– Das Jahr 2955 –
Nach dem Öffnen der Sprungtores fliegt John Brubacker gemeinsam mit seinem Freund Gabriel „Husky“ Winters in das Pyro-System – seit knapp einem Jahr wird er von dem Piraten Sean Aruhso erpresst, etwas, das Brubacker endlich hinter sich bringen will. Auch führt die Spur der Slicers, die das Stanton-System überfallen hatten, in das benachbarte Sternensystem. Doch der geplante kurze Aufklärungsflug in das Outlaw-System entpuppt sich schnell als Höllentrip ins Unbekannte. Bald kämpfen Brubacker und Winters ums nackte Überleben – ohne Aussicht auf Hilfe, eine Feuerprobe für ihre Freundschaft. Schließlich entdecken beide, dass sie mehr verbindet, als sie bisher ahnten…
- Sprung ins Unbekannte
- Schreckliche neue Welt
- Hinter dem Horizont
- Pirat Aruhso
- Gewaltmarsch
Sprung ins Unbekannte
„Kann‘s losgehen?“
Husky nickt zögerlich.
Nach Monaten der Vorbereitung wollen wir es nun endlich wagen.
Wir schweben wenige Kilometer entfernt vor dem Eingang zum Sprungpunkt nach Pyro.
Ich drücke den Schubhebel der „Shack One“ langsam nach vorn, konzentriere mich auf das große schwarze Loch im Nichts vor uns, richte das Schiff aus, dann löst sich der Weltraum plötzlich in Schwaden auf und wir fallen in eine Art Tunnel.
Wimpernschläge später sind wir mittendrin in unserem Sprung in ein anderes, fremdes Sternensystem.
Krampfhaft halte ich das Steuer fest und versuche den Wänden, oder was immer das ist, nicht zu nahe zu kommen. Es ist, als würden wir durch die Eingeweide des Universums stürzen.
Ich steuere vorsichtig nach rechts, vorsichtig nach links, versuche, eine gleichmäßige Geschwindigkeit beizubehalten.
Die Zeit scheint stillzustehen und dehnt sich gleichzeitig bis ins Unendliche.
In der Ferne meine ich einen Ausgang zu erkennen, dann jedoch windet sich der Tunnel, in dem Raum und Zeit keine Rolle spielen, wieder wie eine Schlange.
„Wir sind fast da“, brüllt Husky, doch ich verstehe ihn kaum.
Ich selbst schreie auch irgendwas, aber im Gewitter der Sinneseindrücke nehme ich es selbst kaum wahr.
Schweiß tropft mir von der Stirn.
Schließlich fallen wir ohne Vorwarnung aus dem Wurmloch.
Die Sterne sind verschwunden.
Wir sind da.
Pyro.
Wenige Tage zuvor.
Ich sitze in der Redaktion und beende meinen Artikel zu den „Slicern“.
Mein Mobiglas piept – Aruhso.
Doch er ist es nicht persönlich – sondern nur eine Sprachnachricht.
„Mr. Brubacker, ich warte noch immer. Und ich verliere nun langsam wirklich die Geduld….“
Es knistert und rauscht im Funk.
„…also bringen Sie mir endlich den verdammten Chip! Sonst kann ich für nichts mehr garantieren. Auch meine Auftraggeber…“
Aruhso hustet stark, dann bricht die Verbindung ab.
Zum Henker, welche Auftraggeber…?
Ich reiße mich zusammen, schreibe Husky eine Nachricht.
„War das der Typ, wegen dem du nach Pyro musst?“
Killer lümmelt hinter mir auf dem alten Sofa.
„Yep.“
Ich drehe mich zu ihm um.
„Dauert aber nur ein paar Tage.“
„Das sagst du jedes Mal.“
Killer blickt mich auffordernd an.
„Ich versprech`s. Ich muss nur was abgeben, danach komme ich sofort zurück. Und dann schauen wir uns die Wale auf Orison an, suchen Boomer und die Welt kann uns mal kreuzweise.“
Killer nickt.
„Wann musst du los?“
„Jetzt – und nicht wieder abhauen, okay?“
Erneut piept mein Mobiglas – diesmal ist es Husky. Die Idee mit dem Agentenleben sei eine Schnapsidee gewesen, er müsse nun dringend das System verlassen. Ich lächle. Auf ihn ist eben im Kern doch Verlass.
Wir treffen uns auf Bajini Point.
Killer und ich machen den auf ArcCorp unter Jugendlichen aktuell angesagten Ghetto-Kick bei dem man mit seinem Gegenüber die beiden Unterarme aneinanderschlägt – damit ist es besiegelt. Ich mache mir aber auch keine großen Sorgen mehr, dass er wieder stiften gehen könnte. Unsere Mondreise hat unsere Beziehung gefestigt.
Ich checke, ob der Chip mit den Daten aus dem Distributionscenter in meinem Anzug steckt, dann mache ich mich auf den Weg zum Riker Spaceport. Bevor es nach Pyro geht, will ich wenigstens einmal die Turbinen der „Shack One“ testen. Nie hätte ich in diesem Moment gedacht, dass ich für sehr lange Zeit nicht mehr in die Redaktion zurückkehren würde.
*****
Ich warte auf Bajini Point, als ich auch schon Husky im Ohr habe.
Er kommt mit seiner „Frost“.
Minuten später sitzen wir im Mannschaftsraum der Carrack – und mich beschleicht sofort wieder das alte „Crew“-Gefühl. Was haben wir mit dem vermeintlich echten hadesianischen Artefakt nicht alles erlebt. Langweilig war es jedenfalls nicht und ein wenig vermisse ich die Zeiten auch.
Husky sieht furchtbar aus – er ist unrasiert, blass, hat gerötete Augen.
„Du siehst grauenhaft aus.“
Er lächelt mich schief an.
Dann erzählt er von seinen letzten Wochen auf Grimhex. Während Friedrich, Zero und ich die Slicer verfolgt haben, ist er tief in die Piratenszene eingetaucht. Die Advocacy habe ihn so unter Druck gesetzt, dass er sich schließlich bei den Grimhexern als Agent geoutet habe.
„…und das hast du für eine gute Idee gehalten?“
„Besser, als wenn sie es allein herausgefunden hätten. Ich sollte schließlich nur etwas über die Ninetails auskundschaften…“
Ich unterbreche ihn.
„…hast du irgendwas getan, was uns noch im die Ohren fliegen kann?“
Husky runzelt die Stirn.
„Ich meine, sind irgendwelche Rechnungen offen? Plötzlich ist in Pyro auch noch halb Stanton hinter uns her.“
„Nein…also einmal musste ich beim Eintreiben von Schutzgeldzahlungen Schmiere stehen…“
„…aber umgebracht hast du keinen?“
„Nein.“
„Jedenfalls hast du es geschafft, dass du nun zwischen allen Stühlen sitzt.“
Ich lasse ihn vom Haken – ich bin ja froh, dass er mitkommt.
Ich berichte, was sein Großvater, Zero und ich über die Slicer rausgefunden und wie wir die Idris bekämpft haben. Doch auch auf Grimhex hatte sich der Großangriff der Piraten natürlich herumgesprochen. Niemand war über die Konkurrenz aus Pyro wirklich glücklich.
„Dann lass uns nach vorn schauen. Wir müssen uns ausrüsten.“
„In der Tat“, sage ich. „Ich habe noch ein wenig zu Pyro recherchiert. Giftigste Umgebungen und jede Menge Outlaws, die nicht so nett sind wie deine neuen Kumpel.“
„Ich habe auf der Frost schon alles, was ich brauche. Ich muss es nur noch auf die Shack-One umladen.“
„Okay.“
Wir verlassen den Mannschaftsraum, Husky lädt eine Transportkiste mit seinen Habseligkeiten auf die Station um, sodass wir sie dann in die „Shack One“ bugsieren können. Gemeinsam klappern wir die Shops der Station ab, kaufen dies und jenes – Verpflegung, ein paar Klamotten, mehrere Multitools und was man noch so brauchen könnte. Danach machen wir uns noch einmal auf den Weg nach ArcCorp, wo ich meinen persönlichen Kram gelagert habe.
Einmal mehr geht es zurück auf meinen Heimatplaneten, einmal mehr durchstoßen wir die dichten Wolken – und als ich in den Landeanflug übergehe, ramme ich kurz vor dem Hangar mit dem Bug des Schiffes den Boden.
„Verdammt noch eins.“
„Was war das denn?“
„Ich…äh…habe bei den Kontrollen etwas falsch justiert…so, nun sollte es gehen.“
Ich lande so vorsichtig es geht, melde die „Shack One“ zur Reparatur an, doch die Hangar-Services sind geschlossen.
„Shit. Gut, dann müssen wir wohl so zum Pyro-Jumppoint fliegen und das Schiff dort reparieren.“
Ich schnappe mir ein paar Undersuits und Schutzausrüstungen sowie Waffen, dann machen wir uns wieder auf den Weg. Soeben geht die Sonne über ArcCorp unter. Ich sauge die Atmosphäre in mich auf, dann ziehe ich die „Shack One“ an den Himmel.
Der Pyro-Sprungpunkt ist nicht weit von ArcCorp entfernt und bald sehen wir auch schon den Nebel der die Raumanomalie umgibt. Wir nähern uns vorsichtig der riesigen Raumstation, erhalten die Landeerlaubnis und nach der Landung gebe ich die „Shack One“ zur Reparatur frei.
Anschließend stehen Husky und ich auf dem Panoramadeck und blicken auf den Sprungpunkt.
Ein schwarzes Loch im Nichts.
Es hat etwas Hypnotisches, etwas Lockendes.
Mir läuft ein Schauer über den Rücken.
Warum nur haben wir uns so weit von Aruhso treiben lassen? Warum habe ich ihm nicht einfach die Meinung gegeigt und es dabei bewenden lassen? Wenn ich ehrlich bin, ist es auch ein wenig die Abenteuerlust, die uns hierher gebracht hat.
Morgen ist es soweit.
So schlimm wird es schon nicht werden in Pyro.
Nie wieder sollte ich mich so irren.
Dann trennen wir uns – noch einmal Energie tanken in unseren EzHubs.
Erneut piept mein Mobiglas – Zero.
Alle zieht es nach Pyro.
Ich antworte ihm kurz und noch während ich tippe, piept es gleich noch einmal.
Diesmal sind es nur drei Zeilen.
„Mr. Brubacker, viel Glück. Seien Sie vorsichtig. Trauen Sie niemandem. S.“
Smith.
*****
Wir blicken uns um.
Der Weltraum ist in rötliches Licht getaucht. Es sieht aus wie der Vorhof zur Hölle.
Auch wenn der Sprung nur ein paar Minuten gedauert hat – Stanton ist nun viele Lichtjahre entfernt. Alles, was wir dort erlebt haben, ist nur noch eine ferne Erinnerung.
Wir sind in einer neuen Welt.
„Wohin jetzt?“
Ich blicke auf die Karte.
Pyro ist groß – verdammt groß, doppelt so groß wie Stanton. Jeder Schritt will ab sofort gut geplant sein.
„Wollen wir gleich zu Aruhso?“
„Eins nach dem anderen.“
Ich schlage eine Station mit Namen „Rod N Fuel & Supplies“ vor, die auf halbem Wege nach Adir liegt.
„Sie gehört den Citizens for Prosperity. Dort dürften wir erstmal sicher sein.“
Husky blickt mich fragend an: Ich erkläre ihm, was es mit der Gruppe auf sich hat.
Dann machen wir uns auf den Weg durch unbekanntes Terrain.
Schreckliche neue Welt
Mein Herz schlägt mir bis zum Hals.
Ich gebe Vollschub – möglichst schnell weg vom Sprungpunkt, wo Piraten gern mal Neuankömmlingen auflauern.
Wir gehen in den Quantumflug über – Pyros Sonne wird zu einem verwischten Fleck, ein so genannter Flare-Stern, der innerhalb weniger Minuten einen dramatischen Helligkeitsanstieg erfahren kann und dabei starke Strahlungsausbrüche freisetzt. Diese Solarbursts verbrennen dann alles, was nicht sofort Schutz sucht.
Ein sterbendes System mit einem sterbenden Stern.
Schließlich erreichen wir die Station. Wir trauen unseren Augen nicht – sie ist ein fliegender Schrotthaufen und sieht aus, als sei sie in der Mitte geradewegs durchgebrochen.
„Kann man darauf überhaupt atmen?“
Husky ist wie ich erschüttert.
„Keine Ahnung. Das müssen wir herausfinden.“
Wir umkreisen die Station mehrfach – aber es wird nicht besser. Überall ragen tragende Teile wie Knochen aus der Station raus, als würde man auf ein Skelett blicken, von dem das Beste bereits abgenagt ist. Bruchteile und Fragmente schweben vor der Station.
„Dennoch sind wir auf ihr erstmal sicherer, als hier draußen – denke ich zumindest.“
„Okay, dann lass uns landen. Mal schauen, was uns drinnen erwartet.“
Je näher wir der Station kommen, umso heruntergekommener wirkt sie – und auch nach der Landung wird es im Innern nicht besser. Im Hangar sind Verkleidungen abgerissen, es ist dunkel und feucht. Überall prangen hässliche Graffities.
„Hau ab, so lange du noch kannst“, heißt es auf einem.
Der nächste Schock folgt sofort: der Fahrstuhl in die Lobby. Er sieht aus, als würde er jeden Moment in sich zusammenfallen. Ich traue mich kaum einzusteigen, weil ich Angst habe, durch den Boden zu brechen.
„Wo sind wir hier nur gelandet?“
Mit meinem schneeweißen Undersuit-Anzug leuchte ich wie ein Fremdkörper, wie ein Alien aus einer fremden Welt. Kurz vor unserem Abflug hatte uns die Pyrogate-Station mitgeteilt, dass unsere Kisten irrtümlich auf ein anderes Schiff geladen worden waren. Husky hatte noch Ersatz, ich aber aber musste im örtlichen Shop einen Standard-Strampler kaufen. Nun sehen wir aus wie Weltraum-Touristen mit einem fetten Fadenkreuz auf der Stirn.
„Wir brauchen schleunigst etwas anderes anzuziehen, wenn wir hier auch nur fünf Minuten überleben wollen.“
Ich blicke mich um – wenn die „Citizens for Prosperity“ aus Pyro wirklich ein ordentliches System machen wollen, so liegt eine unfassbare Aufgabe vor ihnen. Bereits auf dieser Station hätten sie unendlich viel zu tun. Wo wir auch hinblicken, alles wirkt uralt, schrottreif.
An mehreren Ecken brennen offene Feuer, an denen sich Menschen wärmen.
„Dagegen ist Grimhex ein Kurort“, sage ich zu Husky.
Wir laufen über die Station, als Husky plötzlich vor einem Imbiss steht.
„Nicht zu fassen, die essen hier Ratten.“
Ich blicke auf die verschmorten kleinen Tierkörper und schlucke meinen Ekel runter.
„Hast du schon mal eine probiert?“
„Nein. Habe ich auch nicht vor. Habe noch ein paar Burritos dabei.“
Schließlich finden wir einen Shop, der wie alles auf dieser Station aus dem letzten Loch pfeift, uns aber zwei schäbige Shirts und Hosen verkauft. Ab sofort sind wir im abgerissenen Partnerlook unterwegs.
Husky sieht so fertig aus, er könnte glatt als Einheimischer durchgehen.
„Wohin jetzt?“
„Schauen wir uns einfach noch ein wenig um.“
Wir stolpern über Drogensüchtige, die sich zugedröhnt ihrer Sucht hingeben. Überall liegen angefaulte Essenpackungen und leere Alkoholflaschen. Wir schlendern kreuz und quer über die Station, aber der erste Eindruck bleibt.
Unrat, Dreck und Selbstaufgabe, wohin man blickt.
„Scheint ein altes Überbleibsel von Pyrotechnic Amalgamated zu sein“, sagt Husky schließlich.
„Wer?“
„Pyrotechnic Amalgamated. Haben Ressourcen im System abgebaut Ist aber schon 400 Jahre her. Waren irgendwann pleite und haben einfach alles zurückgelassen. Seitdem streiten sich die Banden drum wie Hunde um einen alten Knochen.“
„Erklärt einiges.“
„Lass uns mal die nächste Bar ansteuern und einen Schlachtplan entwerfen.“
Die Bar ist gut besucht, aber wie alles auf der Station zusammengeschustert. Wir hauen uns auf das nächstbeste, speckige Sofa.
„Wir müssen nach Pyro IV, da in der Nähe ist auch Adir“, sagt Husky während er auf seinem Mobiglas rumtippt. „Da gibt’s wohl eine Insel mitten im Ozean und auch diese komischen Citizens.“
Ich nicke matt.
„Klingt gut für mich.“
„…übrigens habe ich keine Kohle mehr. Ich müsste dringend Geld verdienen.“
Ich mache kurz die Augen zu. Ich muss das alles erstmal verdauen.
Pyro, wir sind tatsächlich in Pyro.
Ich ahne, Aruhso wird unser geringstes Problem werden.
*****
Um mich herum wird geschluchzt, gejammert, teilweise geschrien.
Irgendwann kann ich es nicht mehr ignorieren.
Es sind die Albträume, die die Menschen in Pyro plagen.
Ich stehe auf und blicke mich in meiner Unterkunft um.
Ein dreckiges Loch, anders kann man es nicht nennen.
Ich habe in meinen Klamotten geschlafen, wer weiß, ob wir nicht von einer Sekunde zur nächsten fliehen müssen. Wer weiß, wer uns hier alles ans Leder will….
Ich verlasse mein EzHub, Beine vertreten.
Husky schläft eine Tür weiter.
Alles ist ruhig, die Flure sind leer, die Hallen verlassen, es ist mitten in der Nacht.
Abends kriecht jeder in sein kleines Loch.
Das Licht flackert.
Ich laufe über die scheinbar verlassene Station und schaue mich um. Wie kann man nur freiwillig in diesem Dreck leben? Müll, wohin man sieht, Wasser läuft von den Wänden. Blanke Kabel ragen aus Decken. Ich werfe einen Blick in die Waschräume und Toiletten – und bereue es sofort. Es ist so versifft, dass mir die Worte fehlen.
In einem Hinterzimmer stoße ich auf lauter Drogen.
Soviel zu den guten „Citizens for Pyro“.
Ich laufe an einer verschlossenen Tür vorbei hinter der leise Stimmen zu hören sind. Die finster drein blickende Wache scheucht mich mit einer beiläufigen Handbewegung weiter.
Ich betrete die Bar, die offenbar rund um die Uhr geöffnet ist. Eine einsame, junge Frau steht am Tresen. Ich geselle mich zu ihr.
„Alles klar?“, frage ich.
Demonstrativ dreht sie den Kopf weg.
„Verschwinde.“
Ich beschließe, eine kleine Runde in der „Shack One“ zu drehen. Jetzt, mitten in der Nacht, wird mir wohl keiner auflauern.
Ich cruise ein weiteres Mal um die Station. Es ist ein Wunder, dass sie nicht einfach in sich zusammenfällt. In der Luft hält sie nur noch Spucke, Tape und guter Wille.
Irgendwann reicht es mir – ich lande wieder und kehre zurück in mein verdrecktes EzHub.
Ich schließe die Augen und versuche das Jammern auszublenden.
Hier will ich keine Sekunde länger bleiben als unbedingt nötig.
Hinter dem Horizont
Ich wache wie gerädert auf.
Irgendwo hinter einer Verkleidung hat es die ganze Nacht getropft – chinesische Wasserfolter auf pyroanisch.
Ich recke mich und treffe Husky direkt vor dem, was man auf dieser heruntergekommenen Station eine Schlafkoje schimpft.
„Lass uns abhauen.“
„Erst sollten wir uns noch was Richtiges zum Anziehen besorgen.“
„Einverstanden.“
Wir laufen zum Klamottenladen und ich kaufe für uns beide die nächstbeste Ausrüstung. Wenn etwas in Pyro nicht zählt, ist es wohl fashion-style.
In einer dunklen Ecke findet Husky eine riesige Kiste voller Altrucia – Drogen.
„Wenn`s dich nicht stört, nehmen wir die mit. Können wir sicher gut zu Geld machen…“
Ich zucke mit den Schultern – warum soll man sich nicht in einem gesetzlosen System auch mal ein wenig gesetzlos verhalten? Hier ist sich ohnehin jeder der nächste. Wir ziehen uns um und machen uns auf den Weg zum Schiff. Husky fliegt, ich checke, wohin wir müssen.
Pyro IV – eigentlich ein Planet mit eigener Umlaufbahn, vor Milliarden Jahren aber aus seiner Umlaufbahn geworfen und nun ein Mond des Gasriesen Pyro V. In seiner Umlaufbahn befindet sich auch der Mond Adir. Während Husky in den Quantumjump übergeht, lese ich nach und erzähle von der Kollision.
„Das ist krass. Damals wurde fast seine gesamte Atmosphäre weggblasen. Mittlerweile hat sich aber eine neue gebildet. Eines Tages wird Pyro IV laut Wissenschaftlern zu einem Ring zerfallen oder in den Gasriesen stürzen.“
Ich grinse: Das wäre etwas für Killer.
„Dann beeilen wir uns lieber.“
Schnell kommt auch schon der gelb-grünliche Gasriese in Sicht. Er hat gewaltige Dimensionen, ähnlich Crusader. Wir fliegen mit einem Swing-By vorbei und springen nach Pyro IV.
„Schon komisch: Manche Planeten haben Namen, andere nur Bezeichnungen.“
„Vielleicht war einfach noch keiner da, der ihm einen Namen geben wollte.“
Als wir schließlich Pyro IV erreichen, bin ich sofort verliebt – der Planet ist wunderschön, hat eine ganz eigentümliche Färbung, schimmert türkisblau mit roten Einsprengseln.
„Wow, lass uns tiefer gehen.“
Für einen Moment vergessen wir, dass wir uns in einem hochgradig gefährlichen System bewegen. Husky taucht in die Atmosphäre ein und bald gleiten wir über rötliches Gestein, das scharfkantig aussieht, marmoriert und beinahe irgendwie künstlich. Schließlich fliegen wir über eine weite ebene Fläche.
„Lass uns unseren ersten Fußabdruck in einem fremden System setzen.“
Ich bin aufgeregt, vergesse für einen Moment einfach alles, was war. Es ist in der Tat ein besonderer Augenblick.
Husky setzt die „Shack One“ sanft auf, dann stehen wir auf dem unbekannten Planeten. Über sein Mobiglas checkt er die Atmosphäre, dann wagen wir es, nehmen unsere Helme ab und atmen tief ein.
Die Luft ist kalt und frisch.
Ich blicke mich um. Pflanzen, die ich noch nie zuvor gesehen habe, ähnlich einem Kaktus, aber ohne Stacheln und große Grashügel wachsen ganz in der Nähe.
Übermütig werfe ich mich mitten ins Gras hinein.
„Weißt du, das ist es doch… Neues entdecken. Was erforschen. Sich an Unbekanntem freuen. So ein Reporter möchte ich sein. Nicht den ganzen Mist, den wir erlebt haben…“
Eine Brise weht über die weitläufige Landschaft. Am Horizont sind Berge zu sehen.
Wir laufen ein wenig umher, genießen die Einsamkeit, die Schönheit des Planeten, der in ferner Zukunft dem Tod geweiht ist. Husky entdeckt einen Baum, dessen Stamm fast waagerecht gewachsen ist. Flugs ist er drauf geklettert.
„Ey, ich will auch mal.“
Ich schubse ihn zur Seite.
„Bist du früher auch so gern auf Bäume geklettert?“
„Na logisch.“
Ich mache einen Schnappschuss, wie er als Eroberer auf dem Baum steht.
„So bleiben. Okay, hab’s. Cool.“
Irgendwann haben wir uns ausgetobt.
„Wie heißt der Ort, zu dem wir wollen gleich noch mal?“
„Chawlas‘s Beach.“
„Ach ja.“
„Let’s go. Die Sonne geht schon unter.“
„Okay.“
Husky fliegt weiter, auch wenn es mich in den Fingern reizen würde, über meinen ersten Planeten selbst ein wenig zu cruisen. Es wird noch genug Gelegenheiten geben. Nach rund 200 Klicks erreichen wir den Ort, der sich aus der Luft als recht große Siedlung entpuppt.
„Wir landen besser ein wenig abseits und erregen erstmal so wenig Aufmerksamkeit wie möglich.“
Der Ernst der Situation hat uns wieder.
„Yep.“
Husky bringt das Schiff in einer Senke runter, dann machen wir uns auf den Weg. Die große Siedlung ist von mehreren kleineren umgeben und als wir uns der ersten nähern, entdecken wir auf dem Dach lauter hochgerüstete, vermummte Typen mit Maschinenpistolen im Anschlag.
„Ich glaube nicht, dass das die Citizens for Prosperity sind.“
„Ich auch nicht.“
„…und da hinten steht eine Polaris am Himmel. Ich glaube auch nicht, dass das etwa Gutes zu bedeuten hat.“
Husky schüttelt stumm den Kopf.
Wir schleichen durch hohes Gebüsch, suchen immer wieder Deckung hinter Felsbrocken.
„Wollen wir uns vielleicht trennen, um das Gebiet schneller zu erkunden?“
„Gut.“
Ich erklimme einen Hügel, auf dem große Windränder stehen, beeindruckende Konstruktionen, die stoisch ihre Runden drehen. Plötzlich höre ich Schüsse – die Polaris hat aus dem Nichts das Feuer eröffnet.
„Bru…verdammt.“
„Husky, wo bist du?“
„…in dem Gebäude, das die Polaris soeben unter Feuer genommen hat.“
„Was?!“
Ich werfe mich ins hohe Gras. Vor meinen Augen spielt sich ein Drama ab – die Polaris bringt mit gezielten Feuerstößen alle um, die sich auf dem Dach befinden.
„Husky, Husky?“
„Bin noch hier“, kommt es im Funk schließlich zurück.
„Wo bist du?“
„Habe mich im Dach verschanzt. Die Decke ist aus dickem Beton.“
Eben noch haben wir die Schönheit des Planeten genossen, nun liegen wir unter Feuer. Der Schütze an Bord der Polaris scheint es ganz genau wissen zu wollen – ohne Unterlass beharkt er mit den riesigen Geschützen das Gebäude. Nicht mehr lange, dann wird über Husky die Decke einstürzen. Ich will die Hoffnung schon aufgeben, als die Polaris plötzlich abdreht.
„Husky?“
„Ich lebe noch.“
Ich krieche geduckt von meinem Hügel herunter, dann renne ich zu ihm, klettere die Leiter des Gebäudes hoch – und stolpere über lauter Leichen.
„Was zum Teufel ist hier los?“
„Keine Ahnung“, antwortet Husky sichtlich geschockt.
Offenbar sind wir mitten in einen handfesten Bandenkrieg geraten.
„Wir müssen zur Siedlung. Dort finden wir am ehesten Deckung.“
„Alles klar.“
Die Polaris ist am Himmel für den Moment nicht auszumachen. Wir rennen über die flache Ebene, die zwischen dem soeben beschossenen Gebäude und der Siedlung liegt, dann erreichen wir so etwas wie Wachtürme.
„Erstmal die Lage checken“, sagt Husky und klettert hinauf.
Ich klettere hinterher und blicke mich um.
„Es hilft nichts, wenn wir mehr rausfinden wollen, so müssen wir tiefer rein.“
Wir rutschen die Leiter wieder hinab und schleichen durch den fremden Ort. Draußen ist niemand zu sehen.
„Alles verlassen.“
„Das hat bestimmt auch nichts Gutes zu bedeuten.“
Wir betreten das erste Gebäude und plötzlich pflastern erneut lauter Leichen unseren Weg.
„Hier hat ein Massaker stattgefunden“, sagt Husky leise.
Pyro macht seinem Namen alle Ehre.
Ich entdecke Menschen, die sich offenbar versteckt hatten und nun wie paralysiert durch die Gebäude schleichen.
„Hallo? Was ist hier passiert?“
Keine Antwort.
Die Bewohner stehen augenscheinlich unter Schock.
Was sich hier auch ereignet hat – es kann noch nicht lange her sein.
Wir zücken unsere Waffen und wagen uns weiter vor. Es ist überall das gleiche Bild.
In einem Serverraum bietet sich uns ein besonders schrecklicher Anblick – eine junge Frau wurde offenbar ohne Vorwarnung hinterrücks kaltblütig erschossen. Als würde sie gleich wieder aufstehen, sitzt sie mit tropfender Kopfwunde auf ihrem Stuhl.
Ich stolpere fassungslos über lauter Kabel am Boden, als es auch schon passiert – ein Stromstoß jagt mir durch den Körper, der mich sofort zu Boden gehen lässt.
In der Ferne höre ich Huskys Stimme.
„Bru…Bru…?“
Anscheinend bearbeitet er mich mit einer Medipistole und nach ein paar Minuten kann ich wieder sehen.
„Was war das denn?“
„100.000 Volt.“
Ich schüttele mich.
Husky kann seinen Blick unterdessen nicht von der erschossenen jungen Frau nehmen.
„Wir müssen…“
„…keine Chance“, hake ich ein. „Wer weiß, ob sie noch mal wiederkommen. Ich wette, die Polaris gehört auch zu denen.“
Vorsichtig schleichen wir weiter durch die Siedlung – im Grunde ein schöner Ort an einem malerischen Fleckchen. Ich wette, hier sind wir richtig bei den „Citizen for Pyro“, nur dass ein großer Teil von ihnen hingerichtet wurde.
„Wer macht so etwas nur?“
„Vielleicht Slicers“, gebe ich zurück.
Es ist ein spontaner Gedanke, pure Theorie, aber denen ist alles zuzutrauen.
Plötzlich höre ich Husky schreien – auf ihn wird geschossen.
Ich renne zu ihm, mit letzter Kraft hat er seinen Gegner besiegt.
„Verdammt noch mal.“
Wir klettern auf das Dach des Gebäudes und geraten abermals unter Feuer.
Die Angreifer sind immer noch vor Ort, wahrscheinlich sichern sie das Gelände.
„So das reicht, weg hier!“, sage ich. „Sonst geraten wir nur zwischen die Fronten.“
Husky nickt.
Es ist keine Sekunde zu spät, denn in diesem Augenblick taucht die Polaris wieder am Himmel auf.
„Es ist noch nicht vorbei.“
Abermals sprinten wir über die flache Ebene, nutzen jede nur erdenkliche Deckung, dann erreichen wir die „Shack One“, die wundersamer Weise noch nicht angegriffen worden ist. Wir springen auf die Pilotensitze und Husky legt einen Alarmstart hin.
Nur Momente später sind wir auf und davon.
„Wohin jetzt? Zurück zur Station?“
„Bloß nicht.“
Unter uns zieht eine wunderschöne Bucht dahin.
„Lass uns einfach hier runtergehen.“
Soeben geht Pyros Sonne auf.
„Ich habe zwei Rust besorgt.“
„Was ist das?“
„Das örtliche Bier.“
Mir ist eigentlich nicht nach Anstoßen. Vielleicht ist es aber auch die einzige Möglichkeit, dem Wahnsinn zu trotzen. Wir landen, nehmen einen Schluck, aber es schmeckt wie Abwaschwasser. Fast zeitgleich spucken wir es wieder aus.
„Himmel, was ist das denn..?“
Dann blicken wir auf die wunderschöne Sonne, die sich langsam aus dem Ozean schält.
So viel Schönes, so viel Schreckliches dicht beieinander.
Es überfordert meinen Verstand.
Pirat Aruhso
Ich habe geschlafen wie ein Baby.
Es gibt eben nichts Besseres, als weit draußen unter freiem Himmel im eigenen Schiff zu übernachten. Die grauenhafte Station und ihre hoffnungslosen Bewohner habe ich schon fast verdrängt.
Husky schläft in der Koje über mir. Auch er ist richtig weggebrochen – zu viele Eindrücke und zu viel Adrenalin in zu kurzer Zeit. Jetzt holt sich der Körper, was er braucht.
Ich klettere aus der Koje und laufe in das Heck des Schiffs. Ich lasse die Rampe herunter, strecke mich, laufe barfuß ein paar Schritte zur Kante der Steilküste und blicke hinaus auf das Meer.
Der Himmel ist blutrot.
Alles ist friedlich.
Das furchtbare Massaker von Chawla‘s Beach – habe ich das nur geträumt?
Ich kehre zum Schiff zurück.
Husky kommt mir entgegen.
„Gut geschlafen?“
Er nickt müde.
„Heute ist der große Tag….Aruhso….bringen wir es hinter uns.“
Husky nickt abermals, dann dreht er sich um.
„Ich fahre gleich das Schiff hoch.“
Aruhso, schnell rein und wieder raus, das ist die Devise – und dann ab nach Hause. Ich ziehe mir einen Undersuit und zur Sicherheit auch gleich die Rüstung an und geselle mich zu Husky ins Cockpit.
„Da ist noch ein zweiter Außenposten auf diesem Planeten. Sacrens Plot oder so ähnlich.“
Husky gähnt und studiert die Karte auf seinem Mobiglas.
„Da würde ich vorher gern noch einen Zwischenstopp einlegen, vielleicht ein paar Vorräte kaufen.“
„Klar, wie du meinst.“
Ich lasse Husky erneut fliegen, das weckt die Sinne. Auch hat er sich auf der „Shack One“ mittlerweile eingegroovt. Es ist nur ein Katzensprung, dann kommt die Siedlung auch schon in Sicht. Sie liegt am Fuß eines Berges am Meer und scheint nicht sonderlich groß zu sein.
„Wir bleiben besser wieder ein wenig außerhalb.“
„Yep.“
Nachdem Husky das Schiff sicher auf einem erhöhten Plateau gelandet hat, marschieren wir zu dem Außenposten, der aber nur ein kleines Frachtterminal ist.
Ein einsamer Ort. Wir schauen uns um.
„Hier finden wir nichts“, sage ich.
Plötzlich hören wir ein Schiff.
„In Deckung!“
Kaum haben wir Schutz gesucht, fliegt an uns im Tiefflug auch schon eine andere Zeus vorbei.
„Wo will die denn hin?“
Wir blicken ihr aus unserer geschützten Position nach, dann entdecken wir zwischen zwei Felsen eine Art Canyon. Ein Weg führt hindurch.
„Ich glaube, die eigentliche Siedlung liegt da oben.“
Zwischen hoch aufragenden Felsen laufen wir den Pfad hinauf – und in der Tat: Bald stehen wir in einer Siedung, die in ein kleines Tal gequetscht wurde. Wie ein drohender Schatten steht die fremde Zeus am Himmel. Dann eröffnet sie ohne Vorwarnung plötzlich das Feuer auf die Passanten auf dem Vorplatz.
„Heilige Scheiße.“
Erneut findet direkt vor unseren Augen und aus nächster Nähe ein Massaker statt. Wir kauern in einem Gewächshaus, während nur ein paar Meter entfernt Menschen sterben. Der Pilot der Zeus tobt sich gnadenlos aus – alles geht so schnell, dass jegliche Gegenwehr schon im Keim erstickt wird. Schließlich liegen nur wenige Meter entfernt lauter Tote.
Zweimal innerhalb weniger Stunden werden wir Zeugen eines brutalen Überfalls. Die Zeus schwebt durch die Canyon-Siedlung und hinterlässt eine Schneise der Verwüstung.
Das Gewächshaus ist kein gutes Versteck. Wir wechseln unsere Position – just in dem Moment erfassen uns die Scheinwerfer des Angreifers. Ich rufe etwas, doch meine Schreie gehen im Lasergewitter unter. Ich nehme benommen wahr, wie Husky wenige Meter vor mir zusammenbricht.
Er ist getroffen worden.
Vor Schock kann ich mich eine Sekunde nicht rühren – dann hechte ich in Panik in den nächstbesten Schatten, keinen Moment zu spät, denn wo ich noch einen Augenblick zuvor gestanden hatte, schlagen nun ebenfalls die Laser der Zeus ein.
Ich mache mich so klein wie möglich, höre wie Husky stöhnt.
Noch ist er nicht tot.
„Bru…“
Er atmet schwer.
„…ich kann mich nicht rühren.“
„Warte, ich habe einen Medipen. Bleib liegen.“
Die Zeus schwenkt gut 20 Meter von uns entfernt die Nase hin und her, sie sucht uns.
Ich krieche im Schatten zu Husky und jage ihm den Pen in den Arm.
Keine Wirkung – er ist leer.
„Verdammt. Auf dem Schiff haben wir noch eine Medipistole. Ich hole sie.“
Ich packe Husky an seinem Anzug und ziehe ihn in die dunkelste Ecke, zwischen Gewächshaus und Felsen.
Husky murmelt etwas Unverständliches.
Im Schatten renne ich den Weg zurück. Bald gerate ich außer Atem, schließlich kann ich nicht mehr, mein Mobiglas zeigt: Meine Herzfrequenz ist bei 150. Ich blicke hinauf auf das Plateau, wo die „Shack One“ steht. Ich gebe mir einen Ruck und zwinge mich weiterzulaufen. Schließlich stapfe ich mit schweren Schritten den Hügel hinauf. Das Schiff ist unversehrt – Gott sei Dank. Schnurstracks hole ich die Medipistole und mache mich sofort auf den Rückweg.
Ich stolpere durch das hohe Gras.
Die Dunkelheit schützt mich vor Entdeckung. Bald habe ich Husky wieder erreicht und gebe ihm die passende Dosis. Nach ein paar Augenblicken richtet er sich auf.
Die Killer-Zeus ist nach wie vor da. Augenscheinlich findet der Pilot aber niemanden mehr, den er umbringen kann. Er scheint noch einmal die Lage zu checken, dann zieht das Schiff wie ein Raubvogel, der seine Beute zum Sterben zurücklasst, schließlich an den Himmel und ist auf und davon.
Wir blicken uns einen Moment stumm an.
„Und jetzt?“
„…tun wir, weshalb wir hergekommen sind.“
Wir laufen an den Getöteten vorbei, die eben noch ihren Geschäften nachgingen und dringen weiter ins Innere der Siedlung vor. Wir öffnen ein Schott und ich blicke mich um. Anscheinend hat man drinnen von der Attacke nicht viel mitbekommen. Kein Wunder: Die Stahl-Beton-Wände schirmen alles ab.
„Leute, draußen da haben eben…“, beginne ich.
„Wissen wir“, entgegnet mir ein Siedler nüchtern. „Macht es nicht zu eurem Problem.“
Meine Augen wandern durch den Raum auf der Suche nach Husky.
„Ich bin hier hinten.“
Er checkt die Schränke.
„Zu essen haben sie nicht viel und außerdem haben sie gerade auch ein paar andere Sorgen…“
Wir durchstöbern die Gebäude, aber außer ein wenig Getreide haben sie nichts im Angebot.
„Lass uns zu Aruhso und dann nichts wie weg hier.“
Husky nickt stumm.
Wir laufen erneut an den sechs getöteten Personen vorbei, kehren bedrückt auf die „Shack One“ zurück. Zwei so große brutale Überfälle auf Zivilpersonen innerhalb weniger Stunden…das ist kein Zufall mehr. Ich bin überzeugt: Da steckt mehr dahinter – viel mehr. Husky startet die Maschinen und nach wenigen Minuten sind wir auf dem Weg nach Adir. Ich sitze auf dem Co-Pilotensitz und schalte den Peilsender auf.
„Ich habe ein Signal.“
„Dem folgen wir.“
Husky geht tiefer, dann hat uns Adir in seinem Bann – ein Mond ohne schützende Atmosphäre, eine von Kratern übersäte fremde Welt. Hohe, scharfkantige Bergspitzen glitzern in der Ferne, während wir in einem weitläufigen Tal niedergehen.
„Das perfekte Versteck“, sage ich. „Ich frage mich nur, warum Aruhso den ganzen Aufwand überhaupt betrieben hat?“
Husky zuckt mit den Schultern, blickt stattdessen konzentriert auf das Peilsignal. Schließlich entdecken wir eine Siedlung, vielmehr eine Schrotthalde.
„Mr. Aruhso, können Sie mich hören?“
Keine Antwort.
„Mr. Aruhso…wir sind gleich da und haben dabei, was Sie möchten.“
Funkstille.
Husky landet und wir machen uns auf den Weg, jeden Felsen als Deckung nutzend. Die Siedlung erweist sich schließlich in der Tat als reine Schrotthalde. Überall lodern Feuer.
„Mr. Aruhso?“
Wir laufen kreuz und quer durch die Müllhalde.
Nichts.
Schließlich entdecken wir einen Toten – doch der sieht dem Piraten nicht im Entfernesten ähnlich.
„Das ist er nicht.“
„Vielleicht sind wir hier falsch“, mutmaßt Husky.
„Glaube ich nicht. Das ist bestimmt der richtige Ort.“
„Dann weiter.“
Mehrfach rufe ich Aruhsos Namen, klettere kreuz und quer umher.
Schließlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Die halb zerstörten Gebäude sehen original so aus, wie diejenigen, die wir in Stanton gesehen hatten. Wir hatten den richtigen Riecher, verdammt, wir hatten mit allem Recht. Es gab früher Siedler in Stanton – und sie kamen aus Pyro. Hier haben wir nun den ultimativen Beweis.
Ich denke an Zero und frage mich, wie es ihm derzeit wohl ergeht.
„…hast du ihn gefunden?“
„Nope.“
Husky klettert auf einen Turm, schaut sich von oben um.
Dann entdecke ich Aruhso nahe einer Feuerstelle. Er liegt mit dem Gesicht auf dem Boden aber er ist es – unverkennbar.
Und: Er ist tot.
Ich stehe sprachlos vor ihm.
„…ich habe ihn.“
Husky eilt zu mir.
Gemeinsam blicken wir auf den toten Piraten, der uns über zwei Jahre das Leben schwer gemacht hat. Er hat sein Leben ausgehaucht, einsam, im Dreck.
„Was ist hier geschehen?“
„Keine Ahnung.“
„Hast du eigentlich die ganzen Explosiv-Kanister gesehen, die hier gelagert werden?“
„Hm?“
Ich bin immer noch in Gedanken.
„..na, die roten Kanister.“
Husky schießt auf einen und der laute Knall lässt mir einen gehörigen Schrecken in die Glieder fahren.
„Sag mal, spinnst du?!“
„Hattest du nicht von Explosiv-Stoffen geschrieben, mit denen die Slicer Attentate in Stanton planen wollten?“
Ich blicke Husky an.
„Ist wahrscheinlich das gleiche Zeug. Hat man hier vielleicht umgeladen.“
„Husky, ich bin gerade nicht ganz auf der Höhe….“
„…das könnte doch bedeuten, dass Aruhso ein Slicer war oder…“
„…oder zumindest für sie gearbeitet hat“, bringe ich den Satz zu Ende, nachdem ich verstanden habe, worauf er hinaus will.
Husky nickt.
Ich denke an Aruhsos Aussage in seinem letzten Funkspruch, dass seine Auftraggeber langsam ungeduldig werden würden.
„…und die ganze Aktion mit der Carrack war eine Späher-Aktion um den Fuß in die Tür von Stanton zu bekommen. Quasi ein trojanisches Pferd.“
„Klingt verrückt, aber irgendwie auch logisch. Und was ist mit dem Chip?“
„Da ist vielleicht etwas drauf, was für die Slicer ungeheuer wichtig ist, aber weil Aruhso nicht rechtzeitig geliefert hat….“
„…haben sie ihn erschossen.“
Ich blicke auf Aruhso. Es würde alles passen.
Wir laufen noch ein letztes Mal durch die Siedlung, aber mehr hat sie uns nicht zu erzählen.
Wie ein Menetekel geht in diesem Moment am Horizont Pyros Gasriese unter.
„Wir sollten mal checken, was auf dem Stick ist“, sagt Husky, während wir zurück zum Schiff laufen.
Ich schüttle vehement den Kopf.
„Auf keinen Fall, den schließe ich nicht an die Schiffssysteme an.“
Wir erreichen die „Shack One“, setzen uns und atmen tief durch.
Husky blickt mich auffordernd an.
„Also gut.“
Ich nehme den Stick und stecke ihn in das Engineering-Terminal.
Ein paar undefinierbare Zeilen fliegen über den Monitor, sonst passiert nichts.
„Nicht sonderlich spektakulär.“
Wir warten noch ein paar Sekunden, aber es geschieht weiterhin nichts.
„Ab nach Hause.“
Husky fährt das Schiff hoch, gibt in den Navigationscomputer als Ziel das Sprungtor nach Stanton ein und wir machen uns auf den Weg.
„Hey, das Schiff versucht irgendwohin Kontakt aufzunehmen…“
„Was?“
„Auf meinem Monitor steht immer: Verbindung nicht möglich. Außerhalb der Reichweite.“
„Verstehe ich nicht.“
„Ich auch nicht. Egal. Lade Quantumdrive.“
Ich lehne mich zurück, schließe die Augen. Der Quantumflug zum Sprungtor sollte eine Weile dauern – ein paar ruhige Minuten, um alles sacken zu lassen. Doch nach wenigen Sekunden werden wir abrupt aus dem Quantum gerissen.
Vor uns schwebt ein unbekannter Mond.
„Himmel, was ist passiert?“
Huskys Finger fliegen über die Konsolen.
„Wir probieren es noch mal.“
Das Schiff springt erneut, nur um kurz darauf wieder aus dem Quantum zu fallen.
„Husky?“
„Ich…keine Ahnung.“
Dann trifft es uns wie der Schlag.
Wir haben die „Shack One“ mit einem Virus infiziert.
Gewaltmarsch
Ich schlage mit der Hand auf die Konsole.
„…das kann nicht wahr sein.“
Krampfhaft versuche ich mich wieder zu beruhigen.
„Okay, der Reihe nach…was ist das für ein Mond dort vorn?“
Husky checkt die Karte,
„Wenn mich nicht alles täuscht…Fuego.“
„Okay. Versuchen wir, dort heil runterzukommen, dann sehen wir weiter.“
Husky nickt atemlos.
In den nächsten Augenblicken gehen die Antriebe mehrfach an und wieder aus. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie dem sonst so coolen Rennpiloten Gabriel Winters der Schweiß auf der Stirn steht.
„Bru….ich…wir….was passiert hier?“
„Ich weiß es nicht“, fahre ich ihn hart an, „ständig fragst du mich…“
Weiter komme ich nicht.
Fuego kommt rasend schnell näher.
Wir stürzen ab.
Ich schließe die Augen.
****
Als ich es wage, sie wieder zu öffnen, steht die „Shack One“ auf einem leichten Abhang. Keine Ahnung wie, aber Husky hat sie sicher runtergebracht – vom Co-Pilotensitz aus. Er muss noch im letzten Moment das Schiff hochgerissen und die Landestelzen ausgefahren haben.
Wir blicken uns stumm an.
„Lass uns die Systeme checken.“
Ich nicke.
Wir fahren sämtliche Wandpaneele hoch, hinter denen die Aggregate der „Shack one“ verstaut sind. Alles sieht auf den ersten Blick gut aus. Nirgendwo brennt es.
„Hier auf dem Monitor sieht man, dass die Energie irgendwie umgeleitet wird…“
Husky hat dafür viel mehr den Blick als ich.
„Ah…okay.“
Ich bin frustriert und stocksauer zugleich – die verdammten Schiffshersteller! Sie verkaufen einem ihre schnieken Schiffe in ihren Hochglanz-Showrooms, aber wehe es geht etwas schief: Hier draußen, im Nirgendwo, sieht die Sache dann ganz anders aus. Da starrt man dann darauf wie ein Schwein ins Uhrwerk.
„Zieht vielleicht die Energie ab, um die Sendeleistung zu erhöhen.“
Ich verstehe kein Wort.
„Husky…“
„…hast doch gesehen: Das Schiff hat versucht, irgendwohin Kontakt aufzunehmen.“
Ich bin mit meinem Latein am Ende.
„…sonst scheint aber nichts kaputt zu sein.“
„Tolle Landung übrigens.“
„Danke.“
Husky grinst mich an.
„Erfahrungen aus meinem Rennflieger-Leben. Alles auf einen Punkt konzentrieren.“
„…und jetzt?“
„Außencheck.“
Ich ziehe meinen Helm auf, dann verlassen wir das Schiff.
Wir sind im Nirgendwo gestrandet.
Scharfkantige, spitze Steine soweit das Auge reicht, dazwischen ein Gestein, das vielleicht mal flüssig war. Ich atme tief durch und rufe mein Mobiglas auf.
Fuego, der fünfte Mond des Gasriesen Pyro V. Er hat eine relativ gemäßigte, aber kalte Atmosphäre, die hauptsächlich aus Kohlendioxid und geringen Anteilen von Stickstoff, Schwefeldioxid und Sauerstoff besteht. Der hohe Anteil an Eisensulfid in seinem Boden verleiht seiner Oberfläche ein gelb-schwarzes Aussehen. Die berühmt-berüchtigte Schmugglergruppe Headhunters nutzte Fuego in ihren Anfangsjahren in den frühen 2600er Jahren oft als Warenversteck.
So weit, so schlecht.
Headhunters, nie gehört. Offenbar eine weitere Outlaw-Gang.
Ich laufe um das Schiff herum. Auch von außen sieht noch alles gut aus.
Wir haben Glück im Unglück gehabt.
„Was haben wir noch an Vorräten dabei?“
„Nicht viel, ein wenig Wasser, ein paar Riegel.“
„Vielleicht kriegen wir die Kiste ja wieder flott.“
Ich setze mich in den Pilotensitz, starte die Systeme – und tatsächlich: Die „Shack One“ erwacht wieder zum Leben.
„…jetzt die Triebwerke.“
Auch sie fahren hoch – nur um im nächsten Moment wieder abzuschalten.
„Versuch es noch einmal.“
Es geschieht das Gleiche wie während des Absturzes.
Mist.
„Und jetzt?“
„Scann mal die Umgebung, vielleicht ist irgendwas in der Nähe.“
Ich glaube es zwar nicht, tue Husky aber den Gefallen – und tatsächlich: Gar nicht so weit entfernt wird ein Radarsignal zurückgeworfen, Entfernung: zirka fünf Kilometer.
„Könnte eine Siedlung sein.“
„…oder ein gelandetes Schiff.“
„Dafür ist das Signal zu stark, auch bewegt es sich nicht.“
Ich blicke Husky an.
Wir denken beide offenbar das Gleiche – sollen wir es wagen und uns auf den Weg machen? Pyros Sonne brennt unbarmherzig vom Himmel. Wir müssten in voller Rüstung laufen, da die Atmosphäre nicht atembar ist. Und wir haben nur wenig zu Trinken dabei.
„Ich finde, wir sollten es trotzdem wagen.“
„Okay.“
Wir laufen am Engineering-Terminal vorbei, werfen noch einmal einen Blick darauf, doch schlauer werden wir nicht. Eine fremde Macht hat die Kontrolle über das Schiff übernommen – und wir sind auf einem fremden Mond abgestürzt, weit weg von zu Hause.
Noch schlimmer kann es kaum kommen.
Dass der Stick ganz leicht pulsiert, fällt mir nicht auf.
Schnell lassen wird die „Shack One“ hinter uns.
Unter mir knirschen die Steine, schon jetzt tun mir die Füße weh.
Husky gibt die Richtung vor; er hatte den Außenposten in einer Peilung von rund 300 Grad ausgemacht. Vor uns liegt ein riesiger Berg.
„Wollen wir da hoch oder dran vorbei?“
„Woher soll ich das wissen? Ich bin auch das erste Mal hier.“
Stumm laufen wir ein paar Minuten nebeneinander her.
Verdammt, ich blaffe ihn echt oft an. Es ist meine Angst, meine totale Überforderung. Husky tut eigentlich immer alles, um Sachen zum Guten zu wenden, er ist hilfsbereit und…
„…Husky, tut mir leid!“
Er winkt bloß ab.
Wir laufen durch weites Gelände, eine Art Geröllfeld. Den ersten Kilometer sollten wir bald geschafft haben.
„Eigentlich weiß ich gar nichts über dich“, beginnt Husky das Gespräch erneut. „Woher kommst du, bist du aus Stanton?“
Herrje, da haben wir einen ganzen Planeten auf Bikes umrundet und sind uns bisher doch fremd geblieben. Ich zögere kurz, das sind nicht Zeitpunkt und Ort für abgefahrene Geschichten – andererseits, vielleicht gerade hier und jetzt. Ich hole kurz Luft, dann erzähle ich von der Artemis, meinem 700-jährigen Kälteschlaf, meinen ersten Schritten in Stanton, wie ich Friedrich kennengelernt habe und anderes mehr.
Husky hört schweigend zu.
Ich kann mir sein Gesicht unter seinem Helm lebhaft vorstellen. Wie immer ende ich damit, dass ich ebenfalls kein Wort glauben würde, würde man mir so eine Geschichte auftischen. Wenigstens will er mich nicht gleich in die nächste Irrenanstalt einweisen lassen, wie damals Zero.
Mittlerweile haben wir einen guten Schritt drauf – nicht zu schnell und nicht zu langsam. Die Landschaft wird abwechslungsreicher, Canyons liegen vor uns, ein großer Berg ragt links von uns auf.
„Wenn wir da rauf klettern, können wir uns einen Überblick verschaffen.“
„Einverstanden.“
Wir kraxeln den Berg empor, doch von der vermeintlichen Station ist weit und breit nichts zu sehen.
Husky checkt sein Mobiglas.
„Die Richtung stimmt noch, das Signal ist auch noch da.“
„Dann weiter.“
Wir entdecken wilde Felsformationen und ich lasse es mir nicht nehmen, drauf zu klettern. Dann stolpern wir sogar über verdorrtes, altes Buschwerk, ohne Blätter zwar, aber dennoch ein Beweis dafür, dass auf Fuego mal etwas gewachsen ist. Zeugnisse, einer besseren, längst vergangenen Zeit.
„Jetzt bist du dran“, sage ich.
„Wie?“
„Deine Geschichte.“
Husky blickt in die Ferne, als müsste er sich erst sammeln.
„Ich stamme aus Ellis, wie meine gesamte Familie, Heimat des Murray Cups. Bin dann gemeinsam mit meinem Großvater nach Stanton gekommen, nachdem die Geschäfte von Nordlicht in Ellis wegen der ganzen Billigkonkurrenz nicht mehr gut liefen. Meine Rennkarriere war eh vorbei.“
„Wie? Bist du mal beim Cup mitgeflogen.“
„Ja, ich hatte es bis in die Finalläufe geschafft.“
„Wow!“
„War das Highlight meines bisherigen Lebens…“
„Wieso?“
„Ich hatte einen Hirntumor. Wurde operiert.“
„Krass. Und Deine Eltern?“
Husky zögert.
„Meine Mutter wurde bei uns zu Hause erschossen, von einem Polizisten. Sie hatte angeblich seinen Kollegen angegriffen. Ich glaube aber kein Wort.“
„Verstehe ich nicht. Warum war denn…“
„…ich hatte Mist gebaut und einen Unfall verursacht. Ist alles meine Schuld.“
Ich bin still – das ist wahrscheinlich das erste Mal seit Ewigkeiten, dass Husky sein Innerstes nach außen kehrt. Man weiß eben erst, was hinter einer Person steckt, wenn man direkt danach fragt.
„…und dein Vater?“
„Der ist Biologe, immer noch in Ellis auf Noble. Wir haben aber nur wenig Kontakt. Hat das alles nicht verkraftet, meinen Tumor, den Tod meiner Mutter…“
Noble..irgendwas klingelt da bei mir.
„Ist ein toller Planet, alles voller Wald. Musst du mal hin.“
Ich schüttle das Gefühl ab.
„Klar, irgendwann bestimmt.“
Jedenfalls ist mir nun klar, warum Husky mit seinem Großvater nach Stanton gegangen ist.
„…und sag mal, Friedrich….“
„…was ist mit dem?“
„Der hat sich dann um dich gekümmert…“
„Ja, er nervt manchmal aber auch.“
„Mir ist er mittlerweile zum echten Freund geworden.“
„Ja, ja er ist nicht verkehrt. Aber er mischt sich ständig in Sachen ein, weil er glaubt, alles besser zu wissen.“
Inzwischen sind wir ein großes Stück vorangekommen, doch nun bleibt Husky plötzlich stehen.
„…zum Beispiel dieser Auftrag für die Advocacy, da hängt er auch schon wieder mit drin. Hat mich sogar überwachen lassen.“
„Echt, ich dachte…“
„Eben. Aber so ist er. Kann nicht aus seiner Haut.“
Ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen. Der Apfel ist nicht weit vom Stamm gefallen.
„Wie sieht eigentlich dein Sauerstoff aus?“
Ich blicke auf die Anzeige.
„Ist bei rund 20 Prozent.“
„Was? Ach du Scheiße!“
„Wieso?“
„Na, weil wir das nie schaffen bis zum Außenposten.“
Verflucht, wir haben uns verquatscht, aus dem Blick verloren, dass wir im Grunde die ganze Zeit in Lebensgefahr schweben.
„Wieviel hast du noch?“
„Zirka 40 Prozent.“
Klar, meine saudummen Klettereien, nun fordern sie ihren Tribut.
Ich laufe langsamer, um Sauerstoff zu sparen. Kommt es mir nur so vor oder brennt die Sonne gleich noch gnadenloser? Jetzt, da ich die Anzeige beobachte, scheint der Pegel auch noch schneller zu sinken. Mir wird klar, das werde ich tatsächlich nicht schaffen.
Husky beschleunigt seinen Schritt, in der Hoffnung, Hilfe zu finden. Bald ist er weit voraus. Ich schleppe mich unterdessen Schritt für Schritt hinterher, bis es irgendwann nicht mehr geht. Die letzten Prozent Sauerstoff verflüchtigen sich geradezu.
Das ging jetzt verdammt schnell.
Mein Verstand setzt aus, der Blick wird unscharf.
Ich höre, wie Husky an irgendwelchen Steilwänden verzweifelt, offenbar direkt vor dem Außenposten. Zu allem Überfluss wird dort auch noch geschossen. Vielleicht lässt sich die Luft ja doch atmen…
„Husky…Husky…“
Ich klicke den Verschluss meines Helms auf.
Sofort wird alles schwarz.