“Manche raube ich dreimal aus”

Interview  mit einem Mitglied der gefürchteten “Overlord”-Piratengang

Von John Brubacker


 …und hier ist „Standpunkt“, das Interview der Woche mit einem interessanten Gast des Empire. Heute müssen wir unser Interview über eine gesicherte Funkverbindung führen, denn unser Gast ist nicht im Studio anwesend. Es handelt sich um einen Mitbürger, der den dunklen Pfad des Lebens gewählt hat, der außerhalb des Gesetzes steht. Wir haben uns darauf geeinigt, Sie Mr. Overlord zu nennen…denn Ihre wahre Identität ist natürlich geheim…

Dunkler Pfad? Sind wir in einer Grusel-Romanze? Aber ja, passt.

Nun, danke, dass Sie sich die Zeit nehmen, dieses Interview mit uns zu führen. Ein Pirat, so nehme ich an, hat schließlich Besseres zu tun, wenn ich mal so sagen darf – Frachter überfallen, Menschen entführen, Drogen verkaufen…

Und Drogen nehmen, nicht zu vergessen. So stellt sich doch der gemeine Reporter das Piratenleben vor, oder? Aber ja, du hast recht. Zeit ist Geld und beides habe ich nicht.

Vielleicht können Sie mal mit ein paar Worten erklären, warum Sie Pirat wurden. Lockt das schnelle Geld? Oder ist es auch der Reiz der Gefahr? Ist es vielleicht das Gefühl, zu einer unverbrüchlichen Gemeinschaft zu gehören, in der ein Kodex über allem steht?

Keine Ahnung, wer da irgendwas von einem Kodex erzählt hat, aber vielleicht bist du irgendwann an einem Punkt in deinem Leben, wo du eine ganze Menge Dinge in Frage stellst. Ob es der sinnvollste Weg ist, für irgendeinen Dreckskonzern zu arbeiten, der dich ausnimmt. Oder nur einfach wieder klein-klein versuchst, dir irgendwas aufzubauen und am Ende auf legalem Wege die Leute dir alles wegnehmen. Vielleicht denkst du dann irgendwann, dass es klug sein könnte, dein Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. Und, na klar: der Reiz. Wenn das halbe Verse hinter dir her ist, ist das schon geil. Ist ein Teil des Lebensgefühls.

Hm, da greifen Sie natürlich schon ein bisschen vor. Aber lassen Sie uns noch einen Schritt zurück machen. Sie sind ja Mitglied bei den Overlords, die im Pyro-System beheimatet sind. Wir wissen, dass die Overlords in erster Linie andere Gangs und deren Operationen ins Visier nehmen. Einige Leute glauben, dass Sie im Grunde Selbstjustiz üben. Andere wiederum denken, dass die Overlords versuchen, andere Gangs aus dem Weg zu räumen, damit sie die Macht im System übernehmen können. Was sagen Sie dazu?

Also, pass mal auf: Wenn sich uns irgendwer in den Weg stellt, dann kriegt er halt aufs Maul. Entweder er spielt nach unseren Regeln, oder er fliegt raus. So einfach ist das. Wenn die sich an die Regeln halten, die wir ihnen geben, dann kriegen sie auch keinen Ärger. Und wenn sie aufmucken oder meinen, etwas hinter unserem Rücken machen zu müssen, dann knallt es halt.

Hmmm….aktuell wird sogar diskutiert, dass die Overlords eine von der UEE-Advocacy gesteuerte Einheit sein könnten, die das Pyro-System von gefährlichen Splittergruppen wie den Xenothreat säubern sollen. Klären Sie uns auf! Was ist an diesen Gerüchten dran?

Selten so gelacht! Wir haben mit der UEE nur genau das zu tun, dass wir uns gegenseitig die Laser und Raketen um die Ohren hauen. Aber ich sag’s dir – diese dreckigen Xenothreat – niemand braucht die. Ich meine: Bist du ein guter Typ, dann bist du ein guter Typ. Bist du ein Arschloch, dann bist du eben ein Arschloch. Und da ist völlig egal, ob du Mensch, Banu oder sonst was bist. Nur die Xenothreat, das sind alles Wichser. Die sollen brennen.

Beschreiben Sie uns doch vielleicht mal ein bisschen das Leben als Pirat. Immer auf der Flucht, verweigerte Landeerlaubnisse, Freiwild für andere verfeindete Piratengruppen wie die Ninetails. Vertrauen können sie doch im Grunde genommen nur sich selbst. Das muss doch auf die  Dauer recht ermüdend sein.

Im Gegenteil: Es hält wach. Ich meine, ja, du hast völlig recht. Genau das ist der Alltag. Entweder musst du verdammt gewieft sein oder verdammt schnell an den Lasergeschützen. Ich meine, es gibt überall Mittel und Wege, wie man durchkommt. Es muss ja nicht jeder wissen, mit welchem Schiff ich wirklich fliege. Und wenn man sich ein bisschen drum kümmert, wissen die gar nicht, dass ich das bin, der da landen möchte. Und schon ist das Thema erledigt. Oder wenn die Ninetails mal wieder aufmucken, dann raufen wir uns auch mit denen. Das gehört dazu. Aber klar, man muss immer auf der Hut sein und du musst genau überlegen, wem du vertraust.

Das Pyro-System ist Rückzugsort vieler Piraten, das ist klar. Reden wir aber einen Moment über das Stanton-System – es zählt wegen des Verkaufs seiner Planeten an die Megakonzerne zu den wirtschaftlichen Kraftwerken des Empire. Das muss für Sie doch ein Fest sein, so ein reichhaltig gedeckter Tisch direkt vor Ihrer Haustür…

Ja, in der Tat. Ehrlich, die Typen – so arglos und naiv wie die durchs Verse fliegen….unglaublich. Da fliegt doch tatsächlich einer mit so einer Caterpillar voll beladen mit dem geilsten Scheiß durch die Gegend durch Stanton. Und das komplett alleine. Kein Geleitschutz, kein Mann in den Geschütztürmen. Nichts. Und dann jammert der rum. Aber das ist doch eine Einladung. Wenn du alleine mit deinem Frachter rumfliegst, niemand in den Geschütztürmen, kein Geleitschutz – da muss man doch zuschlagen. Du bist doch blöd, wenn du das nicht machst. Also ja, Stanton ist ein reich gedeckter Tisch. Ich habe das Gefühl, dass die Hälfte aller Frachterpiloten überhaupt keine Ahnung hat, was da draußen auf sie wartet. Und die lernen auch nicht. Mein Gott, manchmal erwischt man denselben Typen dreimal nacheinander, weil es ihm zu teuer ist, sich eine Eskorte zu leisten.

Ah, ich verstehe. Aus der Sicht eines Piraten ist das natürlich nachvollziehbar, aber nicht jeder kann sich eine Eskorte leisten, oder?

Na ja, du musst einfach mal die Kosten-Nutzen gegenrechnen. Dir ist die Eskorte zu teuer? Tja, dann nehme ich dir den Großteil deiner Fracht weg. Hm, wäre es vielleicht günstiger gewesen, sich eine Eskorte zu holen, sodass ich dreimal überlege, ob ich dich angreife…mach’ die Rechnung selbst.

Okay. Ja, diese Rechnung können wir ja heute nicht aufmachen. Aber es ist natürlich ein sehr interessanter Gesichtspunkt. Ich möchte gerne den Focus noch auf einen anderen Punkt legen. Hat die neuartige Imprinttechnologie eigentlich die Vorgehensweise von Piraten generell verändert? Anders gefragt: Ist die Rücksichtslosigkeit größer geworden, weil man ja weiß, dass der Gegner nicht als Person stirbt? Man kann quasi jemanden ausrauben, ohne große Gewissensbisse haben zu müssen…

Hm. Also ganz ehrlich, wenn die Typen kooperieren und keine Mätzchen machen, nicht auf dumme Ideen kommen und meinen, sie müssten ganz schnell wegfliegen – dann schieße ich auch keinen über den Haufen. Was habe ich denn davon? Ich meine, vor der Technologie habe ich den Typen auch gesagt: Fliegst du weg, knallt’s. Tja, und wenn sie weggeflogen sind, dann hat es eben geknallt. Jetzt ist es genauso. Doch fühle ich mich jetzt weniger schlecht dabei. Man muss natürlich trotzdem auf sich aufpassen. Also ich habe auch nicht Bock, ständig ein neues Imprint zu bekommen. Geil ist das auf Dauer sicher nicht.

Gibt es eigentlich auch moralische Grenzen, die ein Pirat nicht überschreiten sollte? Zum Beispiel den Abschuss eines Frachters mit Kindernahrung? Wovor würden Sie persönlich zurückschrecken? Oder zum Beispiel Ghosting, bei dem ein Mensch nach seinem Tod nicht mehr regenerieren kann?

Also mal der Reihe nach. Wenn du schon bei Kindernahrung bist, glaubst du, die Kinder auf Grimhex oder auf irgendeiner Station in Pyro haben keinen Hunger? Die brauchen auch zu futtern. Und gerade in einem System, wo Überfluss herrscht, wie eben in Stanton, nehme ich eben einen Frachter weg. Und trotzdem ist noch genug für alle da. Die Kinder in Pyro können sich davon ewig lange gesund ernähren. Von daher – nein, da habe ich keine Hemmungen. Und dieses Ghosting…tja, ich glaube, davor hat jeder Angst, der ein bisschen risikoreicher lebt, oder? Davor sollte auch jeder Angst haben. Und ganz ehrlich: Man kann es ja auch provozieren. Wenn irgendein Arschloch so viel Scheiße gebaut hat, vielleicht hat er das dann ja auch verdient…

Kann man sagen, dass Sie die  UEE generell ablehnen? Wünschen Sie sich gar ihre Auflösung? Wie würde ein komplett freies Leben ohne Regeln für Sie aussehen? Und wäre das erstrebenswert? Wie stehen Sie eigentlich zu den Banu, die Händler sind und manchmal auch nicht vor Menschenhandel zurückschrecken?

Das waren ja wieder drei Fragen auf einmal. Aber der Reihe nach. Ich scheiß auf die UEE. Was hat die jemals für mich getan? Andererseits brauchen wir die hin und wieder auch, wenn wieder ganz andere Typen in die Systeme einfallen. Ein Leben ohne Regeln? Ja, vielleicht lernen dann die Pfeifen mal, dass man nicht alleine in einer Caterpillar unterwegs sein sollte. Wobei die Polizei hier eh keinen Schutz liefert…von daher ja, vielleicht wäre ein Leben ohne Regeln besser, weil die Regeln eh keinem helfen. Und die Banu… Tja, ich meine, was soll sein? Menschenhandel. Ich meine, der Bedarf ist da und irgendwer wird ihn decken, oder?

Danke für diese Ausführungen. Eine letzte Frage hätte ich noch, auch wenn Sie vielleicht ein wenig komisch wirkt. Würden Sie eigentlich jemandem empfehlen, Pirat zu werden? Und was würden Sie empfehlen, wenn jemand eine Karriere als Pirat anstrebt? Welche Charaktereigenschaften sollte man besitzen?

Also nein, unter gar keinen Umständen kann ich das irgendjemandem empfehlen. Dann würde ich mir ja selbst Konkurrenz heranziehen. Aber wenn jemand auf dem Weg dahin ist: Tja, keine Angst vor der Einsamkeit zu haben, hilft auf jeden Fall. Du musst vielleicht auch ein gutes Gespür für Menschen haben. Oft ist es so, dass die, bei denen du meinst, dass du ihnen vertrauen kannst, dich am Ende doch hintergehen. Und du solltest einigermaßen wissen, wie man ein Raumschiff fliegt und nicht mit Vollgas auf das andere Schiff zurasen. Vielleicht braucht es auch eine gehörige Portion Draufgängertum. Ich meine, das eine oder andere Imprint wirst du sicherlich verlieren.

Das war „Standpunkt“, das Interview der Woche mit einem interessanten Gast des Empire. Unserem heutigen Gast auch weiterhin gute Geschäfte zu wünschen, ist wahrscheinlich nicht ganz passend – daher sagen wir einfach nur: Vielen Dank für das Gespräch – fliegen Sie sicher da draußen und passen Sie auf sich auf, Ihr John Brubacker.

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