen Scenic Cruise vorantreiben, Gate seine Catering-Fima weiter aufbauen. Nick hat dies und das auf der Uhr, sein Job bei „Radio Infinity“ nimmt ihn ganz schön unter Beschlag, höre ich raus.

Draußen ist es stockdunkel. Wir unternehmen einen kleinen Spaziergang, warten den Sonnenaufgang ab und genießen das farbenfrohe Spiel über den schneebedeckten Gipfeln. Es ist immer wieder schön anzusehen. Jeder neue Tag bringt etwas Neues. So wie jedes Jahr.

Journal-Eintrag 25 / 01 / 2953

Mord, Raub, Überfälle – das Verse wird immer brutaler. So scheint es zumindest. Die Advocacy ist dagegen machtlos. Im Gegenteil: Immer wieder werden Verantwortlichkeiten auf die Bürger selbst abgewälzt. Beispiel: Die „Civilian Defense Force“ – brave Bürger in Uniformen sollen in den Krieg ziehen und für das Militär die Karre aus dem Dreck ziehen. Natürlich unentgeltlich und in ihren eigenen Schiffen. Es ist im Grunde nicht zu glauben. Zeit mal wieder eine „Off the Record“-Seite und einen passenden Kommentar zu schreiben…

*****

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On Fire

Zero sitzt im Klescher-Knast, so viel ist klar. Nur für wie lange – und wann haben sie ihn dorthin gebracht? Können und sollten wir ihn eventuell befreien?

Gabriel weiß mehr – offenbar hat Ray Keaton, der ja immer noch hinter Zero wegen der Renaissance-Geschichte her ist und der mich geschlagen hatte, aus einem Com-Array eine Funkübertragung abgefangen, in der Hurstons Gefangenentransporte der letzten Zeit kodiert waren. Diese Daten hat Ray auch Husky gegeben – zur Dekodierung. Zwei Krypto-Keys hat Gabriel daran bereits verschlissen, dann hatte er wohl eine rettende Idee: Eine Platine, die in der Lage ist, die verschlüsselten Daten zu lesen, ist auf einem abgestürzten Satelliten zu finden – wo genau, weiß wiederum ein gewisser Clovus Darneely, der auf Hurston die örtliche Schrotthalde betreibt.

Ich schüttele den Kopf, als Gabriel mir davon erzählt. Jeder weiß in diesem Verse immer irgendetwas – nur freiwillig rausrücken will damit kaum einer. Alles hat eben seinen Preis.

Ich stolpere also Gabriel durch Lorville hinterher. Immer wieder grüßt er mir wildfremde Leute. Es scheint so, dass er viele kennt, sogar einige Wächter. Gut, Husky hat auf Lorville ja auch seine Zelte aufgeschlagen, wie er erzählt. Gleichwohl: Heimliches F.R.O.S.-Mitglied einerseits – braver Lorville-Bürger andererseits? Irgendwie passt das aber auch zu Husky; ein bisschen zwielichtig kommt er mir manchmal schon vor.

Es geht vorbei an zerrissenen Raumschiffen, metall-kreischenden Sägen und Altmetall, dann erreichen wir Clovus Darneely, einen alten, wie es scheint, zutiefst zynischen, vor sich hin hustenden Mann. Er mustert uns misstrauisch, dann rückt er die Koordinaten auf Hurston raus, an denen wir die Platine finden werden. Haben wir ihm dann ebenfalls ein paar Daten übertragen, an denen er gesteigertes Interesse hat, so wird er alle Funktionen der Platine frei schalten. Wir dürfen sie behalten und damit machen, was wir wollen. So weit, so gut.

Kurz darauf fliegen wir mit der „Clarke II“ zur Absturzstelle – als wir an dem betreffenden Ort niedergehen, ist der Nachthimmel so schwarz, dass ich den Boden bei der Landung erst sehe, als schon fast die Landestützen aufsetzen. Hermieoth, der ebenfals mit von der Partie ist und der nach einer kurzen Einweisung über Funk schon auf uns wartet, leuchtet den Landeplatz aus. Minuten später stehen wir auch schon vor dem Funken sprühenden Wrack. Um uns herum lodern meterhohe Feuer. Wie immer hat der liebe Gott vor den Erfolg den Schweiß gesetzt – und so gibt das Wrack die Platine nicht ohne Kletterpartie her. Gabriel gelingt es besser als mir, das Wrack zu erklimmen, ich rutsche ein paar Mal ab, bis ich schließlich aufgebe – Hauptsache, wir haben die Platine.

Diese müssen wir nun noch in eine Konsole stecken, haben dafür aber nur 35 Minuten Zeit, bevor sie sich selbst zerstört. Wir wollen recht flott zum Schiff zurücklaufen, da merken sowohl Gabriel als auch ich, wir sehr unsere Beine schmerzen – klar, mehrfach aus mehreren Metern Höhe abzustürzen, ist nicht gerade förderlich für die Gesundheit. Mit letzter Kraft schleppen wir uns ins Schiff, Hermieoth fliegt voraus.

Was würden wir jetzt für ein paar Medipens geben! Herrgott, ich muss wirklich mehr darauf achten, das Schiff besser auszurüsten. Meist fliege ich nach dem Motto los: Wird schon schief gehen. Tut’s dann ja meistens auch. Wie auch immer – bald rennt uns die Zeit davon und wir können alles andere als rennen. Wir landen gut zwei Kilometer von der bewachten Konsole entfernt – je weniger Aufmerksamkeit wir erregen, umso besser. Gabriel ist noch ein wenig besser zu Fuß unterwegs als ich. Bald muss ich ins Schiff umkehren. Hermieoth und Gabriel kämpfen sich unterdessen erneut bei stockdunkler Nacht durch das unwegsame Gelände Hurstons. Ich höre über Funk mit, wie sich die Dinge entwickeln.

Alles schneide ich nicht mit – wie es scheint, reicht die Zeit aber noch und Gabriel überspielt Darneely die Daten. Erschossen wird auch keiner. Es läuft besser als gedacht. Nachdem Gabriel zurückgehumpelt ist, hauen wir wieder so schnell ab, wie es geht, dann entschlüsselt er die Daten und sieht, seit wann Zero im Klescher-Knast ist.

„…hast du eigentlich die Nachricht gelesen, die ich dir vorhin geschickt hatte?“

„Welche Nachricht?“, fragt Gabriel geistesabwesend.

Ich checke mein Mobi.

Herrgott, ich hatte sie Friedrich geschickt.

Ich zeige Husky die kryptische Nachricht, die ich über die Notfallfrequenz erhalten hatte.

Heiße Chips – Spacehub Gundo – so viel hatte ich verstanden. Mehr nicht.

Gabriel liest die Nachricht einmal, zählt zwei und zwei zusammen und sagt dann:

„Wolf Point Aid Shelter auf Daymar. Dort ist Zero.“

Wir hätten uns die ganze Aktion sparen können.

Journal-Eintrag 27 / 01 / 2953

Anvil will, dass wir im System bleiben – nix mit Hades.

Als uns Mr. Aruhso diese Nachricht an Bord der Carrack verklickert, sind wir alle mehr oder weniger geschockt. Erst schicken sie uns einen Babysitter mit an Bord, nun legen sie uns auch noch an die Kette! In mir steigt kalte Wut auf und ich überlege für einen Moment, das ganze Projekt hinzuwerfen.

Jeder von uns ist ein gestandener Raumfahrer, eine gemischte Truppe mit verschiedenen Fähigkeiten, klar. Aber dann hätte Anvil  nicht so großkotzig daherreden sollen mit seinem Werbespruch „Jeder kann ein Raumschiff fliegen.“

Ich lächle bitter. Na klar – aber bitte nicht so weit raus.

„Mr. Aruhso…“

„…Mr. Brubacker, ich überbringe die schlechte Nachricht nur, ich bin der Hausmeister. Das wissen Sie doch.“

Das war also die Nachricht, die er aus dem Anvil-Hauptquartier für uns mitgebracht hat. Hatte mich schon gewundert, wo Aruhso die vergangenen Male gesteckt hatte.

Ich nicke resigniert und reiße mich zusammen.

Was soll’s – Stanton also, bis auf Weiteres.

Das Intercom – Nick.

„Bin gleich bei euch, habe den neuen Quantumdrive in die Picies einbauen lassen. Komme jetzt hoch nach Port Tressler.“

„Roger.“

Sobald Nick da ist, wollen wir starten – Zero retten.

Wir warten und blicken uns stumm an. Die Stimmung ist im Keller.

Eine weitere Nachricht von Nick: In Orison über Crusader brennt erneut der Himmel – ein weiteres Mal versuchen die Ninetails die schwebenden Plattformen einzunehmen, was wiederum dazu führt, dass auf allen Planeten des Systems der Verkehr stark limitiert wird, um aus einem lokalen Konflikt keine systemweite Katastrophe werden zu lassen.

„Wo müssen wir hin?“, fragt er.

„Daymar.“

„Okay, dann komme ich direkt da hin.“

„Alles klar.“

Wir machen uns auf den Weg – ein Jahr kreuz und quer durch Stanton zu reisen, das wird vielleicht eine Freude…

„Mr. Aruhso….meinen Sie nicht, da könnte man vielleicht doch noch etwas machen?“

„Mr. Brubacker…“

Nick – schon wieder.

Zwar hat er es bis Tressler geschafft, nun aber hat die Civilian Defense Force das ganze System unter Lockdown gesetzt. Kurzum: Er sitzt auf der Orbitalstation fest. Er fällt damit aus.

Wie erreichen unterdessen Daymar und Gabriel bringt uns runter zum Wolf Aid Shelter, in dem Zero sitzen soll. Vor der kleinen Station im Nirgendwo steht eine kleine Cutter – Zeros Schiff? Während Gabriel das Schiff in Startkonfiguration hält, falls es sich um einen Hinterhalt handelt, checken Ella und ich die Lage.

Wir suchen das Shelter, Ella hat zur Sicherheit ihre Waffe gezogen. Dann finden wir Zero – ein Häufchen Elend, zusammengekauert in einer Ecke. Er sieht leichenblass und halb verhungert aus.

„Zero…Scheiße, Mann!“

„Bru…Gott sei Dank!“

Wir schleppen ihn zur Carrack. Dann erzählt uns Zero, was vorgefallen ist – er war überfallen, entführt und nach Klescher gebracht worden, wo man ihm allerdings alle Rechte vorenthielt und ihn für immer verschwinden lassen wollte. Nur mit viel Glück sei es ihm gelungen zu fliehen.

„Und nun?“

„Nun…nun, bin ich offiziell tot.“

Ich schüttele den Kopf – und das alles wegen ein paar kleineren Schmuggeleien?

„Lasst uns mal scharf nachdenken. Und erstmal weg von hier…“

Ich laufe ins Cockpit und will die Maschinen hochfahren. Einmal, zweimal, dreimal.

Es tut sich nichts.

Wir sind gestrandet.

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Außer Kontrolle

Krass, fast wie damals bei Chhris. Nur diesmal mit kurzer Nachricht. Einfach abgeflogen. Nun, ich hatte von Beginn das Gefühl, dass das „Crew“-Projekt nicht das Richtige für ihn ist. Er stand wohl zu sehr unter Druck. Ich mache mir aber auch Sorgen um ihn.Wir werden sehen müssen…

Nun denn – zurück zum Tagesgeschäft.

Daymar – wir sitzen fest.

Ich versuche noch zwei-, dreimal die Carrack wieder anzuwerfen – erfolglos, als ich aus der Messe über das Intercom des Schiffes komische Geräusche höre.

„…so, jetzt kommt her…“

„Ey, was willst du von mir?“

Mir läuft es den Rücken runter. Ich springe aus dem Stuhl und hetze nach hinten – zu spät.

Ich springe in der Messe die Stufen mit einem Satz hinunter und stehe vor dem Hausmeister, der bewusstlos vor mir liegt.

„Was ist denn hier passiert..?“

Husky steht direkt neben Mr. Aruhso, die Spritze noch in der Hand.

„Na, was wohl? Ich habe ihn schachmatt gesetzt.“

„Wie bitte? Bist du von allen guten Geistern verlassen?“

Husky verzieht keine Miene.

„Wir reden immer nur. Wir wollen nach Hades. Aber nichts passiert – ich bringe uns jetzt aus Stanton raus. Ich sehe es einfach nicht ein, dass wir die ganze Zeit verarscht werden.“

„Bist Du verrückt? Du kannst doch nicht ein Mitglied der Crew außer Gefecht setzen!“

„Er schläft nur. Jetzt können wir ihn in Ruhe vom Schiff schaffen und dann nach Hades fliegen.“

„Auf keinen Fall!“

Ich spüre, wie meine Fassungslosigkeit in Wut umschlägt.

Erst die Nachricht von Nick – und jetzt das.

Ella beugt sich über Aruhso und bearbeitet ihn mit einem Meditool.

„Das bringt nichts, wir müssen ihn in die Krankenstation schaffen.“

Wir nehmen ihn unter die Arme und schleppen ihn halb bewusstlos rüber. Danach rufe ich zur Mannschaftssitzung.

Unterdessen höre ich, wie Husky das Schiff startet und abhebt – das gibt’s doch nicht.

„Husky, was zum…“

Keine Ahnung, wie er das Schiff zum Laufen gebracht hat, doch besonders weit kommt auch er nicht.

„Sag mal, kaperst du das Schiff? … Shit, wir stürzen ja ab…“

Mehr bringe ich nicht hervor, nachdem ich ins Cockpit gestolpert war.

Ich beobachte entgeistert, wie die Carrack auf einen Canyon zurast.

„Alle festhalten!“

Erst im letzten Moment gelingt es Husky, das Schiff noch mit letzter Kraft hochzureißen und dann recht unsanft aufzusetzen. Für einen Moment gehen im gesamten Schiff die Lichter aus.

Übers Intercom höre ich, wie alle tief ein- und ausatmen.

„Alle Mann in die Messe, pronto!“

Ich kann kaum noch an mich halten – benimmt sich so ein souveräner Captain? Ich bezweifle es – doch wer mit Menschen zu tun hat, muss mit so etwas schließlich immer rechnen. Als wir in der Messe sind, lege ich los.

„Ist euch eigentlich klar, was das bedeuten kann? Das Ende des Projekts…oder meint ihr ernsthaft, das hat keine Konsequenzen?“

Ich ernte betretenes Schweigen, nur Zero fabuliert gut gelaunt davon, dass ich mich nicht so anstellen solle. Er habe schon Schlimmeres erlebt. Ungerührt fragt er, ob es einen weiteren Raumanzug an Bord gibt.

Herrgott, manchmal nervt Zero, aber echt.

„Ja, Zero, alles klar…“

„Bru, komm mal wieder runter…“

Ich schüttele resigniert den Kopf.

Ein Mannschaftsmitglied außer Gefecht gesetzt, das Schiff fast abgestürzt, das Vertrauen in die Mannschaft erschüttert…

„Schauen wir mal nach Mr. Aruhso…“

Wir laufen zur Krankenstation – Mr. Aruhso ist verschwunden.

„Da haben wir’s…“

Wir rennen in den Laderaum – der Ursa ist auch weg.

„Na prima…“

Ella eilt die Laderampe hinunter – am Horizont ist entfernt noch eine Staubwolke auszumachen.

„Mr. Aruhso, können sie uns hören?“

Ich brülle fast in das Mikro.

Schweigen.

„Mr. Aruhso, machen Sie doch keine Dummheiten. Es lässt sich alles erklären…“

Schweigen.

„Mr. Arhuso – hören Sie mich…?“

„Ja, ich höre Sie.“

„Kehren Sie um, ich bitte Sie! Es ist alles … ein schreckliches Missverständnis.“

„Das glaube ich nicht.“

So eine verdammte Scheiße.

Ella schaltet sich ein – und bittet ihn umzukehren.

Ich weiß nicht wieso, aber schließlich fährt er eine weite Kurve und kehrt zum Schiff um – vielleicht einfach nur, weil der nächste Außenposten zu weit weg ist und wir mitten in der absoluten Einöde stehen.

Nach wenigen Minuten ist er wieder an Bord – und ich rufe zur zweiten Mannschaftsrunde.

Husky ist mittlerweile ganz kleinlaut – so hat er sich das ganz bestimmt nicht vorgestellt.

„Mr. Aruhso, haben Sie an dem Schiff etwas manipuliert? Ich muss das jetzt wirklich wissen.“

Er sieht mich mit seinem typischen Hausmeisterblick an.

„Mr. Brubacker, das kann schon sein. Ich habe Ihnen und Ihrer Crew nun schon mehrfach angeboten, mich einfach abzusetzen und dann können Sie Ihrer Wege gehen…“

„…aber das wollen wir doch gar nicht…“

„Wie auch immer. Wenn Sie mir versprechen, dass Sie mich nicht einfach wieder außer Gefecht setzen und irgendwo entsorgen, baue ich die Entriegelung aus.“

„Hauptsache, wir kommen hier weg…“, wirft Husky ein.

„….aber klären Sie das erstmal mit ihrer Crew. Bis dahin bleibt alles so wie es ist.“

Wir bleiben gestrandet. Weil wir einen Saboteur an Bord haben. Und das Vertrauen an Bord im Eimer ist.

Ich lege mich in die erstbeste Koje – für die nächsten Stunden will ich keinen sehen.

So hatte ich mir das Crew-Projekt garantiert nicht vorgestellt.

Journal-Eintrag 16 / 02 / 2953

Ich stehe auf meiner Carrack an den Konsolen der oberen Brücke und gleite durch die Unendlichkeit.

Allein.

Kein nervender Mr. Aruhso.

Kein unheimliches Artefakt.

Keine menschlichen Enttäuschungen mehr.

Ein Anruf von Friedrich Winters, meinem guten Freund.

Ob ich ihn beim Auskundschaften einer neuen Route für eine Spezialversion des Scenic Cruise „Bergkönig“ auf Microtech begleiten könne, möchte er wissen. Ich drehe die Carrack und steuere Port Tressler über Microtech an. Dort wartet Friedrich bereits in einer kleinen Origin 85X. Nach einer gekonnten Landung in der Carrack geht es gemeinsam hinunter auf den Planeten.

Mit Rovern möchte Friedrich diesmal zu der Höhle fahren, wo man den Bergkönig bestaunen kann.

Ich lande das Schiff butterweich auf einem Außenposten, werfe noch manchen verliebten Blick zurück, dann flitze ich mit Friedrich im Tumbril Cylone auch schon durch die einsame Winterlandschaft.

Friedrich erzählt ein wenig über Tumbrils Firmengeschichte, ich genieße unterdessen die Umgebung. Es ist schon erstaunlich, wie viele Entwicklungen, die wir heute als normal hinnehmen, aus nackter Not während der ersten Entdeckerphase mit Sprungtoren entstanden sind. Er berichtet davon, wie er sich seine Zukunft im Stanton-System und darüber hinaus vorstellt, dann kehren wir zur Carrack zurück. Über uns leuchten die Sterne – wie in einem Wintertraum recken sich die verschneiten Bäume scheinbar bis in den Himmel.

Ich strecke mich unbewusst.

….es war wirklich nur ein Traum…

Nebenan höre ich leise Mr. Aruhso schimpfen.

Ich bin auf Daymar.

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Gestrandet

Als ich aufstehe, geht ein tiefes, sonores Brummen durch das Schiff.

Im ersten Moment denke ich, Husky hat das Schiff wieder zum Laufen gebracht, doch dann weiß ich: Es ist etwas anderes. Das Geräusch kommt vom Bug des Schiffes. Plötzlich fällt es mir siedendheiß ein: In der Garage der Carrack wird der Ursa Rover gestartet – wer macht sich nun wieder ohne Absprache aus dem Staub?

Ich springe aus meiner Koje und sprinte auf die Brücke.

Mr. Aruhso, Ella und Zero – alle sind da. Nur einer fehlt: Husky.

Ich schalte aufs Intercom.

„Husky, wo willst du hin? Mach es nicht noch schlimmer, als es ohnehin schon ist…Husky?“

„Ja…?“

„Komm bitte zurück.“

„Nein, ihr hattet eure Chance.“

Wir sehen am Horizont nur noch die Staubwolke des Rovers.

Herrgott.

„Mr. Aruhso – schaffen Sie es vielleicht, das Schiff doch zu starten?“

„Ich gebe mein Bestes.“

„…und du, Zero, sieh bitte mal im Maschinenraum nach dem Rechten. Vielleicht findest du dort etwas…“

„Okay.“

Ich blicke weiter hinaus in die endlose Sandwüste Daymars.

Dann rührt sich plötzlich etwas im Schiff.

Schwerfällig hebt sich die Carrack vom Boden, sie schwankt in der Luft, kippt fast zur Seite.

„Richtig in die Höhe bekomme ich sie nicht“, vermeldet Mr. Aruhso.

„Soll ich vielleicht aussteigen und schieben“, wirft Zero ein, nachdem er auf die Brücke zurückgekehrt ist.

„Zero…hast du was im Maschinenraum entdeckt?“

„Nope. Scheint alles okay zu sein.“

Mr. Aruhso steuert das Schiff unterdessen im Tiefflug über Sand und Geröll Daymars.

„Wohin jetzt?“

Ich zucke mit den Schultern. So fliegen wir im Schneckentempo ziellos erst einmal einfach nur geradeaus.

Unter uns breiten sich die Canyons Daymars aus.

Landen können wir also auch nicht mehr – das gäbe garantiert eine Bruchlandung.

„Dort drüben“, ruft Ella plötzlich.

„…seht ihr das?“

Wir blicken angestrengt aus dem Cockpit – dann schält sich aus dem Steinmeer plötzlich etwas heraus: ein Wrack, genauer: das Schiffswrack einer Caterpillar.

„Mr. Aruhso, versuchen Sie zu landen. Vielleicht finden wir darin irgendwelche Ersatzteile.“

Der Hausmeister nickt, ganz konzentriert auf seinen Anflug auf ein Plateau zwischen allen Canyons.

Dann bringt er uns langsam und sanft hinunter. Sieh an – in dem grummeligen Hausmeister steckt mehr, als man auf den ersten Blick denkt.

Draußen geht mittlerweile die Sonne unter.

„Ich gehe mal raus und schaue mich um.“

Übers Intercom höre ich, wie die anderen über die Ersatzteile sprechen, die vielleicht in der alten Caterpillar auf uns warten.

„Ich fliege uns rüber auf das andere Plateau und lande direkt neben der Cat. Mr. Brubacker, kommen Sie bitte zurück an Bord.“

„Nee, fliegt mal, ich probiere es so“, erwidere ich.

Ein Riesefehler, wie sich schon bald zeigen wird. Mr. Aruhso quetscht aus den Engines das letzte Quäntchen Saft und bringt die Carrack auf die andere Seite des Canyons, dessen Rand ich in der Zwischenzeit erreiche.

Ich blicke hinab – herrje, das sah aus der Luft weder so tief noch so weit aus. Doch ich will mir keine Blöße geben – das bisschen Restrespekt, das ich noch habe, will ich nicht auch noch verspielen.

„Das wäre doch gelacht…“, sage ich noch – und rutsche ab.

Es geht mehrere Meter steil abwärts, dann fange ich mich ab.

„Hmpf…“

„Bru, alles okay, bei dir?“

„Alles super, komme gut voran.“

Fast senkrechte Abschnitte wechseln sich mit leichteren Passagen ab. Ich kraxle, stütze mich ab, nutze kleine Felsvorsprünge, um mich festzuhalten – und irgendwann bin ich unten. Mehr schlecht als recht zwar – aber egal. Jetzt muss ich auf der anderen Seite nur noch wieder hinauf. Doch die Felswand sieht nun mindestens dreimal so hoch aus wie vorher.

Über Intercom höre ich, wie die anderen das Caterpillar-Wrack betreten. Ich atme tief durch und versuche einen Weg nach oben auf das Plateau zu finden. Doch immer, wenn ich es fast geschafft habe, rutsche ich wieder zurück – geradeso, als würde mich der Fels verhöhnen wollen. Ich laufe um das Plateau herum – doch eine geeignete Aufstiegsmöglichkeit finde ich nicht.

Mr. Aruhso versucht, mich von oben zu lotsen – erfolglos. Mal probiere ich es hier, mal dort, während über dem Horizont der Gasplanet Crusader aufgeht, ein Naturschauspiel, wie man es aus dieser Perspektive selten sieht. Unterdessen scheint Zero im Wrack tatsächlich etwas zu finden, was uns nützlich sein könnte.

Meine Biosensoren schlagen Alarm, ich bin nah an der Dehydrierung.

„Beeilt euch, Leute. Mir geht hier langsam die Puste aus.“

„Alles klar.“

Plötzlich wird irgendwo in der Nähe geschossen.

„Ähem…Leute…“

„…ja, haben wir auch gehört, scheint aber nicht uns zu gelten.“

Dann höre ich, wie die Maschinen der Carrack hochfahren.

„Sieht gut aus, Bru. Kommen dich jetzt holen.“

„Alles klar. Mir wird schon schwarz vor Augen.“

Kurz darauf schwebt die Carrack langsam in den Canyon hinab, ich krauche auf allen Vieren die Rampe hinauf. Ella muss mir mehrfach eine Spritze geben, doch werde ich immer wieder ohnmächtig.

„Ab auf die Krankenstation mit ihm. Der ist ja völlig fertig.“

Erst jetzt wird mir so richtig klar, wir anstrengend meine Kletterpartie in Wirklichkeit war. Ich bin völlig durchgeschwitzt – wie sehr eine kühle Mondnacht doch täuschen kann.

Zero schleppt mich auf die Krankenstation, wo mich der Autodoc versorgt.

Nachdem ich wieder halbwegs hergestellt bin und die Maschinen des Schiffes wieder laufen, kehren wir zu unserer eigentlichen Aufgabe zurück: Husky finden. Ja, Husky…der kann mittlerweile sonst wo sein…

Journal-Eintrag 08 / 03 / 2953

Habe in einer ruhigen Minute Nicks letzte Folge seines „Cargo Man“ im Radio gehört – ich muss schon sagen, ich bin echt gerührt. Der lobt unsere Freundschaft echt über den grünen Klee. Und war mir gar nicht so klar, wie sehr ihn die Paranoia wegen der Drogen-Story wirklich gepackt hatte….kurz nach der Ausstrahlung hat mich dann auch eine Nachricht von Schuster erreicht – Nick sei entführt worden. Nur eine False-Flagg-Nachricht um ihn aus der Schusslinie zu bringen? Seine letzten persönlichen Worte sagten ja etwas völlig anderes aus. Weiß nun gar nicht mehr, was ich glauben soll. Ich hoffe in jedem Falle, dass es ihm soweit gut geht. Dann ploppt eine Nachricht auf:

Jetzt müssen wir ihn nur noch finden.

.

Die Black Kite

Wir fliegen mit der Carrack im Tiefflug über Daymar und suchen Husky. Unter uns fließt die zerklüftete Oberfläche des Mondes dahin – Canyon reiht sich an Canyon. Mir wird klar: Es wird extrem schwierig werden, ihn hier ausfindig zu machen.

„Husky…Husky…kannst du mich hören?“

Stille.

„Husky…sei kein Idiot! Du machst einen Riesenfehler. Husky…“

Dann höre ich plötzlich ein atemloses Schnaufen im Headset.

„Ja, ich…ich…mir geht es gar nicht gut…“

Irgendetwas stimmt mit ihm nicht.

„Husky…alles klar…“

Ich spüre, wie meine Wut verraucht und sich in Sorge verwandelt.

„Gib uns eine Richtung…irgendeinen Anhaltspunkt…“

„…fliegt Richtung Crusader…“

Ich blicke angestrengt zur Cockpitscheibe hinaus, der Gasriese liegt steuerbord von uns. Aruhso, der am Steuer sitzt, dreht das Schiff, sodass wir den Planeten nun direkt vor uns haben.

Fieberhaft suchen wir die endlose Sandwüste ab. Immer wieder scannen wir die Gegend.

„Da…da vorn…“

Ella sieht es als erstes – ein kleines Licht, nicht viel größer als ein Punkt, kaum wahrnehmbar. Aruhso geht tiefer.

Dann wird es größer – es ist ein Scheinwerfer, der Scheinwerfer des Ursa.

Es ist pures Glück, dass wir Husky finden.

Aruhso landet das Schiff in dem Canyon, Ella und ich laufen zu dem Fahrzeug, wo wir einen halb-bewusstlosen Gabriel Winters vorfinden.

Gemeinsam schleppen wir ihn an Bord der Carrack und bringen ihn auf die Krankenstation. Zero fährt unterdessen den Rover zurück in die Carrack.

Nachdem er sich erholt hat, erklärt Husky, dass ihn das Artefakt irgendwie unter Kontrolle gehabt habe – er habe eigenartige Visionen gehabt. Er solle nach Hades fliegen und anderes mehr… Mir kommt das zwar komisch vor, ich lasse es aber dabei bewenden. An Bord dieses Schiffes passieren so viele seltsame Dinge, die einer Crew eigentlich nicht passieren sollten – da kann mittlerweile alles möglich sein – oder nicht? Außerdem bringt es auch nichts, wenn wir uns nur weiter streiten.

„Lass uns das verdammte Ding einfach hier über Bord werfen…“

„Husky…“

Zero tritt zu uns und blickt uns aufmerksam an.

„Ich weiß vielleicht, wohin wir als Nächstes müssen…“

„Na..?“

„Microtech-System, ein Schiff namens Black Kite. Komm mit, ich will dir etwas zeigen.“

Im Captains-Quartier ruft Zero die Daten auf, die von der Relaisstation auf Microtech gesendet wurden.

„Ich habe die Daten noch einmal gescannt – und rausgefunden, wohin sie transferiert wurden. Auf eine Reclaimer im All. Das Schiff heißt Black Kite.“

„Nur ein weiteres Puzzleteilchen“, werfe ich ein.

„Wir werden den Brotkrumen wohl oder übel folgen müssen, wenn wir rausfinden wollen, was es damit auf sich hat.“

Ich nicke.

In der Messe informiere ich die anderen, wohin es als Nächstes geht, dann sind wir auch schon im Quantumsprung.

Dieser dauert länger als gewöhnlich – nicht nur haben wir das verdammte Artefakt an Bord, auch scheint das Schiff der allerletzte Kahn zu sein, den sie bei Anvil noch im Hangar zu stehen hatten. Jeder hängt während des Sprungs mehr oder weniger seinen Gedanken nach.

Dann meldet sich Zero wieder über Intercom.

„Leute, ich habe die Zeit genutzt, um noch ein wenig über die Black Kite zu recherchieren. Nun…uns werden dort Ninetails erwarten.“

Piraten….doch hatte nicht auch Danvers von ihnen gesprochen? Zumindest scheint es so, als wären wir auf der richtigen Spur.

Das Schiff schwebt mitten in der Unendlichkeit und scheint verlassen. Eines muss man Husky lassen – er ist immer vorbereitet. Und so hatte er die Carrack zuvor mit allem ausgestattet, was das Kämpferherz begehrt und wir rüsten uns in der Waffenkammer im Heck entsprechend aus.

Ich bin alles andere als ein Kämpfer, doch als ich das Behring-Gewehr in der Hand halte und die schwere Rüstung trage, fühle ich mich gut vorbereitet. Schließlich verlassen wir das Schiff durch die seitliche Andockschleuse und schweben zu viert hinüber. Mr. Arhuso, für den das gar nichts ist, bleibt allein zurück.

In der „Black Kite“ ist es so unheimlich wie auf der Reclaimer, auf der Husky und ich letztens allein waren. Überhaupt hat das Schiff etwas Unheimliches an sich, das bedrohliche Äußere eines Salvage-Schiffes setzt sich im Innern fort. An jeder Ecke wirkt es so, als könnte gleich ein Alien dahinter hervorspringen.

Unsere Probleme sind weit menschlicherer Natur – die Ninetail-Piraten. Ich luge um eine Ecke – und habe auch schon den ersten im Visier. Sofort eröffnet er das Feuer.  Wir schießen zurück.

Dann liegt er tot zu unseren Füßen.

„Wird da drüben etwa geschossen? Was ist da los?“

Mr. Arhuso.

„Ja, klar, wir sind auf einem Piratenschiff…“

„Aber Ihr könnt doch nicht…“

“Mr. Aruhso, bitte…nicht jetzt…“

Der Großkotz  lässt den Moralapostel raushängen.

Zero dringt in den Raum vor, der sich als Quartier des Captains entpuppt. Er checkt den Computer, der offenbar mit Servern verlinkt ist, die im Laderaum stehen.

„Wir müssen ins Heck.“

„Okay.“

Gemeinsam schleichen wir weiter durch das Schiff, checken jede Ecke, dann fahren wir mit dem Fahrstuhl in den riesigen Laderaum, in dem normalerweise abgebautes Salvage-Material gelagert wird. Von einer Brüstung schauen wir versteckt hinab in den riesigen Raum – und trauen unseren Augen nicht. Der ganze Raum ist eine einzige illegale Server-Farm. Weiß der Himmel, welche Rechner hier gehackt werden, welche Daten verschoben, welche Konten geknackt.

Unter uns patrouillieren gleich mehrere Ninetails.

Jetzt macht sich bezahlt, dass Ella so eine gute Schützin ist. Schnell erledigt sie einen Piraten nach dem anderen. Auch Zero schießt, Husky und ich ebenfalls.

Es ist, man kann es nicht anders sagen, ein Blutbad, ausgeführt aus einer komfortablen, erhöhten Position heraus. Ich versuche mir einzureden, dass es okay ist, was wir hier tun. Es sind schließlich „nur“ Piraten. Würden wir nicht schießen, würden sie uns ohne mit der Wimper zu zucken töten. Wir haben keine Alternative. Und wir tun dem Verse einen Gefallen, wenn wir die Serverfarm offline nehmen. Oder etwa nicht?

Alles in mir schreit, dass es dennoch falsch ist. Jedenfalls nicht auf diese Art und Weise.

Nachdem der Raum klar ist, checken wir die Server und Zero extrahiert von einem Rechner eine Nachricht, die er uns weiterleitet.

Es geht zurück nach Microtech. Ich sinniere: Wofür dieses Hin- und Herschicken von Daten? Vielleicht um Spuren zu verwischen? Es würde zumindest Sinn machen. Ich versuche die Geschehnisse der vergangenen Tage so schnell wie möglich zu verdrängen. Was geschehen ist, ist geschehen.

Journal-Eintrag 22 / 03 / 2953

Ein weiterer Aufpasser an Bord…nicht zu fassen. Aber war ja irgendwie auch klar, dass Anvil spitz kriegen würde, dass es an Bord nicht ganz so rund läuft…mit meiner Autorität an Bord ist damit jedenfalls dahin. Bin gespannt, wen wir da als nächstes an Bord bekommen…

Journal-Eintrag  31 / 03 / 2952

Mr. Aruhso ist offenbar bei Anvil zum Rapport einbestellt worden. Keine Ahnung, was nun schon wieder droht. Ich gehe mal davon aus, dass sie uns nach den vergangenen Ereignissen nicht gleich das ganze Schiff wegnehmen wollen…und auch Husky hat sich gemeldet: Er braucht etwas Abstand und wird für die Wildstar Amateurliga ein paar Rennen fliegen und sich mal richtig den Kopf freipusten. Er habe sich in zuletzt ziemlich daneben benommen und erkenne sich selbst kaum noch. Na, das klingt doch ganz vielversprechend. Zero ist auf Daymar wieder mal nicht erreichbar. Kurzum: Zeit für eine kleine Pause bei der “Crew”.

Journal-Eintrag 23 / 04 / 2953

Zeit, unseren neuen Anvil-Aufpasser zu treffen. Nach diversen Verschiebungen haben wir nun endlich einen Termin gefunden auf Port Tressler. Das trifft sich gut, weil wir wegen der kryptischen Nachricht, die wir auf der „Black Kite“ aufgeschnappt hatten, ohnehin nach New Babbage müssen – zu „Microtech Planetary Services“, was immer das auch sein soll. Wir wollen so jedenfalls gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Zero ist immer noch verschwunden, Mr. Aruhso offenbar nach wie vor bei Anvil gebunden. Nun, ist vielleicht ganz gut so – dann treffen nicht gleich wieder zwei riesige Egos aufeinander. Ich denke über diesen Umstand und wie eine neue Person das zerbrechliche Gefüge in der Crew wohl verändern wird, noch nach, während Husky das Schiff aus dem Hangar steuert.

Dann höre ich über Funk auch schon eine Stimme, die mir aber seltsam bekannt vorkommt.

„PAL-01, hier ist der Techniker, der Ihr Schiff inspizieren und überprüfen soll. Ich bitte an Bord kommen zu dürfen.“

Der Techniker kommt mit einer Pisces, dem kleinen Begleitschiff einer Carrack. Ich erteile ihm die Landegenehmigung, Ella öffnet das obere Hangartor. Kaum ist der Techniker gelandet, was er wirklich sehr gekonnt und professionell macht, öffnet sich auch schon die kleine Heckklappe des Schiffes – und herausspaziert kommt: Hermieoth.

„Hermie…?“

„Bru…?“

Wir stehen uns mit offenen Mündern gegenüber.

„Du bist der Techniker von Anvil?“

„Ich bin freier Auftragnehmer. Anvil hat mich für diesen Job gechartert.“

„Ah, verstehe. Was für ein Zufall.“

„…und ihr macht hier…was?“

„Wir…ähm…machen eine kleine Radioshow für Radio Infinity. Haben aber ein paar kleinere Probleme…“

„…technischer Natur?“

„Sowohl als auch.“

Hermieoth bringt seine Habseligkeiten auf die Carrack, Husky fliegt das Schiff unterdessen in einen sicheren Orbit über Microtech, dann treffen wir uns alle in der Messe. Fast wirkt es wie eine kleine Familienzusammenführung.

„Was habt ihr denn für Probleme mit dem Schiff?“

Ich will Hermieoth nicht gleich mit allem überfallen und sage nur, dass diese vielfältiger Natur seien.

„Vielleicht schauen wir uns das Schiff einfach mal gemeinsam an.“

„Yep.“

Hermieoth wechselt die Klamotten, nachdem wir ihm seine Koje gezeigt haben, er trägt dann einen Monteursanzug mit Werkzeugen und gemeinsam gehen wir Abteilung für Abteilung durch. Schnell entdeckt er: Diverse Sicherungen sind durchgebrannt, ein Relais sprüht Funken und anderes mehr.

„Ist jetzt alles nichts Lebensbedrohliches, aber repariert werden müsste es schon.“

Dann entdeckt er im Cockpit die Drake-Schalttafeln, die Zero und Mr. Aruhso provisorisch eingebaut hatten.

„Was ist das denn?“

„Ähm…wir haben das Schiff nur so wieder flugfähig bekommen. Wir waren auf Daymar gestrandet und…“

„…das ist jetzt echt gefährlich. Völlig unterschiedliche Konverter mit anderer Auslegung. Passen nicht zusammen. Schmoren irgendwann durch und jagen Spannungsspitzen durch das ganze System. Dann ist schlagartig das ganze Schiff tot.“

„Ah, okay…tauschen wir dann dringend besser wieder aus.“

„Besser wäre es. Ich werde mal eine Liste mit Dingen machen, die wir alle brauchen.“

„Danke, Hermie.“

Mir ist seine Rettung von Hurston während der Attacke mit dem Zariska-Virus noch gut im Kopf. Ich lächle still in mich hinein, er scheint echt ein patenter Mann zu sein.

„Hilft es, wenn wir runter nach New Babbage fliegen? Da könntest du ja vielleicht schon das eine oder andere besorgen?“

Hermie nickt. Er scheint ganz in seinem Element zu sein.

„Die Carrack lassen wir einfach hier oben im Orbit, um sie so wenig wie möglich irgendwelchen Belastungen auszusetzen.“

„Klingt gut.“

„Dann los, Husky bleibt allein auf dem Schiff.“

Husky und ich nicken uns kurz zu – eine stillschweigende Übereinkunft der Wiederherstellung unseres Vertrauensverhältnisses.

Minuten später sind wir bereits unterwegs.

Die Blumenepisode ist mir noch gut im Gedächtnis. Ich werde diesmal den Ball flach halten. Rein und wieder raus – das ist die Devise.

Nach der Landung steuern wir dann auch direkt das „Planetary Service Büro“ an, Hermieoth macht ein paar schnelle Einkäufe.

Beim Büro der „Planetary Services“ angekommen, suchen wir den Code, der die verschlüsselte Datei öffnen kann. Doch nichts weist darauf hin, dass hier etwas versteckt ist – weit und breit ist keine Zahlenfolge auszumachen. Dann findet es Hermieoth an einer Pinnwand.

Auf einem Postit steht: „Doorcode 8340. Lower Level“

Klar, wenn du etwas verstecken willst, machst du es am besten so, dass gar keiner hinsieht.

Ich öffne das Dokument und schicke es auch an Husky.

Von wem ist die Botschaft? Captain Denvers? Es scheint fast so. Klar ist jedenfalls: Die Ninetails hängen wirklich voll mit drin. Wir haben da ganz heiße Fracht an Bord.

Kudre Ore – so lautet der nächste Schnipsel auf unserer Schnitzeljagd.

Zeit, Zero ausfindig zu machen.

.

Speed

Die Origin M50 schneidet geschmeidig durch die dicke Wolkendecke Hurstons. Ich freue mich über das wendige kleine Schiff, als ich eine Stimme im Headset höre, die mir schlagartig die Laune verhagelt: Ray Keaton…das Arschloch, das mir auf beim Schrottlatz auf Hurston nach dem Zariska-Giftanschlag eine Waffe unter die Nase gehalten und mich dann zusammengeschlagen hatte, um aus mir rauszupressen, wo Zero sich aufhielt.

Eben war ich noch gut drauf, denn das Ausleihen des kleinen Flitzers bei „New Deal“ in Lorville hatte wunderbar geklappt. Ich bin auf dem Weg zu Husky, um ihn an der Rennstrecke auf  Lorville zu überraschen. Er testet dort für „Radio Infinity“ eine der von Rennorganisation Wildstar betriebenen Strecken hinter dem brachialen Hurston-Hauptquartier.

Und nun dies – Ray Keaton. Fast bin ich geneigt umzudrehen. Aber – doch nicht wegen einem wie Ray Keaton! Ich gebe stattdessen Vollschub. Der soll mich kennen lernen. Auf diese Gelegenheit warte ich schließlich schon ewig. Ich balle die Fäuste.

„Husky…Bru hier…“

„Bru…“

„Yo, ich dachte, ich besuche dich  mal bei der Arbeit. Ich komme mit einer Origin M50.“

„Ach…das ist ja eine Überraschung.“

Das ist natürlich nur die halbe Wahrheit. In Wirklichkeit hatte mir „Radio-Infinity“-Chef Mason eine Nachricht geschrieben:

Ich soll also ein wenig Kindermädchen spielen. Eigentlich habe ich darauf überhaupt keine Lust. Gut, ich muss Husky die Nachricht ja nicht auf die Nase binden. Und außerdem: Rennstrecken – das ist doch mal was anderes. Erst recht an der Seite eines versierten Rennpiloten wie Husky. Das könnte eine ganz neue Welt sein. Im Hintergrund höre ich plötzlich eine krude Mischung, aus Gestammel, Lallen und Seufzern.

„Hermie…?“

„Yo…“

Offenbar hat er ordentlich getankt.

„Alles in Ordnung?“

„’türlich.“

Dann schaltet sich Ray Keaton dazwischen.

„Brubacker…“

In mir kocht kalte Wut hoch.

„Bin gleich da, dann gibt’s ordentlich was aufs Maul zurück. Kannst dich schon mal drauf freuen.“

Ich ärgere mich schlagartig über mich selbst – ich bin so dumm, mich so anzukündigen. Besser wäre gewesen, ihn eiskalt zu erwischen, so wie er es auch mit mir gemacht hat. Egal, zu spät. Die Rennstrecke, bekannt als „Lorville Gatway“, kommt in Sicht. Ich hatte erst wenige Tage zuvor Huskys Reportage darüber bei „Radio Infinity“ gehört. Es ist ein anspruchsvoller Rennkurs, jedenfalls für Anfänger, eingebettet in eine alte Mine. Ich kreise über der herunter gekommenen Szenerie, flackernde Lichter beleuchten die Landschaft in der Dunkelheit, Gas wird abgefackelt – kurzum: ein Rennkurs für Lebensmüde.

Husky steht am Start.

„Bru…vielleicht erstmal ne Runde drehen, um hier richtig an- und runterzukommen…?“

Ich zögere kurz.

„Okay.“

Ich schalte den Autopiloten ab und gebe langsam Schub – und die M50 macht einen Satz nach hinten. Herrgott, was ist das – ein Montagsschiff? Irgendetwas muss falsch verkabelt sein. Egal, dann muss es eben so gehen. Ich schleiche hinter Husky her. Es geht quer durch die Mine, vorbei an alten Fördertürmen, entlang an rostigen Rohrleitungen. Wir passieren Querträger, Stahlskelette, zurück gelassenes Abbaugerät. Mal geht es bergauf, dann bergab. Im Radio klang das viel einfacher – Theorie- und Praxis eben. Mir wird klar: ein geborener Rennpilot bin ich nicht. Ich vergesse für den Moment sogar Ray Keaton, dann passiert es – ich stoße irgendwo gegen… der rechte Flügel des Rennschiffes bricht ab. Entgeistert blicke ich dem in die Tiefe flatternden Teil der M50 hinterher.

„Husky…“

„Ja, hab’s gesehen. Die Runde ist aber eh gleich zu Ende. Noch scheinst du ja genug Auftrieb zu haben.“

„Ja, nur ein wenig Schlagseite.“

Bei „New Deal“ werden sie sich freuen.

Aber ich habe ja jemanden, an dem ich gleich meinen Frust ablassen kann…

„So, Ray nun gleich zu dir…“

„Ich weiß gar nicht, was du von mir willst. Für mich ist das Fall längst gegessen.“

„Für dich vielleicht. Mir ist er noch sehr gut in Erinnerung.“

Es geht ein wenig hin und her, dann hat er glatt die Nerven, mich noch einmal nach Zero zu fragen.

„Ray… echt jetzt? Ich kann es dir gern schriftlich geben – aber ich werde meine Freunde nie ans Messer liefern. Und ich habe auch keine Ahnung, was da auf der Renaissance los war…im Übrigen bin ich Journalist. Schon mal was von Quellenschutz gehört?“

„Ich glaube dir nicht.“

„Das ist echt dein Problem, Mann.“

Ich spüre, wie meine Wut langsam verraucht und in Fassungslosigkeit umschlägt.

Das ist schon nicht mehr dreist, sondern nur noch dumm.

Ich lande ein Stück von Huskys „Frost“ entfernt, einer Carrack, die er als Stützpunkt für seine Ausflüge zu den Rennstrecken nutzt und beschließe mir ein paar Minuten die Beine zu vertreten, bevor ich hinüber laufe. Ich gehe zur Abbruchkante der großen Mine und blicke mich um. Hurston Dynamics, Eigner des Geländes, hat echt einfach alles so zurückgelassen, wie es gerade war, als sie die Schürfstätte aufgaben. Na ja, das passt ins Bild zu dieser „Firma“.

Ich spüre, wie ich überhaupt keine Lust habe, mich mit dem Kerl zu prügeln – auch wenn er es echt verdient hätte. Das ist alles schon deprimierend genug.

„Ray, pass auf, ich komme jetzt erstmal zu dir. Machen wir hier erstmal einen Punkt.“

„Ganz, wie du willst.“

Herrje, was hat der für eine Art am Leib! Fast bin ich geneigt, ihm doch spontan eine zu scheuern.

Dann aber holt Husky, der das Ganze offenbar recht ahnungs- und fassungslos verfolgt hat, ein paar Smolz aus der Kiste. Ich traue Keaton nicht weiter als ich spucken kann und in der Luft Hurstons liegt zwischen uns auch eine gewisse Spannung, um es nett zu formulieren. Langsam wandert unterdessen die Sonne über das geschundene Land und weil ich nicht weiß, was ich noch groß sagen soll, steige ich bald wieder in die ramponierte M50 und drehe noch eine Runde.

Dann fliege ich das Schiff zurück zu „New Deal“. Dort hat man schon geschlossen. Ich stelle die M50 ab und freue mich auf die Nachricht, wo denn der Rest des Schiffes sei. Als Nächstes muss ich Husky verklickern, dass ich ihm ein wenig auf die Pelle rücken werde.

Journal-Eintrag 28 / 04 / 2953

Wenige Tage später meldet sich Husky von sich aus – ob ich Lust hätte, ihn ein wenig auf seiner Tour  zu den verschiedenen Wildstar-Strecken zu begleiten. Sechs Stück gebe es insgesamt. Was für ein Zufall…

„Klar, klingt spannend. Ist mal was anderes“, sage ich.

Wie es der Zufall zudem will, sind wir beide noch im Raum Hurston, springen kurz darauf aber Richtung Microtech und dort zum Mond Euterpe. Dort gibt es die sogenannte „Icebreaker“-Rennstrecke. Unterwegs bringe ich das Gespräch kurz auf Ray Keaton – die beiden sind nicht eng befreundet, aber ein tieferes Problem haben sie auch nicht miteinander. Wir sprechen ein wenig über das Geschehene, Husky versteht meine Position, will aber auch keine Partei ergreifen. Klar, warum soll er sich ein Problem zu eigen machen, das ihn im Grunde nichts angeht.

Schließlich fallen wir aus dem Quantumsprung. Husky war dort schon einmal, für mich ist es das erste Mal. Und ich bin erstaunt – der Konzern Microtech hat auf Euterpe ein riesiges Forschungslabor gebaut, mitten an einen zugefrorenen See. Wüsste man nicht, dass hier eine Wildstar-Rennstrecke ihren Sitz hat, es müsste schon großes Glück sein, wollte man darüber stolpern. Zwar sind hier und dort Fenster erleuchtet, ansonsten ist es aber extrem ruhig.

„Ich wette, die machen hier irgendwas anderes, als am Mobiglas zu schrauben“, sage ich.

Husky ist denn auch sofort mit einer Verschwörungstheorie bei der Hand: Er habe gehört, Microtech  forsche dort an Sensoren, die auf besonders präzise Weise Geschwindigkeiten messen würden. Der offizielle Rennkurs sei nur Tarnung für eine geheime Teststrecke.

„Möglich wär’s“, erwidere ich, und blicke mich um, während ich in meiner Mercury eine Runde über das Gelände drehe. Husky ist mit seiner Origin 300R gekommen, die den Namen „Shadowfax“ trägt. Ich erfahre, dass das Schiff sein täglicher Racer ist, mit dem er die Wildstar-Kurse testet.

Wir landen und ich steige um – als Co-Pilot schaue ich Husky über die Schulter. Kurz darauf hebt er ab, erhält nach einiger Verzögerung die Freigabe für das Zeitrennen und gibt Stoff. Es geht vorbei an  von Eis  überzogenen Gebäuden, zwischen denen wilde Felsen herausragen. Es folgen Antennenmasten, Landepads und andere künstliche Strukturen. Ich muss mich ordentlich festhalten, wenn Husky sein Schiff mal auf die eine, dann auf die andere Seite reißt. Es sind Sekundenbruchteile, in denen die „Shadowfax“ eine komplett neue Fluglage einnimmt.

Fast möchte ich schon bereuen, mich auf dieses Abenteuer eingelassen zu haben, andererseits ist es auch eine Heidengaudi. Erneut wird mir klar: Ich hätte nie zum  Rennpiloten getaugt.

Schließlich holt Husky sich die Silbermedaille für seine Zeit knapp über zwei Minuten. Als Nächstes geht es nach ArcCorp, eine Rennstrecke über den Dächern einer Millionenmetropole – das krasse Gegenteil zur Einsamkeit von Euterpe.

.

Erscheinungen

Eine alte verlassene Siedlung nördlich eines Miningpostens mit Namen Kudre Ore…so hatte es in der Nachricht des Unbekannten geheißen.

Der Mond Daymar also, es geht zurück in die Wüste…

Uns bleibt echt nichts erspart.

Sei’s drum! Wollen wir irgendwann herausfinden, was es mit dem verdammten Artefakt auf sich hat, müssen wir den Brotkrumen wohl oder übel folgen.

Husky steuert das Schiff, der Rest von uns blickt hinaus in das zähe Grau, das unter uns dahin fließt. Am Horizont geht langsam Crusader auf.

„Wunderschön, oder?“

Ella ist von den Naturschauspiel fasziniert, ich jedoch bin mit dem Kopf woanders und frage mich, wohin das alles noch führen wird… Plötzlich gellt Alarm durch das Schiff – wir sind aufgeschaltet worden! Dann werden wir auch schon beschossen – eine Cutlass, die uns offenbar als Prise aufbringen will.

Ella und Hermieoth besetzen die Türme und geben Gegenfeuer, Husky fliegt mit dem Schiff wilde Pirouetten, um so gut wie möglich auszuweichen. Dann, von einer Sekunde auf die andere, explodiert die Cutlass, und nur Momente später meldet Husky: „Ich sehe da unten Lichter.“

„Alles klar, das wird es wohl sein. Lass uns ein Stück davon entfernt landen. Wir nehmen dann den Rover.“

„Okay.“

Wir sind zu viert unterwegs. Mr. Aruhso ist immer noch von Anvil in Beschlag genommen, Zero verschwunden. Hermieoth kann keine Minute still sitzen und schleicht durch das Schiff. Alle naselang meldet er, wo er etwas reparieren müsse. Nun, nach dem Kampf, erst recht.

„Alles klar, danke“, melde ich über Funk zurück. „Machen wir alles. Eins nach dem anderen.“

Husky landet unterdessen das Schiff. Zu dritt wollen wir in einem weiten Bogen den Außenposten ansteuern, um unsere Position so geheim wie möglich zu halten. Husky steuert den Rover durch die felsige einsame Landschaft – wie auf Microtech gehen die Pferde ein wenig mit ihm durch und so springen, segeln und fliegen wir abwechselnd durch die Einöde. Ich halte mich hinten im Rover fest und meine Klappe – es ist sinnlos, Huskys Temperament zu zügeln. Soviel hatte ich mittlerweile verstanden.

Irgendwann kommt der Außenposten in Sicht.

Ella und ich steigen gerade aus, als sich Hermieoth meldet, der auf dem Schiff zurückgeblieben ist.

„Leute, mit dem Schiff stimmt irgendetwas nicht…“

„Hermie, alles klar? Wie meinst du das?“

„Ich höre hier Stimmen an Bord, obwohl ich allein bin. Hier bleibe ich nicht…“

„Hermieoth, mach keinen Unsinn! Bleib an Bord!“

Doch Hermieoth hat seine Com abgeschaltet.

„Soll ich zurück zum Schiff?“, fragt Husky.

Ich nicke matt.

„Weit kommt er zu Fuß nicht. Beeil dich. Eine einzelne Person ohne Licht auf diesem kahlen Felsen zu finden, dürfte so schwer werden, wie die berühmte Nadel im Heuhaufen.“

„Bin unterwegs.“

Ich denke fieberhaft nach – das Artefakt ist noch an Bord…bestimmt hat es etwas damit zu tun…

„Wir sollten vorrücken“, sagt Ella. „Hier zu warten, bringt gar nichts.“

Ich nicke in meinem Helm, dann laufen wir geduckt und mit gezogenen Waffen dem fahlen Lichtschein entgegen.

Schließlich erreichen wir die aus alten Metallteilen zusammengehauene provisorische Behausung.

Ich klettere ein Dach empor, als mich eine Stimme schlagartig stoppt.

„Halt…wer da? Stopp! Ich habe dich im Visier…“

Die Stimme kommt mir sofort bekannt vor, doch vor Schreck bin ich wie gelähmt.

„Wer ist da? Hier ist John Brubacker. Wir sind…“

„Bru?“

„Ja…Zero…?“

Mir fällt ein Riesenstein vom Herzen.

Kurz darauf stehen wir gemeinsam an einem Lagerfeuer.

„Was zum Henker machst du denn hier?“

„Mich verstecken. Schon vergessen, dass hinter mir das halbe Verse her ist?“

„Ja…nee…klar.“

Über Funk meldet sich Husky.

„Ich habe Hermieoth eingefangen. Ihm geht es gar nicht gut. Ich bringe ihn auf die Krankenstation auf das Schiff. Wie läuft’s bei euch?“

„Gut, wir sind auf Zero gestoßen“, antworte ich.

„Soll ich dann mit dem Schiff vielleicht zu euch kommen? Würde vieles vereinfachen.“

„Gute Idee.“

Zero zeigt mir seinen Unterschlupf.

„In solche Ecken kriechst du also, wenn du mal wieder von der Bildfläche verschwunden bist.“

„Na ja….und es ist auch ein guter Ort zum Schmuggeln.“

Ich blicke mich um.

„Denke ich mir.“

Wir laufen zur Kante auf dem Plateau und blicken hinab in ein Tal.

„Dort unten war ich allerdings noch nicht.“

Wir erblicken eine größere Ansammlung verfallener Gebäude.

„Das ist der Ort, der in der geheimen Botschaft genannt wurde. Dort finden wir vielleicht weitere Hinweise zum Artefakt…“

„Echt? Dann müssen wir da unbedingt runter.“

„Yep. Wir warten nur auf Husky und das Schiff. Außerdem wird es bald hell und dann ist es sowieso besser. Rührt sich da unten was?“

„Nope, scheint alles tot zu sein. Hab’s immer wieder mit meinem Zielfernrohr gecheckt.“

„Alles klar.“

Nachdem Husky gelandet ist, machen wir uns mit dem Rover auf den Weg. Diesmal bleibt Ella zurück auf dem Schiff. Bald schon kommt die verlassene Siedlung in Sicht. Wir steigen aus und sehen uns um.

„In der Tat: Alles verlassen. Ist aber noch nicht lange her, dass jemand hier war“, sage ich.

Wir stolpern durch verfallene Hangars, erklimmen einen Aussichtsturm, öffnen ein paar Kisten…als plötzlich  eine gruselige, tiefe Stimme aus dem Nichts ertönt.

Unverständlich und definitiv nicht von dieser Welt.

„Ich will hier sofort weg“, jammert Hermieoth.

„Klar, äh, ja. Wir gehen. Ich springe über eine kleine Kante und traue meinen Augen nicht: Vor mir schweben ein paar Steine, als hätten für sie die Gesetze der Schwerkraft keine Gültigkeit.

„Äh, Leute….“

Erneut ertönt die Stimme.

„Lasst und hier sofort abhauen…und hier sind übrigens weitere Artefakte.“

„Was? Echt? Das gibt’s doch nicht…“

Eines steht damit jedenfalls schlagartig fest: Wir sind am richtigen Ort.

„Sollen wir die mitnehmen?“

„Ich…äh…keine Ahnung“, stottere ich. Ich merke, wie ich zunehmend überfordert bin.

Dann aber weiß ich plötzlich instinktiv, was zu tun ist.

„Ja, die nehmen  wir mit. Keine Ahnung wieso, aber es ist das Richtige.“

Kaum sind wir zurück an Bord, starten wir auch schon.

Zurück im All, versammeln wir uns.

„Na, das war ja was…“

„Ich habe echt ne Scheißangst gehabt“, sagt Hermieoth.

„Ging mir genauso.“

Dann schießen die Spekulationen ins Kraut: Die Artfakte wollen heim nach Hades, sie wollen zusammengesetzt werden und sich vervollständigen und anderes mehr. Es geht wild hin und her, bis uns schließlich klar wird: Wir haben nicht die geringste Ahnung, was hier vor sich geht.

Schließlich ergreift Zero das Wort.

„Ich bin der Meinung, das Artefakt muss von Bord. Schleunigst.“

Ich stimme ihm zu.

„…ich weiß auch schon, wo.“

Als wir die Messe verlassen, werfe ich einen Blick auf den kleinen Fahrstuhl, der über alle Decks durch das ganze Schiff führt und traue meinen Augen nicht: Die Plattform ist aus der Verankerung gerissen und völlig verdreht. Fast sieht es so aus, als würde uns das Schiff nicht mehr gehen lassen wollen…

Mich überkommt nackte Panik.

Journal-Eintrag 06 / 05 / 2953

Zwei Jahre Radio Infinty – was für ein Ritt! Obwohl ich dort nur freier Mitarbeiter bin, hatte ich doch das Gefühl, mit dem Projekt ganz verwachsen zu sein. Was haben Nick und  ich in diesen zwei Jahren nicht alles an Produktionen für den neuen Sender auf die Beine gestellt…

Nun hat Chefredakteur Paul Mason zu einer kleinen Feier geladen – und dafür die „Nordlicht eins“ von „Nordlicht Aviation“ gechartert. Mit an Bord sind andere Mitarbeiter, die sich ebenfalls um den Sender verdient gemacht haben. Ich entdecke eine Sprecherin namens Kruliene, und den bekannten Moderator Mitch van Hayden, der beim Sender sogar eine eigene Show hat – die „Trancemissions from the Outerrim.“

Ich darf den hohen Herrn Chefredakteur bei dem kleinen Get-together über ArcCorp vertreten. Wieder einmal so eine zweifelhafte Ehre, nach dem Motto: Du machst das schon.

Friedrich Winters hat seine übliche Crew gechartert – Gate steht hinter dem Tresen, Chris Kross fliegt die „Nordlicht eins“ – und wie! Es ist fast Millimeterarbeit, wie er das riesige Schiff durch die Wolkenkratzer ArcCorps steuert. Unterdessen werden über Intercom interessante News sowie ein Grußwort des Chefredakteurs eingespielt. Das wollte er sich dann offenbar doch nicht nehmen lassen.

Mason lobt seinen Sender überschwänglich, dass man „Perlen im Nachrichtengeschäft“ produziere, ein tolles Info- und Entertainmentprogramm biete und so fort. Nun ja – ist ja aber auch sein Job, seinen Sender über den grünen Klee zu loben. Dennoch wirkt das Ganze ein wenig verkrampft, geschäftsmäßig, nicht wie eine ausgelassene Party.

Egal, ich bin mit dem Kopf eh woanders – bei der „Crew“, dem Artfakt und was es mit uns macht. Einstweilen bin ich aber auch erstmal froh, von dem Anvil-Kahn runter zu sein. Dann werde ich zu allem Überfluss noch von einem gewissen Greg Lee angequatscht, der ausgerechnet etwas zur Crew wissen möchte – aber mir steht alles andere als der Sinn danach, einem Wildfremden unsere Probleme auf die Nase zu binden.

So schön es auf der „Nordlicht eins“  bei Friedrich auch ist, ich bin froh, als wir nach zwei Stunden wieder anlegen. Groß geredet habe ich mit Friedrich auch nicht – das ist auch so etwas, das dringend auf meiner Agenda steht. Jedenfalls freut es mich für ihn, dass er sein Unternehmen mittlerweile so gut in Stanton am Markt platziert hat.

Journal-Eintrag 15 / 05 / 2953

Die Mischung aus bunten Leuchtreklamen und Holo-Gates hier oben über den Dächern ArcCorps hat fast etwas Psychedelisches, ja Hypnotisches. Husky lässt sich davon jedoch nicht beirren und schießt mit seiner Origin 350R im Höchsttempo durch die Tore, um den Skyscraper-Kurs, eine weitere Strecke der Wildstar-Amateurliga, abzuschließen.

„Eigentlich ist er für Anfänger zu anspruchsvoll. Hat echt seine heiklen Ecken“, brüllt er gegen die aufheulenden Maschinen seines Gleiters an.

Spricht’s und dreht sein Schiff in einer gerissenen Rolle um 90 Grad. Ich kralle mich an meinem Beobachterplatz hinter ihm fest, sehe uns schon am nächsten Büroturm zerschellen. Doch Husky kriegt die Kurve. Fast glaube ich, die steil aufragende Wand des Wolkenkratzers berühren zu können – so nah rasen wir zwischen zwei Gebäudeteilen hindurch. Dann ist unter uns wieder nichts als ein gähnender Abgrund.

Ich stehe hinter Husky, und schaue ihm auf die Finger – die Bewegungen, die er am Steuer vollführt, sind klein, aber extrem präzise. So zwingt er die „Shadowfax“ immer wieder auf die gewünschte Bahn. Hinter uns brüllt der Nachbrenner auf.

Ich muss unwillkürlich an all die Menschen denken, die unter uns in den zahllosen Appartements wohnen, die Angst davor haben, dass ihnen der Putz von der Decke fällt, die Sorge haben, dass ihre Appartements wegen der neu eröffneten Rennstrecke über ihren Köpfen bald nichts mehr wert sind. „Radio Infinity“ hatte darüber berichtet.

Plötzlich flucht Husky.

„Verdammt, nicht schon wieder….“

Er wendet sein Schiff fast auf der Stelle und fliegt zurück zu einem Tor, das er eben schon passiert hatte.

„Der Checkpoint-Marker hat nicht ausgelöst. Dabei bin ich sauber durch das Tor durch…“

Er hält erneut auf das Tor zu. Nach dem zweiten Durchflug wird das nächste Gate freigeschaltet.

„…das hat garantiert etwas mit den riesigen Datenströmen zu tun, die hier überall durch die Luft schwirren. Gibt’s auf keiner anderen Rennstrecke…“

Ich nicke wortlos.

Freud und Leid des Rennpiloten – eben noch ganz vorn dabei, kann im nächsten Moment alles schon wieder zunichte sein. Husky dreht drei, vier Runden, er erreicht wenigstens eine Bronzeplatzierung. Dann kehren wir zum Riker Memorial Spaceport zurück.

„Wie war’s?“, fragt er, während wir aus seiner „Shadowfax“ klettern.

„Cool“, sage ich, „aber jetzt brauche ich erst mal ne Pause.“

Journal-Eintrag 18 / 05 / 2953

Ein bisschen frischer Lack, ein paar Leuchtreklamen – und die Erlaubnis mal im Tiefflug über Lorville seine Bahnen zu ziehen – fertig ist das neue Image vom freundlichen, aufgeschlossenen und der Zukunft zugewandten Familienunternehmen? Zumindest scheint man so in Hurstons Marketingabteilung zu denken. Anders ist nicht zu erklären, warum man nun Lorville so aufgehübscht hat. Und in der Tat zeigt die Stadt nun ganz neue Ein- und Ausblicke – es glitzert und glänzt an allen Ecken und Enden, wobei die industrielle Basis des Erfolgs nicht verheimlicht wird. Eine Stadt – als Mischung aus Stahlkocherei mit Goldfassade. Das ist schon faszinierend, wie es wohl auch die Selbstverleugnung der Familie sein muss. Fast möchte man vergessen, dass es sich bei Hurston Dynamics immer noch um eine extrem ausbeuterische Megacorp handelt. Zurück auf dem Boden ist man nach der Landung  – Im Innern sieht es aus wie eh und je. Und die Laune der Wachen hat sich auch nicht über Nacht gebessert.

*****

Journal-Eintrag 20 / 05 / 2953

Mirai? Nie gehört.

Fury – das klingt nach einem kleinen Wildpferd.

Ich stehe auf der Invictus Launch Week 2953 vor dem fliegenden Triebwerk mit Sitz – und schlage sofort zu. Das Ding ist total witzig. Ich muss gar nicht erst Platz nehmen – die Sicht muss großartig sein. Das verspricht schon die große Glaskuppel. Eine echte Spaßmaschine.

Ich verlasse die Messe so schnell, wie ich gekommen bin. Mir steht aktuell der Sinn nicht nach Militär. Es wird ohnehin schon überall viel zu viel geballert.

Klar, an der Mirai Fury sind auch ein paar Waffen montiert – aber deshalb kaufe ich sie nicht. Sie wird ganz wunderbar hinten in die “Clarke II” passen. Dann lande ich einfach irgendwo und zische mit ihr ein paar Runden.

Gesagt, getan.

Kurz darauf drehe ich in meiner kleinen Neuerwerbung über ArcCorp Pirouetten und Loopings, bis mir fast schlecht wird.

Kotzmaschine, das wäre auch ein guter Name gewesen.

Gut, vielleicht jetzt nicht marketingtechnisch.

Mit dem Ding werde ich jedenfalls noch jede Menge Spaß haben.

Oder steht irgendwo geschrieben, dass Reporter keinen Spaß haben dürfen?

*****

Nachtrag:
Ich habe die Mirai Fury wieder in Zahlung gegeben nachdem ich damit noch eine Runde über Microtech gedreht habe. Das Ding säuft ja mehr als ich in meinen schlimmsten Zeiten. Natürlich verschweigen sie das, wenn sie Dir das Ding verkaufen – aber mit ihm kannst Du ja gleich sofort wieder umdrehen, sobald du die Tankstelle verlassen hast. Klar, Spaß kostet – aber bin ich Krösus? Ein Spielzeuggefährt für die Reichen? Nein, danke. Das war jetzt das zweite Mal in so kurzer Zeit, dass ich mich verkauft habe. Einfach mal genauer hinschauen, was man wirklich braucht und zu einem passt.

Journal-Eintrag 25 / 05 / 2953

Ich trete vor die Tür, um ein wenig frische Luft zu schnappen. Mit den dunklen Wolken, die sich seit kurzem über ArcCorp und dem ganzen Planeten sammeln, sind auch die Abende kühler. Ich hatte gelesen: Umweltschützer sind entsetzt. Irgendein Kipppunkt sei auf dem Planeten erreicht worden. Es werde Jahrzehnte brauchen, bis sich das Klima davon wieder erholt habe.

Die Menschen sind die gleichen Idioten wie eh und je.

Ich laufe ein wenig über die Plaza, recke mich, als ich ein bekanntes Gesicht entdeckte: Friedrich Winters. Ich laufe auf ihn zu.

„Friedrich, das ist ja eine Überraschung…“

„Bru…wohin des Wegs?“

„Ach, eigentlich nirgendwo hin. Nur ein bisschen die Beine vertreten. Und du?“

„Wollte grad’ zur Messe.“

„Ah ja…“

Mich wundert es, denn einerseits schimpft Friedrich immer darüber, dass militärische Schiffe nichts in zivilen Händen zu suchen hätten, andererseits zieht es ihn dann doch wieder dahin. Na ja, er war ja früher auch bei der Navy…irgendeine innere Verbundenheit mit den alten Kameraden, schätze ich.

„Weißte was? Ich komme mit.“

Abgesehen von dem „Radio Infinity“-Cruise, auf dem wir uns auch kaum gesprochen hatten, hatten wir wenig Kontakt in letzter Zeit.

„Schön. Dann mal los.“

Wir laufen zur Bahn, die uns direkt zum Bevic Convention Center bringt. Unterwegs erzählt Friedrich, dass er fast Mitglied der legendären „Lost Squad“ geworden wäre und damit auch gegen die Vanduul gekämpft hätte – dann aber doch „nur“ bei einer Aufklärungseinheit landete.

Mein alter Freund – ein ehemaliger Elitesoldat, kaum zu glauben.

Auf der Messe habe wir fast so etwas wie ein Déjà-vu – die Hallen sind in das gleiche Navy-Blau wie in den Jahren zuvor getaucht, es gibt die gleichen Stände.

„Ehrlich“, sage ich, „das Ganze ist doch total zu einem Ritual erstarrt, über das niemand mehr nachdenkt.“

Friedrich nickt.

„Schlimmer noch, es ist zu einer reinen Verkaufsmesse verkommen. Die Navy hat ein paar Beistelltischchen“, erwidert er.

Wir laufen über die Messe – an vielen Ständen sind die gleichen Schiffe ausgestellt, wie schon vor Jahren. Eine Menschentraube steht fasziniert vor einem Superior-Fighter. Fast kann man den Glanz in ihren Augen erkennen.

Ich schüttele den Kopf und denke an die Fury.

„Ich muss dir aber beichten, dass ich auch schon zugeschlagen habe.“

Friedrich blickt mich interessiert an.

„Ach ja…?“

„Die neue Mirai Fury – dieser waffenstarrende Turret.“

„Hab’ davon gehört.“

„Ich habe ihn aber nicht zum Ballern gekauft, ist eher ein Spaßgefährt. Kommt hinten in die Clarke“, rechtfertige ich mich.

Friedrich nickt.

„Wie du denkst.“

Mir ist mittlerweile klar, dass die Fury mehr ist als nur ein Spaßgefährt – man wird in dem Ding selbst zur Waffe, jede Distanz zu den eigenen Handlungen geht verloren. Doch Friedrich ist auch der falsche, um mir Absolution zu erteilen, warum auch?

Wir laufen noch ein wenig über die Messe, dann machen wir uns bald wieder auf zum Ausgang.

„Gehen wir noch etwas trinken?“

„Gern.“

Wir laufen in die G-Loc-Bar und quatschen über die Fury und anderes. Dann schneit eine Pressemeldung von Tumbril herein: Sie bringen einen neuen Panzer auf den Markt. Sein Name: Storm.

Als wenn es eines Beweises bedurft hätte.

.

Auf Sand gebaut

Wir wollen das Artefakt loswerden –  denn wenn wir nicht wirklich auf einem Gespenster-Schiff unterwegs sind, so scheint es tatsächlich für die unerklärlichen Phänomene verantwortlich zu sein. Doch wohin damit?

Ich sinniere darüber, während wir mit der Carrack über Daymar fliegen. Denvers hatte davon gesprochen, dass er irgendeinen „Deal“ niemals hätte eingehen dürfen. Was, wenn plötzlich die Ninetails das Artefakt von uns wollen und wir keines mehr haben?

Scheissegal.

Alle an Bord haben mittlerweile Angst vor dem verdammten Ding. Zero hat schließlich eine rettende Idee –  auf Daymar gebe es mitten im Nirgendwo Sandhöhlen. Dort könnten wir die Kiste vergraben. Während ich aus dem Cockpit blicke, suchen Zero, Husky und Ella das Gebiet ab. Dann entdecken sie klein, mitten in einem Krater,  den Höhleneingang. Wir landen und laufen zur Senke – nicht ohne wieder manch seltsame Erscheinungen zu haben.

„Lass uns die Kiste jetzt endlich loswerden und dann verschwinden“,  sagt Husky.

„Ja, alles klar. Abstieg.“

Der Eingang zur Höhle ist eng, aber dahinter weitet sich die Höhle schnell. Licht fällt von oben durch kleine Öffnungen – es ist ein wunderschönes Naturschauspiel. Von den Wänden hallen unsere Stimmen und Schritte wider.

Wir laufen immer tiefer hinein, vorbei an Stalagmiten, die sich im Lauf der Jahrmillionen durch  herabtropfendes Wasser gebildet haben. Die Höhle hat fast etwas Ehrfurcht einflößendes. Hätten wir nicht so seltsames Gepäck dabei, wir würden das Schauspiel aus vollen Zügen genießen.

Plötzlich gellt ein Schrei durch die Höhle. Ella ist abgerutscht und tief in die Höhle gestürzt – Husky gleich hinterher.

„…ahhhh!“

Aus der Tiefe höre ich noch ein kurzes Wimmern, dann verstummt es.

Mir rutscht das Herz in die Hose – und nun? Da kriegen wir sie nie wieder heraus. Ich hoffe inständig, dass ihre Imprints auf der Carrack funktionieren.

Auch wenn die Technologie nun schon einige Zeit auf dem Markt ist – es ist und bleibt einfach unheimlich, einen Menschen, der eben gestorben ist, nur kurze Zeit später wieder quicklebendig an anderem Ort wiederzubegegnen.

Es knistert im Funkgerät – erst meldet sich Husky, dann Ella.

„Lasst uns hier abhauen, bevor noch mehr passiert. Hermieoth, hier hinten in der dunkeln Ecke – da stellen wir das Artefakt ab und dann nichts wir raus hier.“

Hermieoth stellt die Kiste ab. Er hatte sie klaglos heruntergeschleppt. Ihm ist deutlich anzusehen, dass er heilfroh ist, das unheimliche Artefakt endlich loszuwerden.

Dann machen wir uns auf den Rückweg.

Über Funk hören wir eine mehr als seltsame, geradezu absurde Diskussion. Offenbar ist bei den Imprints nicht alles glatt gelaufen. Wieso auch sollte bei diesem Horrortrip mal alles wie am Schnürchen laufen?

Ella und Husky streiten jedenfalls lautstark darüber, dass sie sich an Bord mal gegenseitig sehen würden, dann wieder nicht – quasi als körperliches Déjà-vu.

Kaum an Bord sehen wir, wie Ella wie ein Geist durchs Schiff taumelt, Husky hat einen irren Blick drauf und setzt sich zu unserem Entsetzen vor unseren Augen mit einem Medipen selbst schachmatt.

„Hermieoth, ab ans Steuer, bringt uns hier weg! Vielleicht hört der Wahnsinn dann auf.“

Ich befehle die Worte lauter als beabsichtigt, aber mir gehen die Nerven auch langsam durch. Ich muss das Hermieoth nicht zweimal sagen – nur Sekunden später sind wir mit  Vollgas auf und davon.

.

Das Tobin Valley

Die Nachricht kommt kurz nachdem Friedrich und ich uns nach dem Invictus-Messebesuch getrennt haben – ob ich vielleicht Lust hätte, ihn auf einer kleinen Tour auf seiner „Nordlicht eins“ zu begleiten? Er habe auf Microtech eher durch Zufall ein wundschönes, abgelegenes Tal entdeckt, das sich eventuell als Ziel für einen neuen „Scenic Cruise“ eignen würde.

Den Kopf frei bekommen, raus aus der Enge der eigenen Gedanken – ich muss nicht lange überlegen und sage zu. Neue, unbekannte Ecken im Stanton-System zu entdecken, ist außerdem immer spannend.

Wir treffen uns auf Port Tressler über Microtech, wo Friedrich seine Origin 890 Jump angedockt hat. Wir freuen uns, dass wir uns so schnell wiedersehen – erst hatten wir über Monate kaum Kontakt, jetzt so rasch hintereinander. Nun, so ist das Leben manchmal.

Friedrich steuert das Schiff mit ruhiger Hand über den Planeten, als er mich plötzlich nach Husky fragt. Er habe da so komische Dinge gehört. Ich druckse ein wenig herum, dass im Grunde alles okay sei, gehe jedoch nicht tiefer in Detail. Es scheint weniger Neugier, sondern eher echtes Interesse an seinem Enkel zu sein –  ich will ihm nicht den Floh ins Ohr setzen, dass Husky irgendwie ein Problem hat. Schließlich lässt er es dabei bewenden.

Unterdessen sucht Friedrich nach dem so genannten Tobin Valley – er hat dem Tal den Namen gegeben – benannt nach Magnus Tobin, dem Gründer des Microtech Konzerns.

„In dem Tal gibt es drei Flüsse, eine absolute Ausnahme auf dem Planeten“, sagt Friedrich – es scheint, als würde sich Microtech fast von allein wieder renaturieren. Als würde der Permafrost, der den Planeten durch das gescheiterte Terraforming-Experiment im Lauf der Jahrzehnte überzogen hatte, durchbrochen und zurückgedrängt.

„Den Flüssen habe ich auch schon Namen gegeben – Magnus, Fikri und Camryn. Das sind die drei Tobin-Brüder“, erklärt Friedrich weiter.

„Schöne Idee“, antworte ich und sinniere. Wie viele Orte im Universum sind wohl noch namenlos? Es müssen Millionen, nein Milliarden, sein.

„…und ich habe gehört, man überlegt sogar, manche Gebiete des Planeten unter Naturschutz zu stellen. Das wäre so ein Ort, der sich dafür anbieten würde.“

Ich nicke, während ich aus der Frontscheibe des riesigen Schiffes blicke und bin gespannt darauf, was uns gleich erwartet.

Schließlich geht Friedrich mit der „Nordlicht eins“ tiefer und taucht in ein weitläufiges Tal ein, am Horizont begrenzen es hohe, schneebedeckte Berge. Unter uns sind tatsächlich drei Flüsse auszumachen, die jeweils in einem eigenen See enden.

„Ist das nicht traumhaft?“

Friedrich blickt zu mir herüber, als würde er eine Bestätigung erwarten.

„Ja, das ist es“, erwidere ich.

„Man könnte glatt ein paar kleine Rover-Touren anbieten, um das Gebiet zu erkunden“, schlage ich vor.

„Vielleicht findet man sogar wilde Früchte, die die Gäste dann selber pflücken können“, schwärmt Friedrich. Er ist ganz in seinem Element.

Ich erinnere mich an eine Nachricht auf „Radio Infinity“, dass das Entstehen neuer Flüsse auf Microtech sogar schon zu einem regelrecht Goldrausch geführt habe – das in engen Canyons dahin schießende Wasser wäscht wohl allerhand Edelmetalle aus dem Boden aus.

Nach der Landung zwischen Bäumen, die Friedrich gekonnt meistert, erkunden wir das Gelände. Es ist geradezu malerisch – glasklares, frisches Wasser plätschert im Fluss, ein leichter Wind geht, Blumen wiegen sich in der Brise, die Sonne wärmt unsere Gesichter – Microtech, das ist in der Tat ein Planet der Gegensätze: Nur ein paar dutzend Klicks entfernt kann es schon wieder so kalt sein, dass man binnen kürzester Zeit erfriert.

Erst jetzt erkennt man, dass das Tal quasi an drei Seiten von recht hohen Bergen umschlossen ist.

„Hier muss sich so eine Art Microklima gebildet haben“, mutmaßt Friedrich.

„Möglich“, sage ich, „in jedem Fall ist es ein außergewöhnlicher Ort. Und ganz sicher ein lohnendes Ziel für einen Scenic Cruise.“

Friedrich lächelt – er freut sich über seinen Fund, aber offenbar auch darüber, dass es mir ebenso gefällt. Wer braucht nicht ab und zu ein wenig Bestätigung?

„Dann ist es also ausgemacht – der nächste Scenic Cruise führt ins Tobin Valley“, sagt Friedrich.

Nach der traurigen Geschichte um Rick Targoli tut dem „Scenic Cruise“ etwas Erbauliches sicher gut.

*****

Journal-Eintrag 04 / 06 / 2953

Husky, Ray Keaton und Hermieoth sind im offenen Funk – ich klinke mich ein.

„Hallo zusammen, was treibt ihr?“

„Wir liefern Pakete aus, bisschen Geld verdienen“, antwortet Husky.  „Willst du mitmachen?“

Ich stutze kurz – bin ich bei der Post oder was?

„Nein, danke.“

Ich höre ein wenig im Funk zu – Empfänger verzogen, Paket nicht zustellbar, Ort falsch.

Ich grinse in mich hinein. Manche Dinge ändern sich nie.

Der ganze Nervkram – für die paar Credits.

Ich cruise ein wenig über ArcCorp und genieße im Tiefflug die Skyline der Stadt, während die anderen durch Stanton hetzen – jeder, wie er mag. Nachdem offenbar alle Pakete ausgeliefert sind, verabschieden sich Ray Keaton und Hermieoth in den Feierabend. Husky und ich beschließen, uns noch gemeinsam die Rennstrecke „Snake Pit“ auf dem Mond Clio anzusehen. Da bin ich sofort wieder mit dabei.

Das Renn-Gen – es lässt sich bei Husky eben nur eine gewisse Zeit unterdrücken. Während wir im Quantumjump sind, spreche ich ein paar Dinge an.

„Husky…“

„Ja?“

„Nimm es mir nicht persönlich – aber hast du vielleicht ein echtes Drogenproblem?“

„Wie bitte?“

„Na ja, als wir vor ein paar Tagen gesprochen haben, da standest du komplett neben dir. Du hast dir auf der Pal-01 einen Schuss mit der Medgun selbst gesetzt, Maze an Bord gebracht. Ich mache mir echt Sorgen – dein Großvater hat mich auch schon gefragt…“

„Ach, der Friedrich…“

„Husky…“

„Nein, Bru, habe ich nicht. Ich weiß schon, dass ich manchmal ein wenig über die Stränge schlage. Aber da ist nichts, worüber du dir ernsthaft Sorgen machen müsstest.“

„Hmm…okay.“

Ich will noch etwas erwidern, belasse es dann aber dabei.

Dann sage ich: „Ray Keaton und ich haben übrigens das Kriegsbeil begraben. Die besten Freunde werden wir wahrscheinlich nicht mehr, aber ich will jetzt nicht so einen Dauerstress draus machen.“

“…gut zu hören. Ist vielleicht manchmal einfach auch besser so“, antwortet Husky.

Ich nicke.

„…und die Free Riders-Sache ist ja auch irgendwie eingeschlafen, oder?“

„Ja, da tut sich aktuell nichts“, sagt Husky, „irgendwie ist jeder zu sehr auf sich fokussiert.“

„Stimmt.“

Irgendwann wird schon wieder der passende Zeitpunkt für eine richtige Biker-Gemeinschaft kommen.

Wir erreichen den Mond Clio und ich lande in der Nähe des Rennkurses. Von oben aus der Luft, sieht die Rennstrecke tatsächlich aus wie eine auf dem Boden liegende Schlage – daher auch ihr Name: „Snake Pit“.  Ich steige in Huskys „Shadow Fax“ um, dann rast er mit mir auch schon zwei Runden durch die verlassene Abraumhalde.

„Das ist meine Haus- und Hofstrecke“,  erklärt Husky, während mir wegen der zahlreichen gerissenen Kehren und Wenden schwummerig im Kopf wird.

Spricht’s, nimmt eine Kurve zu eng – und reißt sich den halben Heckspoiler an seinem Schiff ab.

„Verdammt…das passiert mir sonst nie.“

Zwar holt Husky noch eine Platinum-Zeit heraus – die beste Zeit, die man auf dem Snake-Pit erfliegen kann, aber die damit verdienten Credits werden wohl für die Reparatur seines Schiffes draufgehen.

„Wie gewonnen, so zerronnen“ sage ich, ohne groß zu überlegen.

„Ist nur ein Kratzer“, erwidert er genervt.

Er setzt mich an der „Clarke II“ ab und ist Sekunden später auf und davon zur Reparatur.

Noch so’n Spruch, Kieferbruch – oder wie heißt es so schön?

…to be continued

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