Von Null auf 300

Ein junges Leben, ein altes Raumschiff – und jede Menge Hoffnung auf ein neues Leben.

Von Jouki

Das Verse – es ist tief und dunkel. Auf dem Dach eines Hauses sitzend, starre ich in die Tiefen des Weltalls über mir und bemerke nicht wie nach und nach mein Helm beschlägt. Falls jemand schon vom Davien-System gehört hat, dann weiß dieser, dass Davien I nicht der schönste Planet ist. Ich träume davon, von hier irgendwann einmal zu verschwinden. Er ist ein kalter Steinplanet. Ähnlich dem Mond der Erde. Hier haben sich kleine Siedlungen zusammengefunden und Dörfer gebildet. Nur um ruhig zu leben. Tja, das hat wohl nicht so gut geklappt. Irgendwann sind die Vanduul gekommen und haben alles zerstört, was ihnen im Weg war.

Ich verlor dabei meine Eltern. Wer hier überleben will, muss echt hart im Nehmen sein. Wasser und Essen wird nur geliefert. Es kommt nichts von hier, da es hier nämlich keine Atmosphäre gibt – und das ist auch der Grund warum jeder ein Atemgerät bei sich trägt. Wer zum Beispiel Waffen braucht, muss beim Schwarzmarkt vorbeischauen. Hier gibt es einfach alles. Von alten Lumpen bis hin zu Diamanten. In den Straßen muss man aufpassen. Überall sind Piraten, Kopfgeldjäger oder Söldner unterwegs.

Ich muss mich hier schon seit ich 13 Jahre alt bin herumschlagen. Nun, drei Jahre später, nach dem Angriff der Vanduul, habe ich mich daran gewöhnt. „Brauchst du etwas?“, fragt mich plötzlich ein betrunken aussehender Typ. Ich drehe mich um und verlasse die Bar, auf deren Dach ich mich aufgehalten habe. Ein falsches Wort kann dich hier schnell mit Blut verschmierter Nase auf die Straße bringen. „Ich hab dich was gefragt!“, sagt der Typ. Ich wechsele einfach die Straßenseite. Dort angekommen, sehe ich, wie ein Gleiter, beladen mit Nahrungsmitteln die Straße entlang schwebt. Da kommt mein Mittagessen. Ich schlendere über die Straße und im Vorbeigehen nehme ich mir ganz unauffällig einen Kanister Wasser und zwei Brote heraus und gehe ohne Stopp weiter. Ich bin gerade dabei zu trinken als auf der anderen Straßenseite etwas ins Auge fällt.

Dort, an einer Pinnwand, hängt ein Zettel. Ich gehe nah heran und lese: „Auftrag: Bergung einer Kiste Lohn: 12.000 UEC.“ Ich traue meinen Augen kaum. Normalerweise werden solche Aufträge nur über ein Mobiglas angeboten. So etwas habe ich aber nicht. Ich reiße den Zettel ab und lese mir vor Aufregung alles gleich noch einmal durch. Kein Zweifel, das Angebot ist echt. Ich bemerke, dass hinter dem Zettel ein Sender versteckt ist. Ich nehme ihn und mache mich sofort auf den Weg. Der Sender zeigt mir an, dass ich weit in die karge Steinwüste hinein muss. Ich laufe durch verrückte Steinformationen und tiefe Täler, doch ganz plötzlich gibt der Sender den Geist auf. „Mist!“, rufe ich. Ich blicke mich in der Gegend um, doch überall ist nichts als kalter Stein zu sehen. Soll ich zurück? Nein. Zu weit. Soll ich geradeaus weitergehen? Wahrscheinlich ist das die beste Option, also gehe ich einfach weiter. Nach weiteren zirka 30 Minuten bin ich so schlaff, dass ich mich kaum noch auf den Beinen halten kann. Mir ist der Mut ausgegangen. Ich blicke in die Sonne, und denke, dass ich das hier vielleicht nicht überleben werde.

*PIEP* Der Sender gibt ein Lebenszeichen von sich! Ich ziehe ihn hervor und sehe, dass es nicht mehr weit sein kann. Der Sender leuchtet nun so grell, dass ich sogar weggucken muss. Mit neuem Mut laufe ich los. Gerade als ich von einem großen Felsen gestiegen bin, werde ich stark geblendet, doch diesmal ist es nicht der Sender. Keine 100 Meter entfernt sehe ich etwas Großes, weiß Lackiertes. Ich steuere direkt darauf zu. Kurz davor erkenne ich, dass es ein Schiff ist. Es sieht sogar noch funktionstüchtig aus. Die Leiter ist ausgefahren, also klettere ich hinein. Es ist ein kleines Schiff. Am Pilotensitz sind die Worte „Origin JumpWorks“ eingraviert. Darunter: „300i“. Es ist ein Luxusschiff. Die 300i wird oft auf Werbetafeln gezeigt. Ich hätte nie geglaubt, dass ich jemals in einer stehen würde. Ich schaue mich um. Es gibt eine kleine Küchenzeile, ein Bett und eine Toilette. Da bemerke ich etwas neben dem Bett. Dort steht ein Bilderrahmen mit wechselnden Bildern. Auf jedem Bild ist ein Mann zu sehen, wie er an irgendetwas herumwerkelt. Bis auf ein paar Einschusslöcher sieht sonst alles sehr sauber aus. Der Pilot hat das Schiff wohl nicht freiwillig verlassen.

Ich suche nach der Fracht, doch finde ich nichts. Schließlich steige ich wieder aus. Doch um sicherzugehen, dass ich nichts übersehen habe, laufe ich noch einmal um das Schiff herum und tatsächlich: Ich finde einen Knopf. Als ich darauf drücke, öffnet sich der Bauch des Schiffes. Ein Lagerraum kommt zum Vorschein. Doch auch darin ist nichts. Enttäuscht inspiziere ich den Raum noch einmal. Dabei fällt mir auf, dass dem Staub nach zu urteilen hier mal eine Kiste gestanden haben muss. Ich steige aus dem Raumschiff und gucke mir den Steinboden an. Fußabdrücke! Ich folge ihnen. Nicht weit vom Schiff entfernt, gehe ich um einen Felsen und finde ein Speederbike! Sofort schaue ich mich um: Noch immer ist nirgendwo jemand zu sehen. Ich steige auf das Bike und drücke die Pedale durch. Ich muss nur meinen Fußspuren entgegen fahren, um zurück zum Dorf zu kommen.

Nach 15 Minuten sehe ich in der Ferne eine Häusergruppe. Ich gebe Gas und bin nach ein paar Minuten wieder da, wo ich ein paar Stunden zuvor losgegangen war. Angekommen, ziehe ich den Zettel hervor. Da steht: Abgabe: Dukes Bar, drittes Wohnzimmer. Ich kenne Dukes Bar. Das ist dort, wo ich von dem Typen angequatscht wurde. Ich steige ab und laufe direkt los. Vielleicht würde ich wenigstens die Hälfte meines Geldes bekommen.

In der Bar gehe ich sofort zum dritten Zimmer. Ich klopfe. Nach kurzem Warten macht ein alter Mann mit Bart die Tür auf. „Ich bin wegen des Auftrags hier“, sage ich. Der Mann lässt mich ohne ein Wort herein. „Wo ist die Kiste“, fragt der Mann sofort. „Ist nicht mehr dort“, antworte ich. „Als ich angekommen bin, war keine da. Kriege ich vielleicht trotzdem das Geld?“ Meine Hoffnung lässt nach, als er sagt: „Du hast die Kiste nicht, also gibt es auch kein Geld.“ Er guckt aus dem Fenster. „So einen Speeder hätte ich auch gerne“, sagt er. „Das ist meiner“, erkläre ich. Der alte Mann räuspert sich. Ich denke unterdessen: „Nun ja. Wer es gefunden hat, der darf es auch behalten.“ Plötzlich sagt der Mann: „Ich gebe dir 20k dafür.“ Völlig perplex antworte ich: „Was?“ „Ich gebe dir 20k für den Speeder.“, sagt er. Glücklich sage ich: „Okay. Deal.“

Zehn Minuten später stehe ich mit 20k UEC vor der Bar. „So. Was mache ich jetzt mit all dem Geld?“, frage ich mich. Da kommt mir eine Idee. Als eine Frau vorbeikommt, frage ich: „Entschuldigung, wo geht es zum nächsten Speeder-Verleih?“ Sie blickt kurz in die Ferne, dann sagt sie: „Drei Häuser weiter und dann links. Du müsstest es von dort aus sehen.“ Ich bedanke mich und laufe los. Ihre Wegbeschreibung war richtig. Bald stehe ich vor einem Speederladen. Kaum bin ich drinnen, fragt ein Mann: „Was möchtest du?“ „Einen Speeder mieten“, antworte ich kurz und knapp. Er führt mich zu einem etwas ramponierten Speeder. „3k für den hier und 24 Stunden“, sagt er mir, „oder du nimmst etwas Luxuriöseres. So wie den da hinten. Der kostet aber 15k für 24 Stunden.“ Mir bleibt der Mund offen stehen: „15k!? Okay, ich nehme den ersten.“ Ich gebe ihm das Geld bar und fahre den Speeder aus dem Laden. Jetzt gehört er für 24 Stunden mir. Ich düse los.

Ich habe vor, zurück zu dem alten Schiff zu fahren. Ich will gucken, ob es noch funktionstüchtig ist und wenn ja, würde ich es zu einer Reparatur bringen. Dann hätte ich ein eigenes Raumschiff. Was für ein Traum! Ich brettere durch die Steinwüste. Bald kommt das Schiff in Sichtweite. Kaum bin ich beim Schiff, schwinge ich mich von meinem Bike. Ich klettere erneut die Leiter zum Schiff hinauf. Als ich drinnen bin, setze ich mich auf den Pilotensitz und schalte das Schiff ein. Doch es passiert nichts. Ich versuche es noch einmal. Schon wieder nichts. Enttäuscht und wütend trete ich gegen die Elektronik. „Systems online“, höre ich. Das Schiff fährt hoch. „So, na dann gucken wir doch mal, wie ich hiermit fliege“, denke ich. Ich drücke auf einen Knopf. Die 300er steigt nach oben! „Cool!“ Ich ziehe den rechten Steuerknüppel nach hinten. *WUMMS* Oh nein! Ich glaube ich habe etwas gerammt. Naja. Ich will es ja eh zur Reparatur bringen. Irgendwie schaffe ich es dann auch, in die Nähe des Dorfes zu fliegen.

Doch plötzlich taucht etwas auf dem Bildschirm auf – der Raumhafen von Davien I. Ich funke ihn an. Sofort wird eine Verbindung zum Schiffshafen hergestellt und mir wird ein Landepad zugeteilt. Doch ich habe keine Ahnung, wie ich da hinkommen soll. Dies soll meine erste echte Landung werden. Ich gucke auf einen der Bildschirme und sehe, dass ich nur noch geradeaus muss. Schließlich steht auf demselben Monitor, was ich drücken muss, um zu landen. Ich halte den Knopf neben dem Steuerknüppel gedrückt und tatsächlich – ich fliege langsam aber sicher nach unten. Puh! Ich bin gelandet und stehe auf dem Landeplatz. Ich schalte alles wieder aus und steige aus dem Schiff aus. Sofort kommen Hafenarbeiter auf mich zu und fragen: „Ihr Schiff hat wohl sehr viel einstecken müssen. Sollen wir es gleich reparieren?“ „Klar“, sage ich. Die Reparatur dauert nicht lange und ich musste nur kurz warten.

„So. Das macht 5k UEC“, sagt ein Arbeiter. „Was? Okay“. Anscheinend ist das Verse sehr teuer. Aber dafür habe ich jetzt eine nagelneue 300i! Ich gucke mich weiter in der Station um. Ich entdecke einen Fahrstuhl, der mich in die Lobby bringen soll. Dort angelangt, finde ich zwei Schiffskonsolen. Ich klicke auf eine von ihnen. Sofort taucht ein Bildschirm auf, auf dem meine Schiffe verzeichnet sind. Meine nagelneue 300er und sogar noch eine Freelancer! Warum habe ich eine Freelancer, frage ich mich. „Okay, also wenn es da steht, wird’s wohl richtig sein.“ Ich drücke auf „rufen“. Der Bildschirm verändert sich und lädt kurz. Nach dem Laden steht da: Ihr Schiff steht auf Plattform Nr. 3. Also laufe wieder zu den Fahrstühlen.

Die Türen öffnen sich und eine Freelancer steht vor mir! Ich bemerke sofort, dass dieses Schiff eher für Fracht, statt für Kämpfe gedacht ist. Ich gucke, ob es irgendwo an diesem großen Schiff eine Einstiegsluke gibt. Und tatsächlich! Es gibt eine. Aber die ist mir zu aufwändig. Ich nehme lieber den bequemeren Weg. Ich öffne die Laderaumklappe und steige durch diese in das Schiff ein. Der Raum ist sehr groß. Als ich mich umblicke, sehe ich auf der anderen Seite des Raumes eine Tür. Ich gehe hindurch und bin in einem kleinen Zwischenraum. Hier gibt es wieder zwei Türen.

Die eine führt nach draußen, die andere zu den Betten für die Mannschaft. Ich will nicht nach draußen, also gehe ich zu den Betten. Sie sehen  zwar nicht sehr gemütlich aus, aber zum Schlafen reicht‘s. Dann gehe ich durch die letzte Tür und bin im Cockpit. Vier Sitze gibt es hier. Ich setze mich auf den Pilotensitz und schalte das Schiff ein. Die Motoren sind lauter als bei der 300er und die Windschutzscheibe dreckig. Egal. Man kann es aushalten. Ich fliege erneut nach oben. Das Schiff lässt sich zwar genauso steuern wie die 300er, ist aber langsamer. Ich steuere auf den Himmel zu.

Jetzt ist der Moment gekommen. Endlich kann ich weg aus der Ödnis von Davien I. Auf einer Anzeige verfolge ich meinen Abflug: 100 Meter über dem Boden, 500 Meter, ein Kilometer. Ich fliege immer höher. Bis ich plötzlich keinen Druck mehr spüre. Ich bin im All. Ich blicke mich um. Alles ist schwarz mit weißen Punkten. „Es ist so schön“, denke ich. Aber was mache ich jetzt? Erstmal irgendwo anders hin. Etwas zum Verteidigen kaufen. Etwas zu essen. Ein bisschen Geld habe ich ja noch. Auf einem Knopf neben dem Steuerknüppel steht: „Quantum Drive“. Mit ihm kann man doch überall in kurzer Zeit hin! Ich drücke den Knopf. Eine Stimme ertönt: „Quantum Drive aktiviert.“ Auf einem Bildschirm werden Zielorte angezeigt. Davien 2, Port Olisar und andere. Aber Port Olisar interessiert mich am meisten. Ich habe davon schon in Werbungen gelesen. Es ist mitten im Leben. Im Stanton System. Ich drücke auf den Knopf. Das Schiff wird immer schneller und schneller, bis es in den Tiefen des Alls verschwindet…

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