Shortstories

Sterbender Stern
Neville Lotts Lichtung
Heimweh
Im Nebel

(übersetzt von Brubacker & Cartago)


Sterbender Stern

Kaseem wusste plötzlich, warum die Grevolas ihn diese Lieferung machen ließen. Er war ein Köder. Ein Ablenkungsmanöver, das die Overlords von den Schiffen ablenken sollte, die den eigentlichen Run durchführten. Er kickte die offene Kiste mit wertlosen Holzspänen quer durch den Frachtraum, bevor er zum Cockpit eilte und kurz stolperte, als eine weitere Explosion die Cutlass erschütterte. Er schaltete den Autopiloten aus und öffnete die Frachtluke Die Köderkisten wurden aus dem Schiff geschleudert und stürzten in die Atmosphäre von Pyro II. Sie waren im Nu verschwunden, genau wie Kaseems Träume, dass diese Lieferung ihm den Eintritt in das Grevola-Rudel verschaffen würde.

Er beobachtete das Radar mit angehaltenem Atem, aber die Overlords ließen nicht locker. Sie kümmerten sich offensichtlich nicht um die Ladung “Drogen”, die jetzt durch die Luft flog. Sie hatten ihre Augen weiterhin auf ihn gerichtet. Kaseem war erst vor kurzem auf der Ruin Station angekommen, aber er konnte bereits die Angst und die Unruhe spüren, die diese mysteriöse Bande, die systematisch Gesetzlose ausschaltete, auslöste. Überall auf der Station hingen Plakate mit der Aufschrift “Kill on Sight”, auf denen Fotos der bunten Rüstungen der Overlords abgebildet waren, die immer häufiger, immer verzweifelter und immer lohnender wurden. Noch immer wusste niemand, wer sie waren oder was sie wollten. Einige hielten sie für eine Spezialeinheit der UEE-Navy, die das System säubern sollte. Andere hielten sie lediglich für Geächtete, die Platz für ihre eigenen Operationen schaffen wollten. Im Moment war es Kaseem egal.

Kaseem war nach Pyro gereist, um ein paar Credits zu verdienen. Anders als die meisten der verstreuten Bewohner des Systems war er nicht auf der Flucht. Wochen zuvor hatten ihn seine Eltern aus dem Haus geworfen, nachdem sie von den Gerüchten gehört hatten, dass örtliche Geschäfte von jemandem überfallen wurden, der wie er aussah und eine Salvo-Pistole trug, die gleiche Marke und das gleiche Modell wie die, die er an seiner Seite trug. Er versuchte, das Ganze als eine zusätzliche Gaunerei zu rechtfertigen. Obwohl niemand verletzt wurde, war sein Vater untröstlich und unfähig zu sprechen, also überbrachte ihm seine Mutter die niederschmetternde Nachricht.

Wutentbrannt verließ er das Haus. Anfangs träumte er davon, erst dann zurückzukehren, wenn er das gesamte Wohnsilo, in dem seine Eltern lebten, kaufen könnte, damit sie sich jeden Monat abrackern müssten, um ihm Miete zu zahlen. Jetzt wünschte er sich nichts mehr als einen ruhigen Schlaf, während der Geruch der köchelnden Boumbo seines Vaters durch den Flur zog. Auf der Flucht und ohne einen Ort, den er sein Zuhause nennen konnte, war Kaseem so verzweifelt, dass er sein letztes Geld für den Sprung ins Pyro-System verwendet hatte. Das System hatte den Ruf, der Ort zu sein, an dem man Credits verdienen konnte, wenn man bereit war, dafür zu kämpfen. Die beliebteste Landezone, die Ruin Station, war alles andere als einladend. Kaseem hatte das Gefühl, dass ihn nach seiner Landung alle Augenpaare taxierten, wie viel er wert war.

Er aß seine erste Mahlzeit mit einer Hand fest um seine Pistole geklammert. Nach drei Tagen traf er auf das erste freundliche Gesicht, eine zuvor angekommene Spediteurin, die ihren Lebensunterhalt mit regelmäßigen Fahrten zwischen Stanton und Pyro verdiente. Sie löcherte ihn mit bohrenden Fragen und lud ihn ein, ein paar Freunde zu treffen. Es erwies sich als Glück, dass sie einander getroffen hatten. Ein lokales Rudel suchte nach einem Unbeteiligten, der einen illlegalen Run machen sollte. Wenn er bewies, dass er damit umgehen konnte, würde der Grevola-Clan ihn als einen der ihren willkommen heißen. Dann würden die Credits ganz sicher fließen. Zu diesem Zeitpunkt konnte Kaseem sein Glück nicht fassen. Jetzt kannte er die Wahrheit…

Die Warnsensoren kreischten, als die Schilde der Cutlass weiteres brutales Sperrfeuer abfingen. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Schilde runter waren. Kaseem verfluchte sich dafür, dass er so dumm war. Warum hatte er die Kisten nicht doppelt überprüft? Oder warum hatte er sich nicht zweimal überlegt, warum sie so erpicht darauf gewesen waren, einen Fremden die Cutlass steuern zu lassen? Kaseem warf einen Täuschkörper aus, um eine Rakete abzuschütteln, und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Sein Vater hatte gesagt, all die Stunden in Arena Commander seien eine Verschwendung. Das erwies sich als falsch – eine Tatsache, die er hoffte, eines Tages mit ihm persönlich teilen zu können.

Er machte ein Ausweichmanöver und begann dann, die Flugprotokolle durchzublättern, um zu sehen, wo dieses Schiff zuvor gewesen war. Laserschüsse blitzten am Cockpit vorbei, als seine Verfolger ihren Kurs anpassten. Seine verbliebenen Schilde begannen zu flackern. Er fand etwas. Ein  Satz Pyro-II-Koordinaten erschien mehr als einmal.

Das Schiff schwankte durch den Aufprall. Seine Schilde waren weg. Kaseem musste schnell sein. Er rief die Koordinaten auf, dann hielt er inne. Es gab nur einen Weg, um sicherzustellen, dass die Grevola bekamen, was sie verdienten. Kaseem wechselte den Bildschirm und sendete ein Quantenverbindungssignal. Die Overlord-Schiffe schlossen sich ihm blitzschnell an. Sie flogen los, auf die andere Seite von Pyro II. Schließlich trat das Schiff aus dem Quantenjump aus.

Er tauchte durch die Atmosphäre, Flammen leckten um die Cutlass, während die Schiffe, die ihm dicht auf den Fersen waren, folgten. Seine Augen suchten verzweifelt das unwirtliche, von stillgelegten Minen übersäte Terrain unter ihm ab und Kaseem betete, dass er sich nicht geirrt hatte. Dann sah er am Horizont Licht auf dem glatten Rumpf einer Freelancer glitzern. Bald konnte er winzige Gestalten ausmachen, die zwischen der ‘Lancer und einem kaputten Gebäude am Rande einer tiefen Mine hin und her huschten. Das musste das Versteck der Grevola sein!

Kaseem wich dem schweren Feuer aus, das auf sein Heck prasselte, und lud seine letzte Rakete, in der Hoffnung, der Verfolgung durch den Overlord so noch ein paar Sekunden zu entgehen. Genug Zeit, um nicht nur in Schussreichweite zu kommen, sondern auch so verdammt nah, dass die Grevola wissen würden, dass er es war. Kaseem schrie auf, als er seine letzte Rakete auf die Freelancer abfeuerte. Sie explodierte in einem Feuerball, der die Kabinenhaube der Cutlass erleuchtete. Einige der Geschütztürme, die am Rande der Mine saßen, eröffneten das Feuer. Er machte sich keine Mühe mehr mit Ausweichmanövern. Auf diese Entfernung war es sinnlos. Auf seinem Display leuchtete eine Warnung nach der anderen auf, die auf kritische Systemausfälle hinwies, kurz bevor die Welt in Dunkelheit zerfiel.

Minuten, vielleicht Stunden, vergingen. Das erste, woran sich Kaseem erinnerte, war sengende Hitze. Dann Licht. Jemand zog ihn aus dem Schiffswrack. Es dauerte einen Moment, bis sich seine Augen an den pochenden Schmerz in seinem Schädel gewöhnt hatten und er wieder sehen konnte. Als er sich konzentrierte, blickte er auf einen Kreis von gepanzerten Gesichtern. Die gesamte Galerie der Wanted-Poster blickte auf ihn herab. Kaseem wusste nicht, warum, aber er lachte. Die Overlords tauschten einen Blick aus. Er gab ihnen einen Daumen hoch und wurde erneut ohnmächtig.

Kaseem kam hinter Bioabfallkisten zu sich, die in einer Ecke der Ruinenstation gestapelt waren. Er kämpfte sich auf die Beine und sah ein Fahndungsplakat der Overlords mit der Aufschrift “Kill on Sight” auf seiner Brust kleben. Er schmunzelte und machte sich langsam auf den Weg zum Raumhafen. Es war an der Zeit, einen Weg nach Hause zu finden.

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Neville Lotts Lichtung

Es dämmert bereits, als die kleine Gruppe, mit der ich wandere, eine Lichtung betritt. Unser Reiseleiter, der nur als Ronove bezeichnet werden möchte, hält an und verkündet, dass wir angekommen sind. Ich setze meinen Rucksack ab, erschöpft und doch beschwingt, und genieße die Aussicht. Ich habe versprochen, die Koordinaten und die Route geheim zu halten, aber ich kann sagen, dass wir uns tief in den Tecuya-Bergen von Vastac befinden und einen unglaublichen Blick auf den Sonnenuntergang über einem Canyon am Fluss haben. Ein Gefühl des Friedens und der Ruhe überkommt mich, bevor es von dem Gedanken abgelöst wird, dass meine markerschütternden Schreie durch den Canyon hallen könnten und niemand sie je hören würde. Es macht Sinn, warum Neville Lott diesen Ort für seine Taten gewählt hat.

Ronove verkündet, dass die Zeremonie beginnen wird, sobald die Sonne untergegangen ist. Andere in der Gruppe bereiten sich darauf vor, indem sie ihre Wanderkleidung ablegen und die aufwendigen Kostüme anziehen, die bei Feiern zum Tag der Vara üblich sind, aber in dieser Umgebung etwas beunruhigend wirken. Ein paar Leute verschwinden kurz in der Dämmerung, um dann mit blutunterlaufenen Augen zurückzukehren. Verlegen ziehe ich eine alte Neville-Lott-Maske hervor und stülpe sie mir über den Kopf. Es ist im Grunde ein grob genähter Jutesack mit integriertem Atemgerät. Lott trug einen solchen Sack, um seine entsetzlichen Narben zu verbergen, aber das Atemgerät blieb darunter verborgen. (Das in die Maske integrierte Beatmungsgerät wurde eigentlich eher durch popkulturelle Darstellungen von Lott populär gemacht als durch die echte Maske).

Ich vermeide verächtliche Blicke anderer Teilnehmer, weil ich mich für eine einfache Wahl für die Zeremonie entschieden habe. Stattdessen beobachte ich, wie Ronove die Kerzen strategisch auf der Lichtung platziert. Da merke ich zum ersten Mal, dass etwas nicht stimmt. Ich zähle Ronoves Schritte, während er von einer Seite der Lichtung zur anderen geht, und mein Herz setzt aus. Er ist kleiner als der in den Polizeiberichten beschriebene Tatort. Es ist unmöglich, dass Neville Lott seine Morde hier begangen hat.

Dessen bin ich mir sicher, denn ich habe jedes Buch über Neville Lott gelesen, das ich finden konnte, und die Polizeiberichte mehrfach durchgesehen. Meine Besessenheit von Terras berühmtestem Mörder begann, als ich als kleines Kind in diesen Bergen am Lagerfeuer saß, als mein Vater und mein Onkel sich an den Sommer erinnerten, in dem der Campingausflug ihrer Familie abgesagt wurde. Sie erzählten mir die Geschichte, wie in jenem Jahr sieben Wanderer verschwanden, die von dem geistesgestörten Neville Lott auf grausame Weise ermordet wurden. Sie vermieden Einzelheiten, aber mein junger, phantasievoller Geist konnte nicht umhin, sich zu fragen, was genau passiert war.

Eines Abends, als meine Eltern ausgingen, sah ich mir heimlich den Slasher-Klassiker von 2902 an, der von Lotts Mordserie inspiriert war: The Hill Horror. Die expliziten Bilder von Lott, wie er seine Opfer umbringt, haben sich in mein Gedächtnis eingebrannt, aber was mir am meisten im Gedächtnis geblieben ist, waren die Rückblenden zu Lotts normalem Leben in Caliban vor der Vanduul-Invasion. Es war nicht die grafische Darstellung, die mich in dieser Nacht wach hielt. Es war die Szene, in der Lott unter den Trümmern seines Hauses begraben war und nichts anderes tun konnte, als durch einen Spalt in den Trümmern zuzusehen, wie die Vanduul seine Familie massakrierten. Irgendwie verkörperte Neville Lott das wahre Böse und verdiente dennoch mein Mitleid. Diese widersprüchlichen Gefühle verwirrten mich anfangs. Wie konnte ich jemanden bemitleiden, der so etwas Unaussprechliches getan hat? Kann ein extremes Trauma jemanden wirklich so sehr verändern? Wo genau endete die Geschichte und wo begann der Mythos? Diese Fragen inspirierten mich dazu, so viel wie möglich über den echten Neville Lott zu erfahren.

Meine Besessenheit vom Fall Lott entwickelte sich zu einer allgemeinen Faszination für makabre und grausame True-Crime-Geschichten. Neben kreativem Schreiben und Journalismus belegte ich an der Universität auch Kurse in forensischer Wissenschaft und Kriminalpsychologie, in der Hoffnung, zusätzliche Erkenntnisse darüber zu gewinnen, warum oder wie jemand solch abscheuliche Taten begehen würde. Ich habe einen Großteil meiner beruflichen Laufbahn damit verbracht, Geschichten zu verfolgen, die sich mit denselben Themen befassen, die mich als Kind fasziniert haben. Als man mich also fragte, ob ich eine Serie über die spukhaftesten Orte der UEE schreiben wolle, kam mir sofort Neville Lotts Lichtung in den Sinn. Endlich konnte ich begründen, warum ich einen Ort finden wollte, den die Strafverfolgungsbehörden seit seiner ersten Entdeckung geheim gehalten hatten.

Über den Ort, an dem Lott seine Verbrechen begangen hat, ist nur sehr wenig bekannt. Die Lichtung befindet sich irgendwo in den Tecuya-Bergen im terranischen Bundesstaat Vastac und ist ausreichend geschützt, um von Vermessungsschiffen nicht entdeckt zu werden. Sie ist abgelegen genug, um nur zu Fuß erreicht werden zu können, aber immer noch nahe genug an Wanderwegen und Campingplätzen, damit Lott nach Opfern jagen konnte. Die meisten der Personen, die den Schauplatz untersucht haben, sind inzwischen verstorben, aber selbst im Zuge des erneuten Interesses an dem Fall nach der Veröffentlichung von „The Hill Horror“ schworen diejenigen, die dort gewesen waren, den Ort niemals preiszugeben. Bei einem Interview für „Unspeakable Evil“, das ich für das maßgebliche Buch über Lott halte, lehnte der leitende Ermittler Gaston Nazari die Bitte der Autorin Paula Qi, sie zum Tatort zu bringen, rundheraus ab. Nazari sagte ihr unverblümt: “Es kann nichts Gutes bringen, dorthin zu gehen. Ehrlich gesagt, hoffe ich, dass ein Steinschlag die Stätte für immer zerstört hat.“

Ich gebe zu, dass es mich oft nur noch mehr motiviert, wenn mir gesagt wird, dass ich etwas nicht tun kann. Ich habe alles, was ich über den Fall Lott finden konnte, noch einmal gelesen und jedes Detail in den Polizeiberichten nach Hinweisen auf den Fundort durchforstet. Ich verglich sogar Wanderführer von damals mit aktuellen, um zu sehen, ob irgendwelche Wege umgeleitet oder aufgegeben worden waren. Als meine Nachforschungen keine neuen Erkenntnisse erbrachten, brachte mich ein Freund mit jemandem aus der terranischen okkulten Gemeinschaft in Kontakt, der behauptete, an einer geheimen Zeremonie an der Sehenswürdigkeit teilgenommen zu haben. Durch diese Verbindung lernte ich Ronove kennen. Wir trafen uns auf einen Kaffee in Prime. Ich garantierte Anonymität und versprach, den Ort und die Aspekte der Zeremonie geheim zu halten. Ronove erwies sich als Kenner sowohl von Lott als auch seiner Verbrechen. Jetzt, da ich auf einem kalten Felsen Platz nehme, bevor die Zeremonie beginnt, bereue ich, dass ich keine genaueren Fragen gestellt habe.

Dennoch nehme ich bereitwillig an einer Zeremonie teil, die man am besten als eine Mischung aus okkultem Prunk und echtem Verbrecherspektakel beschreiben kann. Ronove zündet Kerzen an, leitet Gesänge an und vermischt Fakten mit Fiktio^n, die durch „The Hill Horror“ bekannt wurden. Ehrlich gesagt, es macht unheimlich viel Spaß, auch wenn es nicht das düstere Abenteuer zu Terras berüchtigstem Tatort ist, das mir versprochen wurde.

Nach der Zeremonie ziehen wir alle wieder unsere Wanderkleidung an und setzen unsere Stirnlampen auf, um uns auf den Weg zurück zu machen. Auf dem langen Weg den Berg hinunter gehen wir meist schweigend. Ich bin erschöpft und ein wenig entkräftet. Andere kommen noch immer von ihren vor der Zeremonie eingenommenen Getränken herunter. Die Bäume rascheln über uns und um uns herum. Ein plötzliches Knacken eines Zweiges in der Dunkelheit erschreckt die Frau vor mir so sehr, dass sie stehen bleibt. An einer Stelle heult eine steife Brise durch die Schlucht, die wie ein entfernter, kläglicher Schrei klingt. Mir stellen sich die Nackenhaare auf, und eine Welle der Traurigkeit überschwemmt mich.

Für den Rest der Wanderung werde ich von diesem Moment der Angst heimgesucht. Obwohl er kurz und letztlich harmlos war, musste ich an die Opfer von Neville Lott in den letzten Momenten ihres Lebens denken. Arme Seelen, die sich in diese Berge wagten, um Frieden und Einsamkeit zu finden, nur um ein schreckliches Schicksal zu erleiden. Bevor ich hierher kam, war ich davon überzeugt, dass der Besuch der Lichtung von Neville Lott weitere Erkenntnisse über einen Mörder liefern könnte, der mich seit Jahrzehnten fasziniert. Doch als ich gehe, fühle ich mich schuldig und denke darüber nach, wie respektlos es gegenüber den Opfern ist, diese Lichtung in ein Touristenziel für jemanden zu verwandeln, der von ihrem Mörder fasziniert ist.

Als ich aus dem Wald herauskomme, habe ich keine Lust mehr, die Suche nach der schwer fassbaren Stelle fortzusetzen. Diese Reise hat mich davon überzeugt, dass manche Orte es verdienen, der Zeit überlassen zu werden. Auch wenn ich die Lichtung von Neville Lott nicht erreicht habe, werde ich immer noch von ihr heimgesucht.

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Heimweh

Juni 2544, Terra-System. Drei Jahre nach dem Ersten Tevarin-Krieg.

“Beeindruckend, nicht wahr?”

“Ist das die größte, die wir haben?”, fragte ich und starrte auf ein massives Schiff mit der größten Kanone, die ich je gesehen hatte.

“Nicht einmal annähernd. Unsere größten Schiffe fliegen nicht in der Atmosphäre, Sie sind an Raumstationen über Terra angedockt.”

“Wie viel größer sind die?”

“Wie schwimmende Städte. Jeder Rekrut, der heute mit uns aufbricht, geht direkt zu einer Station, die außerhalb der Atmosphäre wartet. Das heißt, eine wacht gerade über dich und beschützt dich vor den Tevs. Hast du Interesse am Fliegen?”

Ich warf einen Blick auf die junge Navy-Starman. Über ihremKopf wehte ein riesiges Invictus-Rekrutierungsbanner in der Luft. Die Nachmittagssonne von Terra glitzerte auf einem Knopf ihrer frisch gebügelten Uniform. Ich wandte den Blick ab und zuckte mit den Schultern: “Ich habe es bisher nur einmal gemacht.”

Nervös schob ich eine Tasche mit Lebensmitteln von einer Hand in die andere und dachte daran, wie ich während der tevarinischen Orbitalbombardements von Idris IV an Bord dieses ersten Schiffes geeilt war. Ich hatte immer gehofft, Idris eines Tages verlassen zu können, aber nie erwartet, dass es so werden würde – eingepfercht in einem überfüllten Frachtraum neben meiner Mutter, die hysterisch über Florins Entscheidung weinte, zu bleiben und zu kämpfen. Seitdem war nichts mehr so wie früher.

Im Flüchtlingslager aß Mama kaum noch und sprach noch weniger. Sie verbrachte die meiste Zeit damit, ausdruckslos auf den Horizont zu starren oder zu schlafen. Ein Arzt verabreichte ihr Medikamente, die ihr halfen, aber nachdem wir in eine Langzeitunterkunft in New Austin gezogen waren, wurde es wieder schlimmer. Meine Mutter begann, unvorhersehbare Stimmungsschwankungen zu haben, die zwischen wütend, traurig und völlig weggetreten schwankten. Was die Sache noch schlimmer machte, war, dass sie besonders wachsam wurde, was meinen Aufenthaltsort anging, da sie befürchtete, dass wir ebenfalls getrennt werden könnten, falls die Tevarin einen weiteren Überraschungsangriff starten würden. Ich versicherte ihr, dass wir weit weg von der Front waren, aber das half nicht viel, da wir uns ständig über die kleinsten Dinge stritten. Ich verfolgte aufmerksam die Nachrichten, in der Hoffnung, dass etwas, irgendetwas, sie aus ihrer schlechten Laune herausholen würde.

“Nun”, sagte die Starman, als er meine Aufmerksamkeit wiedererlangte, “das klingt nach der perfekten Gelegenheit, an Bord deines zweiten Schiffes zu gehen. Ich führe in ein paar Minuten eine Tour durch die Schönheit, die du bewundert hast, falls do noch interessiert bist.”

“Ich habe aber meine Einkäufe dabei.”

“Machen Sie sich darüber keine Sorgen”, sagte die Starman und warf einen Blick auf den spärlichen Inhalt der Tasche. “Wir können sie sicher aufbewahren, solange du an Bord bist. Wie wäre es, wenn die einen Platz freihalte, nur für den Fall?”

Ich warf noch einmal einen Blick auf das Schiff, fragte mich, wie es wohl im Inneren aussehen musste, und nickte dann.

“Wie heißt du?”

“Atsuko Tillery.”

“Schön, dich kennenzulernen, Atsuko. Ich bin Starman Marinos”, lächelte sie.

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“Nur eine Person? Gibt es vielleicht noch einen Freund oder ein Elternteil, der sich dir anschließen möchte?”

Ich senkte den Blick und schüttelte den Kopf. Mom wusste nicht einmal, wo ich im Moment war. Nicht, nachdem ich nach unserem letzten Streit hinausgestürmt war. Es begann damit, dass ich sie buchstäblich aus dem Bett zerrte, um ihr die Nachricht zu bringen, die sie eigentlich hätte aufmuntern sollen. Florin war am Leben. Er war deutlich in einem Nachrichtenvideo über Freiheitskämpfer auf Idris IV zu sehen gewesen. Er gehörte zu einer Gruppe, die sich „Die Grauen“ nannte, einheimische Rebellen, die sich in den Corsti-Bergen außerhalb von Tanys versteckten. In dem Video beschwor Rachel Locke, ihre Anführerin, die Menschen, alles zu tun, um ihr eigenes System vor dem Schicksal von Idris zu bewahren. Florin stand inmitten der Soldaten, die hinter Locke stationiert waren. Sein Gesicht war um ein Jahrzehnt gealtert und sichtlich vernarbt, aber er verriet uns stolz, dass er noch lebte. Ich zeigte auf das eingefrorene Bild von ihm auf dem Videobildschirm.

“Mama, schau….”

Mama sah Florin an und ging dann zurück in ihr Zimmer: “Wir werden ihn wohl nie wieder sehen. Ich habe ihm gesagt, dass es ihn nur umbringen würde, wenn er dort bleibt.”

Ihre Antwort machte mich sprachlos, und ich fragte sie, warum sie das nicht als gute Nachricht empfand. Daraufhin begann wieder das Geschrei. Nachdem meine Mutter minutenlang darüber geschimpft hatte, wie egoistisch Florin sei, uns im Stich zu lassen und den Helden zu spielen, konnte ich es nicht mehr ertragen. Was Florin tat, war mutig, aber nichts, was ich sagte, würde sie umstimmen, also warum es weiter versuchen?

Ich stürmte aus unserem Wohnkomplex und schlenderte durch die Straßen. Es war ein befreiendes Gefühl, einmal zu tun, was ich wollte, ohne mir Sorgen zu machen, ob sie sich darüber ärgern würde. Das Laufen ohne Ziel machte meinen Kopf frei, aber tief in mir wusste ich, dass der einzige Ort, an den ich musste, der war, an dem ich es nicht mehr aushielt: mein Zuhause. Ich ging in einen Laden, um ein paar Dinge zu besorgen, und beschloss dann, den langen Rückweg anzutreten. Auf dem Weg dorthin sah ich einen Strom von Menschen, die riesigen Invictus-Bannern folgten, auf denen eine Werft mit den neuesten Schiffen der Navy angekündigt wurde. Neugierig folgte ich ihnen. Ich hatte zwar Nachrichtenvideos mit Navy-Schiffen gesehen, aber noch nie eines aus der Nähe.

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“Und wie alt bist du?,” fragte Starman Marinos und holte mich in die Gegenwart zurück.

“…Entschuldigung, was?”

“Wie alt bist du, Atsuko? Technisch gesehen darf niemand unter 17 Jahren die Tour alleine machen.”

“19.”

“Gut, gut”, tippte Starman Marinos auf sein Tablet. “Und du kommst von hier, richtig?”

“Idris, um genau zu sein.”

“Tut mir leid”, der Starman versteifte sich und senkte das Tablet, um mich anzuschauen.

“Wurden Sie mit Ihrer Familie hierher evakuiert?”

Ich blickte auf meine Füße. Ich wusste nicht, wie ich erklären sollte, dass die Mutter, die ich kannte und liebte, Idris nie wirklich verlassen hatte. “Mein Bruder ist zurückgeblieben, um zu kämpfen. Er ist bei den Grauen.”

“Wirklich? Das ist unglaublich mutig von ihm. Du musst stolz auf ihn sein.”

“Ich wünschte, ich wäre bei ihm geblieben. Das hätte mehr gebracht als das, was ich hier tue.”

“Wir alle müssen unseren Teil dazu beitragen.”

“Es ist nur…ich wünschte, ich könnte mehr tun.”

“Nun, genau darum geht es bei Invictus. Wir sind heute nicht nur hier, um die unglaublichsten Schiffe und Technologien der Navy zu zeigen, sondern auch, um den Leuten zu helfen, herauszufinden, wie sie die Kriegsanstrengungen am besten unterstützen können.”

Starman Marinos drückte weitere Tasten auf seinem Tablet. “Hast du schon darüber nachgedacht, wie du helfen willst?”

“Ich meine, ein wenig. Aber ich weiß nicht wirklich, was ich tun könnte.”

“Keine Sorge, ich kann dir helfen, das herauszufinden. Wir haben eine Handvoll Simulatoren aufgestellt, um deine Fähigkeiten zu testen.”

“Wirklich?”

Ich erinnerte mich daran, dass Florin einmal auf einer Jobmesse einen Bergbausimulator benutzt hatte und tagelang darüber sprach, wie real er sich angefühlt habe.

“Ich wollte schon immer mal so einen ausprobieren.”

“Lass mich einen für dich reservieren.“

Starman Marinos drückte ein paar Knöpfe und lächelte dann. “Komme. Ich lasse dich ganz vorn in der Schlange stehen, damit du einen guten Blick auf alles hast und mir alle Fragen stellen kannst, die du willst.”

“Okay”, erwiderte ich und folgte ihr an einer langen Schlange von Leuten vorbei, die auf den Beginn der Führung warteten.

“Ich glaube, die Tour wird dir wirklich gefallen. Du wirst genau sehen, wie es ist, seinen Tag als Navy Starman zu verbringen.”

Ich nickte und stellte mir vor, wie stolz mein Bruder sein würde, wenn er wüsste, dass ich mich dem Kampf gegen die Tevs angeschlossen hatte. Er verstand, wie wichtig es war, alles zu tun, um die Menschheit zu retten, selbst wenn man dafür die verlassen musste, die man liebte. Dann dachte ich an Mom, die allein zu Hause saß und wahrscheinlich wütend war, dass ich nicht schon zurück war. Hoffentlich hatte sie etwas zu essen gemacht, obwohl ich bezweifelte, dass sie selbst etwas gekocht hatte. Wenigstens gab es im Schrank ein paar Essensriegel.

“Alles klar?”, fragte Starman Marinos, dem offenbar aufgefallen war, dass ich in Gedanken versunken war.

“Ja.”

“Gut, denn ich glaube, wenn du einmal gesehen hast, wie ein Navy-Sschiff von innen aussieht, wirst du es nie wieder verlassen wollen.”

Am Anfang der Schlange griff Starman Marinos nach der Tüte mit den Lebensmitteln, aber etwas veranlasste mich, sie instinktiv zurückzuziehen.

“Schon gut, ich werde Starman Haas persönlich darauf aufpassen lassen”, sagte er und winkte Starman Haas zu uns.

“Eigentlich sollte ich gehen.”

“Bist du sicher? Ich dachte, du wolltest das Schiff sehen.”

“Will ich auch …”

“Dann lass uns gehen. Das Einzige, was dich aufhält, bist du selbst.”

“Ich wünschte, das wäre wahr.”

Damit drehte ich mich um und begann zu gehen. Angesichts der Tatsache, dass ich mich zum Militär gemeldet hatte, wurde mir etwas Überraschendes klar.

“Atsuko”, rief mir Starman Marinos hinterher, “ich dachte, du wolltest helfen, die Menschheit zu retten?”

Das wollte ich, aber zuerst musste ich versuchen, Mama zu retten.

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Im Nebel

Ein plötzliches Aufbäumen vertreibt die Dunkelheit. Als Pernell Arai seine Augen öffnet, findet er sich in einer hellen, sterilen medizinischen Einrichtung wieder.

„Da sind Sie ja, Herr Arai.“ 

“Wo bin ich?”

“Alles ist gut. Sie sind in Orison. Sieht so aus, als ob Ihre Regeneration erfolgreich war. Wie

fühlen Sie sich?”

Pernell holt ein paar Mal tief Luft und wackelt dann mit Fingern und Zehen.

“Ein wenig wund. Was ist mit mir passiert?”

„Nun, das weiß ich auch nicht. Aber Sie erlitten eine traumatische Verletzung. Glücklicherweise hinterlässt sie keine Narben. Was ist das letzte woran Sie sich erinnern?”

Pernell konzentriert sich, Erinnerungen kommen hoch. Er tanzt mit Sergie. Er ist an einem Strand in Cassel, sie sonnen sich im Schein von Goss’ Doppelsternen. Dann ist er ein Junge, versucht eine Waffe kontrolliert im Anschlag zu halten, um in einem verlassenen Gebäude der Archibald Station auf Dosen zu schießen.

“Ihre Gehirnaktivität sieht zumindest normal aus“, sagt der Arzt während er auf dem Datapad herumtastet.

„Tut mir leid, ich erinnere mich an Dinge. Es ist einfach viel auf einmal.“

“Alles gut. Ich frage, weil Ihr letzter Abdruck schon eine ganze Weile her ist. Daher ist Ihr Kurzzeitgedächtnis etwas verschwommen. Aber das ist Ihnen sicher bekannt; richtig, Mr. Arai … Mr. Arai?“

Pernell trennt sich von der atemberaubenden Aussicht auf Orison zurück zum Arzt, dann nickt er wissend.

„Tut mir leid, ich muss mich noch einleben.“

“Völlig verständlich. Nun, alle Ihre Vitalwerte sehen gut aus, Sie können jederzeit gehen. Nehmen Sie sich ein wenig Zeit für sich selbst und sorgen Sie in Zukunft regelmäßiger für einen Imprint. Das wird es Ihnen beim nächsten Mal einfacher machen.“

Pernell bedankt sich beim Arzt und verlässt dann benommen das Krankenhaus noch immer in sein mintgrünes Hemdchen gehüllt. Der Wind peitscht über das Cloudview Center hinweg und durchkühlt ihn bis auf die Knochen. Trotzdem verharrt er einen langen Moment, den herrlichen Sonnenuntergang genießend. Er lehnt sich dabei sogar leicht über das Geländer, um der Wolkenbank näher zu sein. Ein plötzlicher Schwindel überkommt ihn. Schnell strauchelt Pernell zurück und fragt sich dann, ob er so gestorben ist – als Narr, von einer Orison-Plattform fallend.

Er setzt sich auf eine Bank in der Nähe und schließt die Augen. Aber die nahe Vergangenheit – sein Gestern und Vorgestern – sie ist verborgen in den dicken Nebelschwaden in seinem Kopf. Schließlich steht Pernell auf und überquert zähneklappernd die Plattform, ahnend, dass es schlimmer sein könnte. Zumindest erinnert er sich an die Lage seines Habs. 

Zurück in seiner Wohnung am Green Circle öffnet Pernell einen Schrank, um sich umzuziehen. Eine Sekunde lang ist er schockiert, als er feststellt, dass sein Lieblingshelm fehlt. Natürlich, er trug ihn als … er hält inne und hofft, dass sich eine Erinnerung aus dem Nebel schält, aber Fehlanzeige.

Stattdessen erinnert er sich, wie er eine Beschattung in einer der Seitenstraßen von Fujin City aufgab, um den Helm bei einem fliegenden Händler zu erstehen. Irgendetwas daran passte zu ihm, und er hatte ihm seitdem verlässlich gedient und ihn geschützt. Erst später entdeckte er, dass es ein äußerst seltenes Stück war. Ja, er war tatsächlich wertvoll, generell und speziell für ihn – und jetzt war er möglicherweise für immer verschwunden.

Pernell öffnet sein MobiGlass und blättert durch sein Inventar. Es schmerzt ihn zu sehen was alles fehlt. Es muss eine große Operation gewesen sein, wenn so viel Zeug verschwunden ist. Auch wenn noch immer genug von seiner Ausrüstung eingelagert ist, irgendwie fühlt es sich an, als ob er den Kleiderschrank eines Fremden durchstöbert. Er kann sich einfach nicht erinnern wann er dieses Zeug zum letzten Mal getragen hatte. Den dumpfen Schmerz des Verlustes beiseite schiebend, schnappt sich Pernell seinen Ersatz-Strampler und stopft sein rechtes Bein hinein – er passt noch.

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Über der Oberfläche kreisend, dauert es nicht lange, bis Pernell die Strukturen des Bunkers erspäht. Er verlangsamt das Schiff und passt den Kurs mit gebührendem Sicherheitsabstand an. Er kann seinem Gedächtnis nicht vertrauen, kann sich nicht sicher sein ob hier Verteidigungstürme auf ihn warten. Alles hier wirkt vage bekannt, und je mehr er kreist, desto vertrauter wirkt die Umgebung.

Schließlich würde er darauf wetten, dass dies der Ort ist, an dem er gestorben war. Pernell hatte die Location beim Durchstöbern seiner letzten Aufträge gefunden. Sein letzter Job hatte ihn zu diesem Bunker geführt, was erklären würde, warum er so viel Zeug mitgenommen hatte. Früher hätte er derlei Aufträge mit ein bis zwei Mann Verstärkung erledigt,  aber seit er nach Crusader gekommen war hatte er solo gearbeitet. Zuerst aus purer Not heraus, da er niemandem vertraute. Dann wuchs sein Selbstvertrauen und die hundertprozenztige Prozent Auszahlung nur für ihn ließ ihn schnell nach ähnlichen Jobs im MobiGlas suchen.

Wenn Pernell ganz ehrlich war, fand er es unglaublich berauschend, einen Bienenstock voller Geächteter ganz alleine auszuräuchern. Jetzt im Anflug auf die Bunkerrückseite fragt er sich, ob es nicht klüger gewesen wäre, mit einem Back-Up herzukommen. Mit seiner Ausrüstung zweiter Wahl ist er ohnehin schon im Nachteil, während im Bunker vielleicht einer mit seiner sorgfältig kalibrierten Waffe bereits auf ihn wartet.

Er verlangsamt die Triebwerke des Schiffs, entdeckt einen Turm und nimmt ihn ins Visier. Er schaltet eine Rakete auf, doch zu seiner Überraschung reagiert der Turm nicht. Er nimmt den Finger vom Abzug und pingt den Bunker selbst an. Auch das entlockt dem Turm keinerlei Interesse. Pernell zieht eine enge Schleife und landet ohne Zwischenfall. Er klettert aus dem Schiff, überprüft schnell noch einmal seine ungewohnte Ausrüstung, und eilt weiter zum Bunker. Die Außentüren sind bereits aufgebrochen und einen Spalt weit geöffnet durch den der Aufzug zu sehen ist. Er greift nach seiner Arclight II-Pistole und tritt vorsichtig ein.

Kaum ist er ein paar Schritte weit eingedrungen durchlöchert ein Kugelhagel sein Schiff. Pernell fährt herum und sieht, dass der Turm plötzlich sehr aktiv ist. Die Schilde seines Schiffes flackern kurz auf bevor sie verschwinden. Er schafft es nicht einmal mehr, seine Augen vor der folgenden Explosion abzuwenden. Schiffstrümmer verteilen sich Geschossen gleich in Sekundenbruchteilen über den Landeplatz. Job erledigt, der Turm kehrt zur Ruhe zurück. Für eine Sekunde fühlt sich Parnell benommen und lehnt sich gegen die Tür. Er fängt sich wieder und nimmt sich eine Sekunde Zeit, um über seinen nächsten Schritt nachzudenken. Dann aktiviert er sein MobiGlas und setzt ein Notsignal ab. Er rafft sich zusammen und steigt in den Fahrstuhl. Es wird einen Moment brauchen bis sein Taxi eintrifft und er hat den ganzen Weg nicht auf sich genommen um ohne seinen Helm zu gehen. 

Unten angelangt überkommt Pernell ein Déjà-vu. Er kennt viele der Fertigbunker in diesem System mit ihrem allzu ähnlichen, modularen Design. Aber dieser hier fühlt sich seltsam vertraut an. Er schleicht sich flink und leise an, späht um eine Ecke, und sieht sogleich eine Granate auf sich zukommen. Instinktiv rollt Pernell vorwärts ab und geht hinter einem Kistenstapel in Deckung. Die Explosion wirbelt ihm ein paar Kisten entgegen, die er schnell wegtritt und um seinerseits das Feuer zu eröffnen. Jemand fällt und Pernell rollt durch die Rauchschwaden zu einer neuen Position. Er steckt die Pistole weg, schnallt sein P4-AR ab, schießt und schickt eine weitere Person zu Boden. Er drängt weiter vorwärts und zieht dabei Schüsse aus einem Versteck auf sich. Pernell robbt im Gefechtsdunst von Deckung zu Deckung bis er sich an der Flanke seines Feindes weiß. Er legt an und konzentriert sich auf einen verschwommenen Schatten inmitten der Rauchwolke und hält einfach derbe drauf, bis die Silhouette fällt. 

Pernell wartet ab, nur langsam setzt sich der Dunst. Seine Ohren klingeln noch immer vom Bersten der ersten Granate, aber ansonsten scheint es still im Bunker. Er steht auf und tritt zu seinem letzten Kill an. Als er die markante Form seines von Kugeln in Mitleidenschaft gezogenen Helms, lackiert in den Farben seines gefallenen Besitzers sieht, überfluten Pernell seine Erinnerungen. Während er sich umschaut ist plötzlich alles wieder da, einschließlich der Tatsache, dass es zuletzt vier Outlaws waren. Pernell hört Schritte hinter sich, doch noch bevor er seine Waffe heben kann wird alles schwarz.

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