Ein letzter Auftrag

Ein Advocacy-Agent und ein Cargo-Hauler im Kampf gegen einen mächtigen Unterweltboss
Von Amanda McCarter


Kapitel 01

Die Bar stank nach saurem Bier und Schiffstreibstoff. Es war eine beliebte Kneipe, auch wenn Jonah nicht wusste, warum. Seine Füße knarzten auf dem klebrigen Boden, etwas knirschte unter seinen Stiefelspitzen. Die Beleuchtung war schlecht, und der Barkeeper warf ihm einen abschätzigen  Blick zu, während er mit einem fettigen Handtuch ein schmutzigen Glas abwischte.

Jonah nahm auf einem wackeligen Plastikstuhl Platz, der so designt war, dass er wie Holz aussah. Der Tisch wies in der Mitte einen großen Kratzer auf, der wahrscheinlich von einem Messer oder einer zerbrochenen Flasche stammte. Die Augen des Barkeepers zuckten zum Eingang und seine Nasenflügel blähten sich, als die Tür aufglitt.

Jonah kam nur hierher, wenn er jemanden treffen musste, und es gab nur eine Person, die ihn hier treffen wollte. Und in diesem Moment schuldete er dieser Person Geld. Eine ganze Menge Geld. Tatsächlich war er mit seinen Zahlungen im Rückstand. Jonah sank in den Stuhl, als sich ein ungutes Gefühl in ihm breit machte. Der Mann, den er gleich treffen würde, nahm Zahlungsverzug sehr persönlich. Das würde schmerzhaft werden.

„Du bist ja ein ganz schöner Brocken geworden“, sagte Mickey „Gills“ Black.

Er klopfte Jonah auf den Rücken. Mickeys rechtes Auge quoll hervor, seine Haut war fleckig und lila. Es hieß, Mickey habe überlebt, dass er einmal ohne Anzug ins All gesaugt wurde. Zugegeben, es war nur eine Sekunde lang gewesen, aber es reichte, um sein Gesicht dauerhaft zu entstellen. Jonah wünschte sich, Mickey wäre im Vakuum geblieben. Das hätte sein Leben so viel einfacher gemacht.

„Hallo Mickey“, sagte Jonah.

Er versuchte, fröhlich zu klingen, aber seine Stimme klang trotzdem säuerlich. Sie hatten eine langjährige Vereinbarung, aber Jonahs Meinung über Mickey Black hatte sich mit der Zeit nicht gerade verbessert. Mickey schnauzte den Barkeeper an, der ihm einen ebenso bösen Blick zuwarf wie Jonah, und schlenderte dann davon.

„Kein Respekt“, sagte Mickey. „Ohne mich wäre seine Bar gar nicht mehr offen. Ich werde ihn daran erinnern müssen, aber erst nach einem netten Gespräch mit meinem lieben alten Freund Jonah.“

Jonah schluckte. „Lieber Freund“ waren nicht die Worte, die er verwenden würde um ihre Beziehung zu beschreiben, aber er biss sich auf die Zunge.

„Wie ist es dir ergangen, Jonah? Laufen die Geschäfte gut?“

„So gut, wie man es erwarten kann“, antwortete Jonah und versuchte, seine Stimme ruhig zu halten.

„Gut“, erwiderte Mickey. „Könnte aber noch besser sein, oder?“

Mickey lehnte sich näher heran und blickte Jonah mit seinem halb verheulten Blick an. Jonah wich zurück, doch Mickey grinste nur und ließ sich lachend in seinen Stuhl zurückfallen. Jonah schenkte ihm ein kleines Lächeln. „Es kann ja immer besser werden.“

Er wählte seine Worte sorgfältig. Er wollte ihm nicht zu viel Angriffsfläche bieten. Das war ein Tanz, an den er gewöhnt war und den er und Mickey in den letzten zehn Jahren bei ihren Geschäften Dutzende von Malen aufgeführt hatten. Der mürrische Barkeeper stapfte heran und knallte zwei Bier auf den Tisch. Jonah versuchte, ihm zu sagen, dass er keins wollte, aber der Mann war bereits mit hängenden Schultern und vor sich hin murmelnd wieder davon geschlurft. Mickey nahm einen großen Schluck und knallte den Becher auf den Tisch.

„Wenn das nicht das größte Glas Abwasser ist, das ich je getrunken habe.“

Er spuckte auf den Boden, und der Barkeeper blickte ihn böse an. Jonah zuckte unbehaglich zusammen. Der Mann hatte entweder ein kurzes Gedächtnis oder einen Todeswunsch. Jeder andere hätte sich unter der Theke versteckt oder hätte die Sauerei so schnell wie möglich aufgewischt. Jonah begann, um den Mann zu fürchten, aber Mickey lachte nur. Jonah fröstelte und nippte an seinem Bier. Er zog eine Grimasse. Es war sauer und hatte einen schimmeligen Nachgeschmack.

„Ich nehme an, du hast Arbeit für mich?“, sagte Jonah.

Mickey nahm einen weiteren Schluck Bier und schob seinen Stuhl um den Tisch herum, um sich an Jonahs Schulter zu lehnen.

„Zufälligerweise habe ich tatsächlich etwas“, sagte er.

Jonah spürte, wie seine Schultern nachgaben.

„Es ist ganz einfach“, sagte Mickey. „Wir müssen nur ein paar leichte Güter transportieren, Vorräte und so. Du nimmst sie auf deiner nächsten Fahrt mit, änderst deinen Kurs, triffst dich mit dem Kunden, lieferst sie ab und gehst dann wieder deiner Wege. Dann ziehen wir ziehen dir die fünftausend ab, die du mir schuldest.“

Jonahs Magen drehte sich um. Fünftausend war sehr großzügig für solch eine einfache Arbeit. Aber wenn Mickey von einfacher Arbeit sprach, war es normalerweise alles andere als das.

„Wo ist der Haken?“, fragte Jonah.

„Kein Haken“, erwiderte Mickey. 

Jonahs schürzte die Lippen.

„Wer ist der Kunde?“

„Es ist wirklich nur eine einfache Übergabe“, sagte Mickey. „Ich schwöre es beim Leben meiner Mutter.“

„Soviel ich weiß, hast du deine Mutter umgebracht“, sagte Jonah. „Wer also ist der Auftraggeber?“

„Ein alter Freund von dir“, sagte Mickey. „Pietro.“

Auf Jonahs Haut brach kalter Schweiß aus. Pietro war ein alter Bekannter, aber sicher nicht jemand, den Jonah als Freund bezeichnen würde. Wenn überhaupt, dann waren sie Kollegen in Mickeys Netzwerk von Spionen und Kurieren, wobei Pietro ein Spion war.

Pietro Marquez war ein in Ungnade gefallener Advocacy-Agent. Sein alter Partner hatte herausgefunden, dass er für Mickey arbeitete. Vor kurzem hatte Pietro eine Spur der Verwüstung hinterlassen, als er vor der Advocacy flüchtete, und er stand derzeit ganz oben auf der Liste der Meistgesuchten. Sein Bild war überall zu sehen.

„Nein“, sagte Jonah, „das werde ich nicht tun. Er ist im Moment zu heiß.“

Er wollte aufstehen, doch Mickey hielt ihn am Arm fest.

„Ich dachte mir schon, dass du das so siehst“, sagte Mickey. „…aber so wie ich das sehe, schuldest du mir was, und du bist mit der Zahlung im Rückstand.“

Jonah spürte, wie sich alles in ihm zusammenzog. Beinahe hätte Jonah die Schmerzen eines Inkassos dem Chaos, das Pietro Marquez war, vorgezogen.

„Ich werde das Geld in ein paar Tagen für Sie haben. Wirklich“, versicherte Jonah. „Ich hätte es schon früher gehabt, aber meine Älteste ist krank geworden. Ich musste einen Besuch in der Krankenstation machen. Sie  bekommen es Ende der Woche.“

„So ein guter Vater. Es wäre eine Schande für die Mädchen, ohne dich aufzuwachsen“, sagte Mickey kalt.

Jonah ließ sich in seinen Stuhl zurücksinken, die Augen starr auf die Hand gerichtet, die seinen Arm umklammerte. Er konnte sich nicht wirklich drücken, und er hatte es auch nie versucht, aber das hier war zu viel.

„Pietro kennt dich“, sagte Mickey. „Er vertraut dir. Und ich vertraue dir. Wir beide wissen, dass du ihm besorgen wirst, was er braucht. Er hat dich angefordert. Mit Namen. Er hält sehr viel von Dir.“

Jonah bezweifelte das. Pietro hatte ihn das letzte Mal, als sie zusammenarbeiteten, einen rückgratlosen Hund genannt.

„Tu das für mich“, sagte Mickey, „und betrachte deine Schuld als beglichen. Du bist dann frei und musst nie wieder einen Job für mich erledigen.“

Jonah hob den Blick, um Mickey ins Gesicht zu sehen.

„Du hast mein Wort“, sagte Mickey. „Und du kennst mich. Ich nehme mein Wort nie zurück, oder?“

„Nein, das tust du nicht“, antwortete Jonah niedergeschlagen.

Alles in ihm schrie, dass dieser Job ein Fehler war, aber er konnte es sich nicht leisten, die Chance zu verpassen, ein für alle Mal von Mickey wegzukommen.

„Okay“, sagte er shließlich. „Ich werde es tun.“

Ein Grinsen breitete sich auf Mickeys Gesicht aus.

„Fantastisch. Gibst du mir die Hand drauf?“

Jonah nickte und nahm Mickeys Hand.

 „Ich weiß das zu schätzen, Junge“, sagte Mickey. „Wirklich.“

Er drückte Jonahs Hand fester. „Aber wenn du es doch nicht tust oder dich entscheidest, dass es besser ist zu fliehen, werde ich meine Schulden einfordern. Hast du das verstanden?“

Jonah schluckte und nickte.

„Ich habe dich nicht verstanden“, sagte Mickey.

„Ich habe verstanden“, sagte Jonah.

„Gut.“

Er ließ Jonahs Hand los und klopfte ihm auf die Schulter. „Ich schicke alle Details und die Ladung zu deinem Schiff.“

Er trank sein Bier aus und stieß sich vom Tisch ab. Jonah sah zu, wie er auf die Bar zuging, über sie sprang und den Barkeeper zu blutigem Brei schlug. Einige der anderen Gäste taten so, als ob nichts geschehen wäre, aber Jonah sah zu. Er beobachtete jeden brutalen Moment. Zufrieden, dass er seinen Standpunkt klar gemacht hatte, stand Mickey schließlich auf, wusch sich die Hände im Eiskübel und kletterte über die Theke zurück. Er schlenderte zur Tür hinaus und pfiff dabei. Mit sehr trockenem Mund nahm Jonah einen weiteren Schluck des verdorbenen Biers und stieß sich vom Tisch ab.

Langsam machte er sich auf den Weg zur Bar. Sein Magen verkrampfte sich zu einem Knoten. Er spähte hinüber. Der Barkeeper lag in einer Pfütze aus Bier und anderen Flüssigkeiten. Sein Gesicht war blutiger Matsch, und er würde eine rekonstruktive Operation brauchen.

Er stöhnte und rollte sich in eine fötale Position. Der Mann würde überleben, aber er würde nie vergessen, dass man Mickey „Gills“ Black nicht verärgern durfte.

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„Sie haben Hausarrest, Ardoss.“

 Ardoss schaute von seiner Reisetasche auf und sah, wie Juniorchefin Vami über seinen Schreibtisch zu ihm hinab blickte. Ihr dunkles Haar war zu einem festen Dutt hochgesteckt. Sie trug einen grauen, klassischen Hosenanzug mit anthrazitfarbenen Nadelstreifen. Er packte weiter. Er war an ihr Melodrama gewöhnt. Er nahm ihr Aussehen nur aus Gewohnheit zur Kenntnis. Ein Advocacy-Agent musste seine gesamte Umgebung wahrnehmen, egal wie banal oder gewöhnlich sie war.

„Machen Sie keine Drohungen, die Sie nicht halten können“, sagte er, während er seine Waffe überprüfte.

„Das ist keine Drohung“, sagte sie. „Sie sind fertig. Vorruhestand.“

Sie berührte ihr MobiGlas und ein Formular blinkte auf. Ardoss blinzelte.

„Ruhestand? Ich habe noch zwei Jahre vor mir.“

„Ihr letzter Einsatz endete in einer wilden Schießerei, bei der ein Mensch getötet und acht weitere verletzt wurden. Ganz zu schweigen von den Millionen Credits Schaden, die Sie angerichtet haben. Ich weiß nicht, ob das Einkaufszentrum jemals wieder benutzbar sein wird. Ich habe mindestens hundert Beschwerden von Geschäftsinhabern, dem Stadtrat, Bürgerinitiativen und so weiter erhalten. Das ist eine Katastrophe. Und zu allem Überfluss ist Ihre Beute entkommen.“

Ardoss leckte sich über die Lippen.

„Ich bin ganz nah dran. Er versteckt sich bei Geächteten, die ihm Unterschlupf gewähren. Aber ich kenne seine Komplizen. Ich kenne seine Freunde. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich ihn finde.“

„Es ist mir egal, ob Sie ihn in Ihrem Schreibtisch eingesperrt haben oder wo Sie ihn sonst vermuten, Sie sind raus. Sie haben Ihre Befehle.“

„Sie zerstören meine Karriere weil Pietro einer von uns war? Ich wusste es nicht. Woher hätte ich das wissen sollen?“

Vami legte ihre Hände auf seinen Schreibtisch und lehnte sich vor.

„Das konnten Sie nicht. Es geht auch nicht darum, was passiert ist, sondern darum, wie Sie damit umgegangen sind. Jemand ist im Kreuzfeuer gestorben. Sie haben die Sicherheit der Menschen um Sie herum ignoriert. Die Vorgesetzten wollten Sie auf der Stelle feuern.“

„Das ist schon mal passiert“, sagte er, „mit anderen Agenten.“

„Es ist Ihnen passiert“, beharrte sie, „Sie sind zu bekannt. Pietro zu fangen ist eine Priorität. Es ist ein blaues Auge für die Agentur. Ich versuche nur, Ihnen zu helfen, Ardoss. Überlassen Sie das jemand anderem.“

„Sie haben es auf den Job des Sektionschefs abgesehen“, sagte er.

Vami stieß sich vom Schreibtisch ab und drehte sich um. Sie schaute ihn von der Seite an und schüttelte den Kopf.

„Mir geht es um das Image dieser Agentur, die Sicherheit ihrer Agenten und die Menschen, die wir schützen sollen.“

„Richtig“, sagte er. „Es sieht ziemlich schlecht aus, dass einer Ihrer Agenten eine Ratte war. Sie wollen Ihren Bossen zeigen, dass Sie alles unter Kontrolle haben.“

„Jemand ist gestorben, Ardoss.“

„Und was glauben Sie, wie viele Menschen Pietro getötet hat, während er uns für Mickey Black ausspioniert hat?“, fragte Ardoss.

Vami ließ den Kopf sinken.

„Sie nehmen das zu persönlich.“

„Es ist persönlich“,erwiderte Ardoss. „„Pietro Marquez war mein Partner. Ich hätte es früher erkennen müssen. Lassen Sie mich das machen, Vami, nur diese letzte Gefangennahme. Wenn er es in den Banu-Raum schafft, werden wir ihn nie wieder finden.“

Sie kniff sich in den Nasenrücken und seufzte.

„Sie wissen doch gar nicht, wo er ist.“

„Nein, noch nicht“, antwortete Ardoss, „aber ich habe seine Flucht vermasselt, als ich ihn entdeckte. Sein Fluchtschiff wurde beschädigt. Alles, was er jetzt hat, ist sein Agenturschiff. Seine Registrierung ist noch aktiv und ich weiß, dass er zu Black zurückgekehrt ist. Ich habe mit ein paar Informanten gesprochen. Black hat ihm einen Ort genannt, an dem er untertauchen kann, bis er seine RegTags austauschen oder ein neues Schiff bekommen kann. Vertrauen Sie mir, ich kann ihn finden.“

Vami ließ sich in den Stuhl auf der anderen Seite von Ardoss’ Schreibtisch sinken.

„Geben Sie mir alle Informationen, die Sie haben, und wir werden den Fall jemand anderem zuweisen. Sie sind zu nah dran.“

„Ganz genau. Ich habe ihn ausgebildet, Vami“, sagte Ardoss. „Zwanzig Jahre waren wir zusammen. Wir waren bei Hunderten von Aufträgen Seite an Seite. Ich kenne Pietro besser als jeder andere in dieser Organisation. Ich habe es vorher nicht gesehen, aber jetzt weiß ich, wonach ich suchen muss. Da ist dieser Frachtpilot, Jonah Ruskella, ich habe seinen Namen schon ein paar Mal gesehen.“

Vami zuckte mit den Schultern.

„Sie sind also Saufkumpane.“

„Nein“, sagte Ardoss. „Ruskella ist ein Kurier für Mickey Black. Man hat sie zusammen gesehen. Das habe ich aus drei verschiedenen Quellen erfahren.“

„Okay, und was hat das mit Pietro zu tun?“, bohrte Vami weiter.

„Sie sagen, dass Ruskella in den nächsten vierundzwanzig Stunden Ausrüstung und Vorräte für Mickey transportieren wird.“

Vami verschränkte die Arme und schürzte die Lippen.

„Das sind eine Menge Spekulationen, Ardoss.“

„Was habe ich denn sonst noch für Anhaltspunkte? Ich könnte die Sprungpunkte in den Banu-Raum abstecken und hoffen, dass ich Glück habe.“

„Sie gehen davon aus, dass ich Sie gehen lasse“, sagte sie.

„Tun Sie mir das nicht an, Vami“, sagte er. „Beenden Sie meine Karriere nicht auf diese Weise. Lassen Sie es mich mit einer letzten Festnahme beenden.“

Sie ließ ihre Arme fallen.

„Selbst wenn Ihre Informationen richtig sind …“

„Das sind sie“, sagte er. „Diese Typen würden mich nicht anlügen. Nicht bei den Preisen, die ich ihnen zahle.“

Sie presste ihren Kiefer zusammen.

„Ich brauche das“, sagte er.

Sie seufzte.

„Ich will nicht, dass sich das mit dem Einkaufszentrum wiederholt. Und Sie müssen es für sich behalten.“

„Das werde ich“, sagte er. „Ich werde inkognito an Bord von Ruskellas Schiff gehen, ihm zum Treffpunkt mit Pietro folgen und die Verhaftung vornehmen.“

„Einfach so?“, fragte sie.

„Einfach so.“

„Und wenn die Übergabe nicht für Pietro ist?“

Er zuckte mit den Schultern.

„Dann finde ich eine andere Spur.“

„Nein, werden Sie nicht“, sagte sie und stand auf. „Das ist alles, was Sie bekommen. Sie gehen an Bord dieses Schiffes und suchen nach Ihrem alten Partner. Wenn Sie Pietro nicht finden, kommen Sie zurück.“

Er knirschte mit den Zähnen. Er wusste, dass seine Vermutung richtig war. So musste es sein. Und es musste klappen. Es gab keine anderen Möglichkeiten.

„Gut“, sagte er.

„Ich möchte etwas sehr deutlich machen“, sagte sie. „Ein weiterer Todesfall, ob zufällig oder nicht, ein Schaden oder eine Beschwerde, und Sie können Ihre Pensionierung vergessen. Sie werden sich in einer Zelle wiederfinden.“

„Verstanden“, sagte Ardoss.

 Mit diesen Worten verließ sie sein Büro. Sie sah ihn nicht einmal an. Damit konnte er leben. Alles, was er wollte, war Pietro Marquez. Er wollte ihn fragen, warum. Er wollte es verstehen. Er glaubte nicht, dass er das jemals würde.

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Jonah starrte auf die Ladeliste, seine Hände zitterten. Es sollte nur Fracht sein. Diesmal keine Passagiere. Aber da waren sie, vier Passagiere. Er ging zum Disponenten.

 „Auf diesem Flug sollten keine Menschen sein“, sagte er.

Er knallte die Passagierliste auf den Schreibtisch des Mannes. Disponent Haru schaute ihn mit faltigen Augen an. Er war groß und drahtig, ein WiDoW-Süchtiger, der sich nicht die Mühe machte, das zu verbergen. Die fleckigen schwarzen Adern seiner Arme zeigten es deutlich. Es erinnerte Jonah an eine Spinne. Er hatte nur ein einziges Mal eine echte Spinne gesehen, aber die Erinnerung daran hatte sich in sein Gehirn eingebrannt. Sie war in eine Ladung von der Erde geraten. Er hatte auch andere Insekten von anderen Planeten gesehen, aber diese Spinne war diejenige, die in seine Albträume gekrochen war. Zu viele Beine.

Char, seine Co-Pilotin, sagte ihm, er solle sich mal einen Tausendfüßler ansehen. Jonah gefiel schon der Klang davon nicht. Haru legte sein furchtbaren Hände auf den klapprigen Schreibtisch und richtete sich auf. Er leckte sich über die Lippen, die dünn und papierartig waren.

„Du hast Passagiere, wenn ich sage, dass du Passagiere hast.“

Haru war ein Tyrann. Er war dafür bekannt, dass er Zahlungen zurückhielt, Schiffe mit einem Flugverbot belegte und Piloten suspendierte, nur weil man ihn verärgert hatte. Jonah musste vorsichtig vorgehen.

„Ich fliege in vier Stunden“, sagte er. „Ich habe keine Zeit, mich vorzubereiten.“

 „Dann geh in fünf Stunden“, sagte Haru. „Es ist mir wirklich egal, wann du gehst, solange du nur das mitnimmst, was auf der Ladeliste steht.“

Er hob eine unbehaarte Augenbraue und starrte Jonah an.

Jonah konnte nicht in fünf Stunden abreisen. Er hatte einen Zeitplan einzuhalten. Haru interessierte es einen Dreck und Jonah wollte Mickey nicht sagen müssen, warum sich seine Lieferung verspätete.

 „Ich werde in vier Stunden abfliegen“, sagte Jonah schließlich und ließ die Schultern hängen. „Ich werde den Zeitplan einhalten.“

 Haru lächelte.

„Ausgezeichnet. Ich sage dem Lademeister, dass er dich zur normalen Zeit erwarten kann.“

Jonah schenkte seinem Chef ein unbehagliches Lächeln. Haru war fast so schlimm wie Mickey. Der einzige Unterschied war, dass Haru einen nicht zu Brei schlug oder ins All schmiss, wenn man sich widersetzte. Wenn Jonah das Geld hätte, könnte er sich selbstständig machen, dann könnte er Haru sagen, ob er Passagiere mitnimmt oder nicht. So aber ging all sein überschüssiges Geld an Mickey oder in einen Treuhandfonds für seine Kinder. Es war nicht viel, aber er wollte, dass sie ein besseres Leben hatten als er selbst. Und das sollte sich spätestens nach diesem Job ändern. Jonah könnte sich ein eigenes Geschäft aufbauen und sich von Haru und Mickey lösen. Vorausgesetzt natürlich, dass Mickey sein Wort hielt. Er wandte sich von Haru ab und eilte zu seinem Schiff, der „Open Sky“.

Er hatte eine Menge vorzubereiten, bevor sie aufbrachen. Die Luftschleuse sichern, den Passagierbereich reinigen, Essen für die Reise besorgen. Diese Dinge brauchten Zeit. Normalerweise war eine Vorankündigung von vierundzwanzig Stunden für Reisen mit Passagieren Standard, aber Jonah war nicht allzu überrascht, da Haru immer so einen Scheiß abzog. Wenn man dem Mann genug Credits gab, würde er so ziemlich jedes Protokoll ignorieren. Jonah stieg ein und ging direkt zum Cockpit.

„Wir haben Passagiere“, sagte er und schnappte nach Luft, als er durch die Tür trat.

„Ich weiß“, antwortete Char, ohne von ihrem Pre-Flight-Check aufzuschauen.

Ihr langes dunkles Haar hatte sie locker zurückgebunden. Ein paar graue Strähnen hatten sich gelöst und glitten in ihren silbernen Fluganzug. Jonah seufzte. Nach mehr als einem Jahrzehnt gemeinsamen Fliegens fiel es ihm schwer, sich an ein einziges Mal zu erinnern, bei dem seine Co-Pilotin unvorbereitet gewesen war.

„Irgendein abgehobener, unbedeutender Politiker war vor etwa einer Stunde hier und hat einen großen Wirbel um seine Vereinbarungen gemacht“, sagte sie. „Er verlangte ein Privatquartier und drückte mir sein MobiGlas in die Hand, um mir eine Art Dokument für eine Vorzugsbehandlung unter die Nase zu reiben.“

 Sie lachte.

„Als ob wir ein echtes Raumschiff wären.“

Ein Bürokrat, egal wie unbedeutend, war genau der Typ, dem Haru einen Gefallen tun wollte. Das erklärte so einiges. Jonah mochte das alles nicht – es machte seine Arbeit schwieriger.

„Was hast du ihm gesagt?“, fragte er.

Sie lachte wieder.

„Ich habe ihn in unsere ‘VIP-Lounge’ geschickt und ihm gesagt, er solle wiederkommen, wenn wir zum Einsteigen aufrufen. Wenn er nur ein kleines Schiff wie unseres bekommen kann, dann bekommt er eben, was wir ihm geben.“

„Wir haben keine VIP-Lounge“, erwiderte Jonah.

„Das weiß er spätestens jetzt“, sagte Char. „Wahrscheinlich sitzt er immer noch in diesem Pausenraum.“

„Was ist mit den anderen Passagieren?“, fragte er.

Sie zuckte mit den Schultern.

„Ich glaube, eine ist eine Geschäftsfrau. Ich habe sie noch nicht getroffen, aber in ihren Unterlagen steht nichts Beunruhigendes. Ein anderer ist ein neunzehnjähriger Junge. Er ist wahrscheinlich auf der Suche nach Arbeit oder besucht seine Familie.“

„Was ist mit dem vierten?“, fragte Jonah.

„Ein Rentner“, sagte sie. „Wahrscheinlich ein alter Kauz im Urlaub. Das sollte ein Kinderspiel sein. Ich habe bereits die Lebensmittelpakete bestellt und es ist mir gelungen, ein paar Reinigungsmittel von einem der größeren Schiffe zu besorgen. Wir werden den Zeitplan einhalten.“

„Was würde ich nur ohne dich tun, Char?“, sagte Jonah.

Sie grinste.

„Wahrscheinlich in einem Vakuum sterben. Oder von einem Piraten ermordet werden.“

 Das war immer noch eine Möglichkeit.

„Ich habe ein paar Pakete für dich auf der Station abgeholt“, sagte er. „Sieht aus wie ein paar Sachen von deiner Schwester.“

„…was will die denn jetzt?“, fragte Char.

Jonah zuckte mit den Schultern.

„Ich schätze, du wirst sie öffnen müssen.

„…oh, und ich habe auch etwas Lakritz auf dem Markt gefunden.“

Er kramte in seiner Tasche und zog ein kleines, versiegeltes Plastikpäckchen heraus. Chars Augen leuchteten auf.

„Wunder gibt es immer wieder.“

Sie riss die Packung auf und nahm ein Stück heraus. Sie steckte es sich in den Mund und schloss die Augen.

 „So gut.“

Er schnitt eine Grimasse.

„Wenn du das sagst.“

Sie grinste.

„Mehr für mich.“

„Wir müssen vor unserem letzten Halt noch einen Umweg machen“, sagte Jonah.

„Hast du noch einen Nebenjob?“, fragte sie.

„Ja“, antwortete er. Er hatte Char nie von Mickey erzählt, weil er ihr keinen Ärger machen wollte. Sie war ein Ex-Militär, also konnte sie wahrscheinlich selbst auf sich aufpassen, aber Jonah bewunderte sie zu sehr, um sie da mit hineinzuziehen. Nachdem er mit ihr sechzehn Jahre lang zusammen geflogen war, war Char seine älteste und liebste Freundin. Und es gab einfach Dinge, die man seinen Freunden nicht antat. Mickey Black gehörte dazu. Sie beendeten gemeinsam den Preflight-Check und begannen eine halbe Stunde vor dem Start mit dem Einsteigen der Passagiere. Der Politiker, ein Mann namens Nickolas Thrumm, war genau so schlimm, wie Char gesagt hatte. Er war ein öliger Mann mit zurückgekämmtem Haar, gut manikürten Händen und einem teuren Anzug. Er trug Ledergepäck und roch nach Holz. Char meinte, es sei Sandelholz, eine Art seltener Baum oder so. Thrumm warf einen Blick auf das Schiff und runzelte die Stirn.

„Es ist so klein“, sagte er.

Char zuckte mit den Schultern.

„Es ist ein kleines Schiff.“

Er warf einen Blick auf den Passagierbereich.

„Und beengt.“

Seine Stimme nahm einen nasalen Klang an, der Jonah zusammenzucken ließ.

„Wo ist mein Quartier?“ fragte Thrumm.

„Es gibt keine Privatquartiere“, sagte Jonah.

„Der Passagierbereich ist nicht so schlimm“, fügte Char hinzu.

„Die Sitze sind verstellbar und man hat einen eigenen Stauraum für das Gepäck. Es gibt sogar ein Schlafnetz für die Schwerelosigkeit.“

„Ich muss hier draußen schlafen?“, fragte Thrumm.

Char zuckte mit den Schultern.

„Es ist das Beste, was wir haben. Wenn es Ihnen nicht gefällt, hätten Sie das bedenken sollen, als Sie uns gebucht haben. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, müssen wir jetzt das Boarding beenden.“

Thrumm ging verärgert weiter, und sie begrüßten die übrigen Passagiere. Der Teenager, ein junger Mann, der sich nur Mitt nannte, grunzte sie an und setzte sich nach hinten. Die Geschäftsfrau, eine Winona Crim, setzte sich neben den Teenager. Sie beachtete Char und Jonah nicht einmal. Sie setzte sich seufzend hin, kramte in ihrer Tasche und holte eine Flasche Pillen heraus. Sie schluckte eine Handvoll und lehnte sich mit einem verkniffenen Gesichtsausdruck zurück, der verriet, dass sie lieber irgendwo anders als auf diesem Schiff wäre.

„Kein leichter Flug“, sagte Char.

Jonah nickte zustimmend.

Der letzte Passagier, der Rentner, war ein knorrig aussehender Mann. Er hatte weißes Haar und ihm fehlte ein Teil seines linken Ohrs. Der Name auf der Passagierliste lautete Tom White. Er saß gegenüber von Thrumm.

„Das sind alle“, sagte Jonah. „Schnallt euch an, Leute. Wir starten, sobald die Flugkontrolle uns die Freigabe erteilt.“

Die Passagiere schwiegen, als Jonah und Char sich im Cockpit niederließen. Alles war startklar, und kurz darauf erhielten sie das Signal zum Abheben. Sie schwebten aus dem Raumdock und gaben den Sprungpunkt ein. Jonah schaltete auf den Navigationscomputer um und drehte sich um, um zu sehen, ob die Passagiere angeschnallt waren.

Thrumm starrte den Rentner White an.

„Sie kommen mir bekannt vor“, sagte Thrumm.

„Ich habe nur eines dieser Allerwelts-Gesichter“, sagte White. „Das passiert mir ständig.“

„Nein“, sagte Thrumm und schüttelte den Kopf. „Ich habe Sie schon einmal gesehen. Sie haben doch  in einem Video mitgespielt, oder?“

White lächelte.

„Wenn es doch nur so wäre.“

„Das ist es“, sagte Thrumm.

„Ich habe Sie in den Nachrichten gesehen. Sie sind ein Advocacy-Agent, nicht wahr?  Ardoss, nicht wahr?“

Jonah spürte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich. Schnell wandte sich wieder seiner Konsole zu. Ardoss.

Das war der Name von Pietros Partner.

 

.

Kapitel 02

Jonah brach zum zweiten Mal an diesem Tag der kalte Schweiß aus. Sie erreichten den Sprungpunkt und auf dem Weg, einem bekannten Kriminellen mit einem Schiff voller Passagiere, die nicht dort sein sollten, Nachschub zu liefern – und einer von ihnen war ein Advocacy-Agent.

Außerdem war der Agent der ehemalige Partner des Kriminellen. Die Dinge liefen gar nicht gut.

„Char, du musst die Ladung überprüfen“, sagte Jonah.

Sie hob eine dünne schwarze Augenbraue. Er wusste, wie seltsam das geklungen haben musste. Sie waren gerade erst abgeflogen.

„Vergewissere dich nur, dass sich nichts verschoben hat und dass niemand daran herumgefummelt hat“, sagte er.

Sie schürzte ihre Lippen und nickte. Er konnte an ihrem Blick erkennen, dass sie ihm das nicht abnahm, aber sie würde tun, was er verlangte. Sie warf ihm einen letzten Blick zu, bevor sie das Cockpit verließ. Die Tür fiel zu, und Jonah drückte auf den Knopf für die Funkverbindung. Er hatte diesen Code bisher nur eine Handvoll Mal benutzt. Er war nur für Notfälle gedacht, und dies war ein Notfall.

„Ich hoffe, es ist wichtig“, knurrte eine Stimme.

„Ich muss mit Mickey sprechen“, sagte Jonah.

Stille.

„Wenn du jetzt einen Rückzieher machst…“, sagte die Stimme.

Es muss Mickeys Sekundant gewesen sein, ein Mann, der nur als The Second bekannt war. Keiner außer Mickey kannte seinen Namen.

„Nein“, sagte Jonah. „Aber ich habe ein Problem und muss mit Mickey sprechen.“

Die Wahrheit war, dass er sich zurückziehen wollte, jetzt mehr denn je. Zuvor war es die Angst vor Mickey gewesen, die ihn angetrieben hatte. Er schuldete ihm Geld und war mit den Zahlungen im Rückstand. Aber jetzt war da ein Agent. Er war ein alter Kerl, aber Pietro sprach mit Ehrfurcht in der Stimme von ihm, als wäre der Mann ein Gott. Er hatte so viele Kriminelle festgenommen, dass Jonah überrascht war, dass er nicht wusste, was Pietro vorhatte.

Die Stille knisterte im Funk  Jonah lief der Schweiß über das Gesicht. Seine Kopfhaut juckte und sein Mund war trocken. Endlich meldete sich Mickey.

„Von was für einem großen Problem reden wir, Jonah, mein Junge?“

In seiner Stimme lag ein scharfer Ton. Er klang nicht glücklich.

„Oh, ungefähr 1,80 Meter groß, hört auf den Namen Ardoss.“

Mickey schniefte.

„Der Name kommt mir bekannt vor.“

„Das ist Pietros Partner“, sagte Jonah.

„Ah, ja,“, sagte Mickey.

„Warum hast du einen Passagier, Jonah? Ich habe deinen Fahrplan überprüft. Du hattest keine Passagiere. Es war nur Fracht.“

Er hat nicht geschrien. Das tat er nie. Er war immer ruhig und ausgeglichen. Er gab einem gerne das Gefühl, dass alles in Ordnung war. Jonah konnte nicht umhin, sich an das zerstörte Gesicht des Barkeepers zu erinnern.

„Passagiere“, sagte Jonah und versuchte, seine Stimme nicht zittern zu lassen.

„Ich habe einen vollen Flug. Haru hat ihn in letzter Minute geändert. Ich dachte, ein Politiker hätte seine Beziehungen spielen lassen, aber jetzt glaube ich, es war dieser Ardoss.“

„Du glaubst, er ist hinter seinem Partner her?“, fragte Mickey.

„Ich kann mir nichts anderes vorstellen“, erwiderte Jonah.

Mickey atmete langsam ein.

„Wir können nicht zulassen, dass dieser Ardoss-Typ Ärger macht.“

„Deshalb habe ich ja angerufen“, sagte Jonah.

„Können wir es verschieben?“

Jonah konnte praktisch hören, wie Mickeys Zähne knirschten.

 „Verschieben?“, sagte er, seine Stimme immer noch gleichmäßig, aber einen Ton höher. „Schmeiß Ardoss einfach am nächsten Stopp raus.“

„Er muss wegen Pietro hier sein. Er hat ein Einkaufszentrum in die Luft gejagt, um ihn zu holen. So einen Ärger will ich nicht. Wenn er weg ist, fliege ich zurück und gebe Pietro seine Ladung.“

„Das ist nicht das, was wir vereinbart haben, Jonah“, sagte Mickey. „Du lieferst deine Ladung ab, wenn ich sage, dass du sie ablieferst. Wenn du zu spät kommst, wird Pietro abhauen. Er weiß Dinge über meine Organisation. Ich muss sicherstellen, dass er zufrieden ist. Halte Dich an den Zeitplan, verstanden?“

Jonahs Herz sank.

„Ja, ich verstehe. Was soll ich mit Ardoss machen?“

„Töte ihn“, sagte Mickey kalt.

Jonah lief der Schweiß kalt über Gesicht und Rücken, und er dachte, ihm würde schlecht werden.

„Ich habe noch nie jemanden umgebracht“, sagte Jonah.

„Der erste ist hart, sicher“, sagte Mickey, seine Stimme wurde sanfter. „Aber wenn er lebt, setzt du den ganzen Job aufs Spiel. Wenn du ihn irgendwo ablieferst, kommt er zurück und du kommst ins Gefängnis. Und wenn du glaubst, dass du in einem Gefängnis vor mir sicher bist, irrst du. Ich habe überall Leute, Jonah. Ich werde mir holen, was mir zusteht, auf die eine oder andere Weise.“

„Die Advocacy wird hinter mir her sein, wenn ich ihn töte“, sagte Jonah. „Ich werde ein gesuchter Mann sein.“

„Das lass mal meine Sorge sein“, sagte Mickey. „Denk einfach an deine Familie, mein Junge. Sie brauchen ihren Vater. Sie brauchen das Geld.“

Jonah schluckte. Mit Mickey zu reden, machte es nicht besser. Er war zwischen zwei unmöglichen Entscheidungen gefangen.

„Und was schlägst du vor, wie ich einen Advocacy-Agenten umbringen soll?“, fragte Jonah. „Ich kann ihn ja nicht einfach aus einer Luftschleuse werfen.“

„Doch das könntest du“, sagte Mickey.

Jonah konnte das Lächeln auf seinen Lippen fast hören.

„Aber ich habe eine viel einfachere Lösung für dich“, sagte Mickey. „In der Kiste ist eine Waffe für Pietro. Sie befindet sich in einem versteckten Fach, ohne Code, nur mit einem speziellen Verschluss. Sie ist geladen, also sei vorsichtig. Hast du schon einmal eine Waffe abgefeuert?“

„Nein“, sagte Jonah und schüttelte den Kopf. Er hatte gesehen, wie sie abgefeuert wurden, und das furchtbare Geräusch gehört, das sie machten. Seine Ohren schmerzten, wenn er nur daran dachte.

„Es ist ganz einfach“, sagte Mickey. „Richte sie einfach auf den Kerl, den du tot sehen willst, und drücke den Abzug. Es ist wie Magie. Triff sie an der richtigen Stelle und sie sind einfach weg.“

Jonahs Magen verdrehte sich.

„Sonst noch etwas?“, fragte Mickey nach einem Moment.

„Nein“, sagte Jonah, „das war’s, glaube ich.“

„Gut. Ich weiß, dass du das Richtige tun wirst. Ruf mich wieder an, wenn es erledigt ist.“

Die Verbindung wurde unterbrochen. Jonah starrte auf seine Konsole. Seit zehn Jahren arbeitete er für Mickey, und noch nie war er gebeten worden, jemanden zu töten. Aber er hatte ja auch noch nie einen Agenten an Bord gehabt. Es klopfte an der Tür und Jonah riss den Kopf hoch. Char war aus dem Frachtraum zurück. Er ließ sie herein.

„Mein Gott, Jo, du bist ja ganz blass“, sagte sie. „Geht es dir gut?“

„Ja“, sagte er und schob sich von seinem Platz weg.

„Ich muss nach der Ladung sehen.“

„Was ist denn los?“, fragte sie.

„Nichts“, sagte er und winkte ab.

„Ich habe etwas vergessen. Es wird nicht lange dauern.“

Er spürte ihre Augen auf sich gerichtet, als er das Cockpit verließ. Sie wusste, dass etwas im Busch war. Er hoffte nur, dass er sie davon abhalten konnte. Das war nicht ihre Bürde. Er entdeckte den Agenten im Passagierbereich und biss die Zähne zusammen.

Zeit, es hinter sich zu bringen.

_____________________________

Ardoss rutschte in seinem Sitz hin und her. Er hatte nie etwas mit Jonah Ruskella zu tun gehabt. Sie waren sich nicht ein einziges Mal über den Weg gelaufen. Der Pilot hätte ihn nicht wiedererkannt. Das Letzte, was Ardoss brauchte, war ein aufgeblasener Angeber, der seine Tarnung auffliegen ließ. Er hatte Ruskella nicht verschrecken wollen, aber jetzt war es zu spät. Der Copilot kam aus dem Frachtraum zurück. Irgendetwas war im Gange. Er ignorierte das meiste, was der Politiker sagte, und beobachtete das Cockpit. Die Tür war offen, und er konnte Geflüster vernehmen.

Einen Moment später erschien Ruskella in der Tür und sah Ardoss direkt an. Ruskella war blass, viel blasser als beim Einsteigen und seine Hände zitterten. Er blickte auf das Deck, als er an Ardoss vorbeiging. Er führte etwas im Schilde. Ardoss löste sich von seinem Sitz und folgte Ruskella in den Frachtraum. Er schlich den Korridor entlang und fand eine Waffe in seinem Gesicht, sobald er um die Ecke bog.

„Lass uns nichts tun, was wir später bereuen werden, Ruskella“, sagte Ardoss.

„Ich bereue schon zu viel“, sagte Ruskella. „Das sollte eine einfache Übergabe sein. Aber Sie musssten es ja unbedingt schwer machen. Sie hätten sich raushalten und Pietro entkommen lassen sollen.“

„Du triffst dich also mit Marquez“, sagte Ardoss.

„Als ob Sie das nicht gewusst haben“, erwiderte Jonah. „Sie haben darauf gedrängt, auf mein Schiff gebucht zu werden. Sie haben einen falschen Namen angenommen. Sie wissen, für wen Pietro und ich arbeiten.“

Jonah wurde fast hysterisch. Dieser Mann war kein Killer, das konnte Ardoss sehen. Er hielt nicht einmal die Waffe richtig.

„Du brauchst mich nicht zu erschießen“, sagte Ardoss ruhig und hob langsam die Hände.

Die Waffe brachte Ruskella aus dem Gleichgewicht. Er war nervös, und die kleinste Bewegung konnte dazu führen, dass er schoss. Die Kugel würde den Rumpf durchschlagen oder abprallen. So oder so, es würde schlimm enden.

„Ich will aber“, sagte Ruskella.

Ardoss schüttelte den Kopf und machte einen Schritt nach vorn. Ruskella legte beide Hände auf die Waffe. Sie zitterte immer noch, aber nicht mehr so stark. Er könnte Ardoss tatsächlich treffen, wenn er den Abzug betätigte.

„Du hast es nicht in dir“, sagte Ardoss. „Du bist ein Schmuggler, ein Kurier. Aber Du bist kein Mörder. Das wirst du auch nie sein. Das bist nicht du.“

„Denken Sie etwa, ich will Sie umbringen? Ich will nur diesen Job hinter mich bringen und meine Familie wiedersehen“, sagte Ruskella.

„Ich sorge mich um Pietro“, beschwichtigte Ardoss. „Er ist der Einzige, hinter dem ich her bin. Hilft mir und Du wirst keine Gefängniszelle von innen sehen. Du wirst nach Hause zu deiner Familie gehen, du hast mein Wort.“

„Wenn ich dir Pietro gebe, bin ich ein toter Mann“, sagte Ruskella.

„So muss es nicht laufen. Ich schütze meine Informanten, aber wenn du mich tötest, bsu du  erledigt“, sagte Ardoss. „Vielleicht nicht sofort, aber es wird passieren.“

Ruskellas Nasenlöcher blähten sich. Ardoss’ Arme wurden langsam müde. Es musste etwas geschehen, und zwar bald.

„Geh in den Spind“, sagte Ruskella.

„Was?“, sagte Ardoss. „Gleich hinter Ihnen ist ein Werkzeugschrank“, sagte Ruskella. „Er lässt sich von außen abschließen und ist gerade groß genug für Sie.Los jetzt.“

Ardoss zog die Stirn in Falten.

„Ich steige nicht in einen Spind.“

„Rein da oder ich erschieße Sie“, sagte Ruskella.

„Du wirst mich auch nicht erschießen“, sagte Ardoss weiterhin ruhig.

Ruskella hob die Waffe und machte einen Schritt nach vorn. Ruskellas Hände schwitzten und er hatte Mühe, sie zu halten. Ardoss nutzte die momentane Ablenkung, um sich auf den Piloten zu stürzen. Er kollidierte mit Ruskellas Oberkörper, und die beiden Männer stürzten in die Transportkisten. Die Waffe flog Ruskella aus der Hand und schlitterte über den Boden. Ruskella wich zurück und schlug Ardoss in die Schulter. Zweifellos zielte er auf das Gesicht, aber es war trotzdem ein harter Schlag. Jonah konnte vielleicht nicht mit einer Waffe umgehen, aber er wusste, wie man zuschlug. Ardoss stolperte zurück und Ruskella stürzte sich auf ihn. Ardoss stemmte sich dagegen und packte ihn unter den Armen.

Er schubste Jonah nach hinten. Er  stolperte ein wenig und griff dann wieder an. Ardoss hatte als Kind einige Zeit auf einer Rinderfarm verbracht. Der Züchter hatte damals einen Stier mit einem legendären Temperament. Er griff jeden an, der ihm zu nahe kam. Das war es, was Ruskella jetzt war. Ein Stier. Er kämpfte ohne Ziel. Er wollte unbedingt gewinnen. Ardoss konnte es ihm nicht verübeln. Trotzdem hatte er eine Aufgabe zu erfüllen. Ardoss wich Ruskella aus und ballte seine beiden Fäuste. Er ließ sie auf Ruskellas Rücken niedersausen, und der Mann sackte zusammen wie ein Kartenstapel.

„Ich habe keine Zeit für so etwas“, sagte Ardoss. „Sagmir jetzt, wo du dich mit Pietro Marquez treffen willst.“

„Nein“, sagte Ruskella keuchend, „auf gar keinen Fall.“

Er stemmte sich auf wackeligen Armen hoch.

„Wenn du mir seinen Aufenthaltsort sagst, können wir dich beschützen“, sagte Ardoss.

Jonah drohte sich halb lachend, halb weinend um. Tränen kullerten ihm über das Gesicht.

„Verstehst du denn nicht?  Pietro weiß zu viel. Er weiß viel mehr als ich. Wenn ich ihn ausliefere, gibt es nichts, was mich schützen kann. Mickey Black hat überall Leute. Überall. Verstehst du das? Es gibt keinen sicheren Ort für mich, wenn ich Ihnen helfe. Und es gibt keinen sicheren Ort für Pietro. Lassen Se ihn einfach gehen.“

„Das kann ich nicht“, sagte Ardoss.

„Dann töten Sie mich“, sagte Ruskella. „Ich bin so oder so tot.“

Ardoss schüttelte den Kopf.

 „Ich bin nicht hier, um das zu tun. Ich werde Pietro Marquez verhaften, dann bringe ich Euch beide vor Gericht, wo Ihr Euch für Eure Verbrechen verantworten müsst. Und jetzt ab in den Spind.“

„Mein Co-Pilot wird das nicht dulden“, sagte Ruskella.

„Ich werde schon mit ihr fertig.“

Ein Lächeln breitete sich auf Ruskellas Gesicht aus.

 „Das bezweifle ich sehr.“

Schmerz explodierte in Ardoss’ Hinterkopf auf und er fiel auf die Knie.

„Bist du okay, Jo?“

„Ja, Char“, sagte Ruskella. „Danke dafür.“

„Das war also die Fracht, die du überprüfen wolltest?“, fragte sie. „Warum hast du mir das nicht von Anfang an gesagt?“

Ardoss’ Sicht verschwamm und er hörte ihr Gespräch nur gedämpft. Sie hatte ihn hart geschlagen. Nicht hart genug, um ihn bewusstlos zu machen, aber hart genug, um ihn dazu zu bringen, wirklich lange darüber nachzudenken, ob er aufstehen sollte.

„Ja, das tut mir leid“, sagte Ruskella. „Ich wollte dich nicht mit hineinziehen.“

Sie stieß einen verärgerten Seufzer aus.

„Dieses Schiff ist auch mein Zuhause. Was auch immer hier passiert, betrifft auch mich.“

„Das werde ich mir merken“, sagte Jonah.

„Was wollen wir mit ihm machen?“, fragte die Co-Pilotin. Sie tippte ihn mit ihrem Stiefel an.

 „Ich werde ihn nicht umbringen“, sagte Jonah.

„So etwas würde ich nicht einmal vorschlagen, Jo“, sagte sie.

„…aber er stört dich bei deiner Arbeit für Mickey, nicht wahr?“

„Ja“, sagte Jonah, „warte, woher weißt du von Mickey?“

Sie lachte.

„Jo, ich kenne dich schon seit sechzehn Jahren. Ich weiß, was in deinem Leben vor sich geht.“

 Ardoss’ Sicht wurde klarer, und er schaffte es, sich gerade so weit zu drehen, dass er über seine Schulter schauen konnte. Die Co-Pilotin hatte die Waffe auf sein Gesicht gerichtet.

„Bitte“, sagte sie. „Im Gegensatz zu meinem Freund weiß ich, wie man eine Waffe abschießt.“

Er blinzelte. Sie machte keine Witze. Die Art und Weise, wie sie ihre Waffe hielt, die Knappheit ihres Fluganzugs – das waren eindeutige Hinweise. Ehemaliges Militär, so wie es aussah. Das hätte er früher bemerken müssen. Er hätte es getan, wenn er nicht so sehr darauf konzentriert gewesen wäre, seinen Partner zu fangen. Ardoss stieß einen Seufzer aus.

„Was werden Sie dann mit mir machen?“

Die Co-Pilotin wandte ihren Blick nicht von ihm ab. Ardoss drehte seinen Kopf wieder zu Jonah, der die Lippen schürzte.

„Ich …“, begann er, aber in diesem Momenr erbebte das Schiff. Ardoss verlor fast das Gleichgewicht.

„Was zum Teufel..?“

Zorn blitzte in Jonahs Gesicht auf.

„Jemand hat die Kontrolle über das Schiff übernommen.“

_____________________________

Die Dinge liefen ganz und gar nicht wie geplant. Ardoss wollte sich unbemerkt auf das Schiff „Open Sky“ schleichen, zum Rendezvous mit Pietro Marquez gelangen und sie alle auf einmal verhaften. Jetzt hatte ein Politiker, dem sein teurer Anzug nicht passte, Ardoss’ Tarnung ruiniert, was zu einem Showdown im Frachtraum geführt hatte. Und jetzt sah es so aus, als würde sich die Situation noch verschlimmern.

„Jemand hat dein Schiff entführt?“, fragte Ardoss.

„Keine Ahnung“, antwortete Jonah, „aber ich habe einen Zeitplan einzuhalten. Mickey wird mir den Kopf abreißen, wenn ich zu spät komme.“

„Was willst du mit ihm machen?“, fragte seine Co-Pilotin und warf ihren Kopf in Ardoss’ Richtung.

„Ich kann ihn auf dem Schiff nicht freilassen“, antwortete Jonah. „Wir müssen ihn in den Spind sperren.“

„Ich kann helfen“, sagte Ardoss.

„Auf keinen Fall.“

„Du vergisst“, sagte Ardoss, „wenn du dein Treffen mit Pietro verpasst, werde ich das ebenfalls. Wir haben beide ein Interesse daran, was auf diesem Schiff passiert und wohin es fliegt.

„Und wenn wir dort ankommen“, sagte Jonaha, „werden Sie Pietro Marquez verhaften und ich werde sterben. Ich sehe darin eher einen Interessenkonflikt als ein gemeinsames Ziel.“

„Ich könnte ihn verhaften, nachdem Du Dein Paket abgeliefert hast“, sagte Ardoss.

Jonah zog die Stirn in Falten.

„Fahren Sie fort“, sagte der Co-Pilot.

„Du sollst es nur abliefern, richtig?“, fragte Ardoss. „Mickey hat nie etwas davon gesagt, ihn sicher irgendwo abzusetzen?“

„Hat er nicht“, sagte Jonah, „aber er hat mir auch gesagt, dass ich Sie töten soll.“

„Und du hast es nicht getan“, sagte Ardoss. „…aber wie auch immer, Du widersetzt  Dich Deinem Boss, gibst Dein Paket ab und überlässt mir dann Pietro. Auf diese Weise bekommen wir beide, was wir wollen.“

„Er hat recht, Jo“, sagte Char.

„Und wenn ich es nicht tue?“, fragte Jonah.

„Dann wirst du wegen Beihilfe verhaftet“, sagte Ardoss. „Was glaubst du, was Mickey dann mit dir machen wird? Hilf mir, und ich kann dich beschützen.“

Jonahs Nasenflügel blähten sich..

„Ich werde darüber nachdenken“, sagte er schließlich. „Wenn Sie uns helfen und mir nicht in den Rücken fallen, werde ich vielleicht tun, was Sie möchten. Aber zuerst holen wir uns das Schiff urück.“

„Das ist nur fair“, sagte Ardoss. „Und wie wollt ihr vorgehen?“

„Wir schmeißen sie aus dem Cockpit“, sagte Jonah fest entschlossen.

Ardoss hob eine Augenbraue.

„Wirklich? Ihr kommt mir nicht wie der gewalttätige Typ vor.“

Jonahs Gesicht rötete sich.

„Es ist mein Schiff. Ich will es zurück.“

„Okay“, sagte Ardoss.

„Sagen wir, du stürmst da rauf und zerrst an…wer immer es ist, von deinem Platz. Oder versuchst es zumindest. Was dann?“

Jonah blickte auf den Boden.

„Ich weiß es nicht. Wir sperren sie ein?“

„Und wenn sie sich zur Wehr setzen?“

„Ich habe gegen Sie gekämpft – und verloren.“

Jonah starrte Ardoss  an, aber die Co-Pilotin trat vor.

„Ich kümmere mich darum“, sagte sie bestimmt.

Ardoss schüttelte den Kopf.

„Lasst mich das machen.“

Sowohl Pilot als auch Co-Pilotin sahen ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.

„Ich bin ein Agent“, sagte Ardoss. „Ich bin für so etwas ausgebildet.“

Jonah warf seiner Co-Pilotin einen Blick zu. Sie zuckte mit den Schultern.

„Da hat er recht.“

„Du bekommst die Waffe nicht zurück“, warnte Jonah.

„Ich brauche sie nicht“, erwiderte Ardross.

„Gut. Wie lautet der Plan?“

„Zuerst sehen wir nach, was zum Teufel da draußen los ist.“

„Nach dir“, sagte Char und deutete auf die Tür.

Ardoss nickte. Er griff nach der Verriegelung. Sie rührte sich nicht. Er verlagerte sein Gewicht darauf, aber es bewegte sich immer noch nicht.

„Sie klemmt.“

Die Co-Pilotin schob ihn aus dem Weg und drückte ihr eigenes Gewicht gegen die Tür, wobei ihr Gesicht von der Anstrengung rot wurde.

 „Es klemmt auf keinen Fall“, sagte sie und drückte erneut. „Wir halten das Schiff in einem tadellosen Zustand.“

Die verrammelte Tür war für sie ein persönlicher Affronte. Sie versuchte ein letztes Mal, die Tür zu öffnen, bevor sie sich mit der Realität ihrer Situation abfand. Sie spähte durch das Fenster.

„Ich sehe die Frau und das Kind“, sagte Ardoss, „aber keine Spur von dem Politiker. Ich schätze, wir wissen nun, wer dahintersteckt.“

„Er schien nicht der Typ für Entführungen zu sein“, sagte Jonah.

Sie zuckte mit den Schultern.

„Wir müssen davon ausgehen, dass es sich um eine Entführung handelt.“

„Die Tür ist verschlossen“, sagte Ardoss.

 „Stimmt“, sagte Char.

Sie klopfte an die Tür und spähte durch das Glas. Sie hämmerte gegen die Tür.

Nichts.

„Die Tür zu dick“, sagte sie. „Ich würde es über die Kommunikation versuchen, aber das würde Thrumm alarmieren oder wer auch immer die Kontrolle übernommen hat.“

„Die Notluke“, sagte Jonah.

Seine Co-Pilotin sah ihn an und kniff die Augen zusammen.

„Wenn wir diesen Weg nehmen, muss einer von uns die Luftschleuse bedienen und einer von uns muss da mit rausgehen“, sagte sie.

„Jemand muss mit dem Agenten allein sein.“

„Ich kann das Cockpit wieder übernehmen“, sagte Ardoss.

Jonah  schüttelte den Kopf.

„Ich kann nicht riskieren, dass Sie das Schiff übernehmen und uns hier zurücklassen. Einer von uns muss auch gehen.“

„Ich werde gehen“, sagte Char. „Ich habe mehr Schwerelosigkeitstraining und du wärst im Spind, sobald ich gehe.“

 „Gut“, sagte Jonah. „Wir kommen immer weiter vom Kurs ab, je länger wir hier stehen und streiten. Char, nimm den Agenten und erobere mein Schiff zurück.“

Ardoss konnte im Gesicht Jonahs lesen, dass er lieber derjenige gewesen wäre, der ging. Er musste viel Vertrauen in diese Frau haben. Ardoss wusste, wie das war, jemandem zu vertrauen. Aber das war jetzt weg, wie weggerissen, als er von Pietros Machenschaften erfuhr. Zwanzig Jahre waren sie zusammen und nie ein Wort, keine Andeutung…

Die drei machten sich schnell daran, den Frachtraum zu sichern. Jonah half Ardoss und seiner Co-Pilotin in die Evakuierungsanzüge.

„Warte, was ist mit dir?“, fragte Ardoss, „Der Frachtraum dieses Schiffes hat kein Luftschild.“

„Ich komme schon klar“, antwortete Jonah.

Ardoss hob eine Augenbraue.

„Ich habe es schon vorbereitet“, fuhr Jonah fort. Er deutete auf einen kleinen Sitz mit Gurten und einem Sauerstoff-Tank direkt neben dem Bedienfeld. Er hatte ein kleines Gehäuse mit einer Tür drum herum, kaum groß genug für eine Person.

„Ihr zwei habt das schon mal gemacht“, sagte Ardoss. „Muss interessant sein, für Mickey zu arbeiten.“

 Die Co-Pilotin warf einen strengen Blick auf Jonah.

„Kann ich nicht grad sagen.“

Jonah wurde knallrot, etwas Unausgesprochenes hing in der Luft. Schließlich wechselte er das Thema und sagte: „Wir müssen uns beeilen.“

Ardoss nickte und setzte mit Hilfe Chars seinen Helm auf. Er rastete ein. Sein Atem erwärmte den Helm und das Visier beschlug ein wenig. Das vertraute Zischen setzte ein, gefolgt von dem klinischen, aber etwas muffigen Geruch des direkt im Anzug gefilterten Sauerstoffs. Er hustete kräftig, als der Sauerstoff seine Lungen füllte.

„Können Sie mich hören?“, fragte Char über den Anzugskommunikationskanal.

„Laut und deutlich“, antwortete Ardoss.

„Du bist Char, richtig?“

Sie brauchte einen Moment, um zu antworten.

„Ja“, sagte sie. „Jetzt halten Sie sich an der Reling fest. Wir haben nur eine Chance, das zu schaffen.“

Er nickte und merkte sofort, dass der Anzug einfache Gesten verschluckte. Char griff nach dem Geländer und gab Jonah einen Daumen hoch. Ardoss folgte ihrem Beispiel. Jonah hatte sich eine Sauerstoff-Maske auf das Gesicht geschnallt, erwiderte die Geste und drückte einen Knopf auf der Konsole. Sofort zerrte das Vakuum an Ardoss. Er verlor fast den Halt, hielt sich aber mit der Hand am Geländer fest. Gerade als seine Finger abzurutschen begannen, glich der Druck aus und der Zug ließ nach.

 „Bereit?“, fragte Char.

„Ja.“

Sie griff nach außen und hielt sich am Rumpf fest. Ardoss folgte ihr. Als sie draußen waren, schloss sich die Tür. Er konnte sich vorstellen, was für ein Unbehagen Jonah haben musste. Es war auf jeden Fall mutig. Und geradezu gefährlich. Er dachte plötzlich besser über den Mann.

„Ihr steht euch ziemlich nahe“, sagte Ardoss.

 Char sagte nichts.

„Das ist wohl so“, fuhr er fort, „wenn ihr hier draußen allein seid, nur ihr beide.“

Schweigen.

„So war es auch bei Pietro und mir“, sagte er. „Oder ich dachte, wir wären es. Zwanzig Jahre waren wir zusammen, und ich hatte nie eine Ahnung, dass er für Mickey arbeitete. So ein Verrat lässt einen alles in Frage stellen.“

„Das würde ich Jonah nicht antun“, sagte sie.

„Was ist damit, dass er dich verarscht hat?“, fragte er. „Es ist klar, dass er bisher nichts von Mickey erzählt hatte.“

„Das brauchte er nicht“, sagte sie. „Ich wäre kein guter Partner, wenn ich die kleinen Dinge nicht bemerken würde. Er hat es nicht angesprochen, also habe ich es auch nicht erwähnt. Wir kennen uns seit sechzehn Jahren, er arbeitet seit zehn Jahren für Mickey. Ich wusste es an dem Tag, als Mickey ihn ansprach.“

„Seid ihr zwei …?“, fragte Ardoss.

Sie lachte.

„Natürlich nicht. Jonah ist verheiratet und hat drei Kinder. Ich habe ihn seiner Frau vorgestellt.“

 „Das hindert die Leute nicht daran, die Gesellschaft des anderen zu genießen“, sagte er.

Ardoss konnte den finsteren Blick, den sie ihm zuwarf, fast spüren.

„Ich schulde ihm mehr, als Sie verstehen können“, sagte sie. „Jonah ist ein guter Mann. Er würde nicht für Mickey arbeiten, wenn er die Wahl hätte.“

„Willst du damit sagen, dass er gezwungen wurde?“

„Natürlich wurde er das“, sagte sie. „Das ist die Art, wie Mickey Black arbeitet. Er findet etwas an dir, einen Weg, dich unter Druck zu setzen. Er manipuliert dich, damit du tust, was er will.“

Ardoss wollte noch mehr fragen, aber sie hatten das Cockpit erreicht.

„Wenn ich die Tür öffne, wird die Kabine dekomprimiert. Halten Sie sich an etwas fest, sonst werden Sie in den Weltraum geschleudert.“

„Verstanden“, sagte Ardoss.

Sie griff nach dem Riegel und Ardoss sah sich nach einem Haken oder einer Stange oder etwas anderem um, an dem er sich festhalten konnte. Er fand einen kleinen Vorsprung und er grub seine Finger hinein.

„Fertig“, sagte er.

Ohne ein weiteres Wort drehte sie den Griff und die Tür sprang auf. Luft zischte an ihnen vorbei und riss Ardoss’ Hände aus seinem Griff. Er versuchte, sich wieder an irgendetwas festzuhalten, aber er war bereits vom Schiff getrieben. Aus dem Cockpit ausgestoßene Lebensmittelverpackungen wirbelten um ihn herum. Er starrte sie einen Moment lang an, während das Schiff kleiner wurde. Das Zischen der Luft in seinem Anzug war das einzige Geräusch. Allmählich wuchs die Panik, als ihm klar wurde, dass das Schiff nicht mehr zurückkam. Das Klopfen seines eigenen Herzens und sein schnelles Atmen übertönten das Geräusch des Sauerstoffs. Ein rotes Licht blinkte auf seinem Display. Sein Sauerstoff-Level war niedrig. Diese Anzüge waren nicht für lange Ausflüge gedacht. Er hatte nur noch Minuten.

Ardoss beruhigte seine Atmung. Er musste sich schonen. Wenn er überleben wollte, musste er ruhig bleiben. Das Schiff wurde immer kleiner, und Ardoss konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass er bald sterben würde.

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Kapitel 03

Jonah lief im Frachtraum umher. Es kam ihm wie Stunden vor, seit Char und der Agent aus der Luftschleuse gegangen waren. Soweit er wusste, hätte der Agent sie auch töten können. Er bezweifelte es. Char war eine zu große Kämpferin. Aber allein und in seinem eigenen Frachtraum gefangen, ließ er seiner Fantasie freien Lauf. Er dachte sich alle möglichen Schreckensszenarien aus.

Er versuchte auf jede nur erdenkliche Weise, die Tür zu öffnen. Sie rührte sich immer noch nicht. Der Politiker musste irgendetwas ins Schloss geklemmt haben. Allein der Gedanke, dass jemand sein Schiff mutwillig zerstört hatte, brachte Jonahs Blut in Wallung. Endlich, nach seinem x-ten Versuch, die Tür zu öffnen, sah er Chars Gesicht auf der anderen Seite. Sie öffnete sie mit einem Grinsen.

„Wo ist Thrumm?“, fragte Jonah.

„Er macht ein Nickerchen.“

Sie drehte sich um und winkte ihm, ihr zu folgen. Jonah blickte sich um. Er entdeckte den Politiker direkt vor der Tür zum Cockpit. Auf seiner rechten Gesichtshälfte bildete sich soeben ein großer Bluterguss. Seine Augenlider zuckten im Schlaf, aber ansonsten bewegte er sich nicht.

„Und der Agent?“, fragte Jonah. „Hat er keine Schwierigkeiten gemacht?“

„Ich habe dir gesagt, dass ich auf mich selbst aufpassen kann“, sagte sie, „aber es gibt ein Problem.“

„Was für ein Problem?“, fragte Jonah.

„Er wurde ins All gesaugt“, sagte sie.

„Wir können ihn dort lassen oder ihn holen.“

Jonah starrte sie an.

„Die Sache ist nur“, sagte sie und sah den Politiker an, „dieser kleine Scheißhaufen hat uns vom Kurs abgebracht und Zeit gekostet.“

Sie gab ihm einen Tritt. Der Mann stöhnte, wachte aber nicht auf.

„Wir werden zu spät kommen.“

Jonahs Magen dreht sich um. Er blickte auf den bewusstlosen Mann auf dem Deck hinunter und dann wieder zu Char hinauf.

„Wir können Ardoss nicht da draußen treiben lassen.“

„Bist du sicher?“, fragte Char.

Jonah nickte.

„Er hat uns geholfen.“

Sie nickte und änderte die Richtung des Schiffes.

„Du ziehst es also durch? Du hilfst ihm, Mickey auszuschalten?“

„Es ist ein Ausweg“, sagte er.

Sie lächelte.

„Gut, das wurde auch Zeit.“

„Ich muss es wissen, Char. Warum hast du nach all den Jahren nie etwas gesagt?“

Char drehte sich um und sah ihn an.

„Du hast es nie angesprochen, also nahm ich an, dass du nicht darüber reden wolltest. Ich weiß es zu schätzen, dass du mich da nicht hineinziehen wolltest, aber ich habe immer auf dich aufgepasst. Bis jetzt war die Arbeit gut und beständig, und sie war nicht besonders gefährlich. Du bist mein Freund. Ich habe es gehasst, dich für einen Abschaum wie Mickey Black arbeiten zu sehen, aber ich habe es verstanden. Aber dieses Mal? Dich zu bitten, jemanden zu töten? Das ist nicht in Ordnung.“

Jonah wusste nicht, was er sagen sollte. Er hätte ihr Leben zerstören können, und sie war immer noch loyal. Er musste einen Weg finden, es bei ihr wiedergutzumachen. Schließlich kam Ardoss in Sicht. Jonah wusste, dass sein Sauerstoff niedrig sein musste. Die Anzüge hatten nicht viel.

„Ich hole ihn“, sagte Char und griff nach ihrem Helm.

Jonah folgte ihr und sie schüttelte den Kopf.

„Ich kann die Steuerung und die Rettung übernehmen“, sagte sie.

„Bleib hier und behalte ihn im Auge.“

Jonah blickte auf Thrumm hinunter.

„Warum hat er das getan?“

Sie zuckte mit den Schultern, mit dem Rücken zu ihm.

„Keine Ahnung. Ich habe ihm eine reingehauen, bevor er die Chance hatte, sich zu entschuldigen. Und wir waren im Vakuum, also glaube ich nicht, dass ich es überhaupt gehört hätte. Wir sind nah genug dran. Ich werde Ardoss einholen.“

Jonah nahm ihren Platz an der Steuerung ein und sah zu, wie sie aus dem Frachtraum in die Leere schwebte. Sie schlang ihre Arme um Ardoss und zündete die Retrotriebwerke, um sie beide zurück zum Schiff zu holen. Allein beim Zusehen drehte sich Jonahs Magen um. Da draußen verloren zu sein, musste schrecklich sein. Er hoffte, dass es Ardoss gut ging. Es war eine furchtbare Art zu sterben. Als die Sensoren ihm meldeten, dass sowohl Char als auch Ardoss wieder im Schiff waren und der Druck zurückgekehrt war, wandte Jonah seine Aufmerksamkeit dem Politiker zu.

Er hockte sich neben den Möchtegern-Entführer und untersuchte ihn. Thrumm roch nach teurem Öl und trug einen feinen Anzug. Seide? Oder etwas Synthetisches? Wie auch immer, er war auf jeden Fall teuer. Er drehte sich um und betrachtete die Schuhe des Mannes. Leder. Echtes Leder. Jonah rieb sich das Kinn. Dieser Kerl stand auf die teuren Sachen, auf die feineren Dinge im Leben. Er verlangte sogar ein Privatzimmer auf einem Schiff, das sich nicht einmal eine Privatsphäre für seine Besatzung leisten konnte. Er gab dem Politiker eine Ohrfeige. Thrumm stöhnte auf. Jonah schüttelte ihn.

„Hey, Kumpel, wach auf.“

Thrumm riss die Augen auf und murmelte etwas.

„Was war das?“, fragte Jonah. „Ich habe dich nicht verstanden.“

Er zog Thrumm an seinem Hemd hoch.

„Töte mich nicht“, sagte Thrumm.

Seine Stimme war erstickt.

„Das hängt davon ab, was du als nächstes sagst“, sagte Jonah.

Natürlich würde er ihn nicht töten, aber das brauchte der Mistkerl nicht zu wissen. Er spürte einen Adrenalinstoß und seine Hände zitterten, aber nicht vor Angst. Es fühlte sich gut an, zur Abwechslung mal die Kontrolle zu haben. Das Gefühl schockierte ihn so sehr, dass er den Mann fast fallen ließ.

„…am Anfang war es nur ein bisschen“, sagte Thrumm. „Dann wurde es mehr und mehr. Ich konnte mich nicht mehr zurückhalten. Ich bin so lange damit durchgekommen, dass ich dachte, niemand würde es herausfinden. Ich wurde unvorsichtig.“

„Wovon zum Teufel redest du?“, fragte Jonah.

„Das Geld“, sagte Thrumm. „Ich habe es genommen. Es tut mir leid.“

Jonah ließ den Mann los und seufzte. Thrumm wimmerte.

„Wirst du mich ausliefern?“

Jonah hob eine Augenbraue.

„Wegen Diebstahls? Ich bin kein Polizist.“

„Aber dieser Mann“, sagte Thrumm, „er ist von der Advocacy.“

Jonah starrte den Politiker einen Moment lang an, dann blinzelte er – und dann begann er zu lachen. Er lachte so sehr, dass er auf sein Hinterteil fiel. Es war so absurd.

„Habe ich einen Witz verpasst?“, fragte der Agent. Seine Stimme klang hauchdünn. Jonah blickte auf und sah, dass sein Gesicht blass war.

„Sie haben überlebt“, sagte Jonah.

„Ich weiß es zu schätzen, dass Ihr wegen mir zurückgekommen seid“, sagteArdoss..

Jonah stand auf.

„Wir hatten eine Abmachung.“

„Es war also der Politiker.“

Er sah zu Boden.

„Veruntreuer“, sagte Jonah.

„Er dachte, du würdest ihn in Ketten abführen.“

„Moment“, sagte Thrumm, „Sie sind nicht hier, um mich zu verhaften?“

Die Augen des Agenten wurden groß und er hob die Augenbrauen.

„Wohl kaum“, sagte er.

„Veruntreuung. Damit wird sich Ihre eigene Regierung befassen müssen. Sie hätten das Schiff ohne ein einziges Problem verlassen können, und ich hätte Sie nicht einmal zweimal angeschaut.“

Thrumm schien in sich zusammenzufallen und ein Ausdruck der Erleichterung wanderte über sein Gesicht.

„Sie lassen mich also gehen?“

Der Agent schnaubte.

„Verlassen Sie sich nicht darauf. Sie sollten wirklich nicht das Leben eines Advocacy-Agenten gefährden. Ich werde den örtlichen Behörden eine Nachricht zukommen lassen, sobald alles mit dem Schiff geklärt ist. Vorausgesetzt natürlich, der Pilot lässt mich sein Kommunikationssystem benutzen.“

„Machen Sie nur“, sagte Jonah.

Er wollte, dass dieser jämmerliche Bastard für immer weggesperrt wurde.

„Ich werde ihn in der Kabine einsperren“, sagte Char. „Wir sind wieder auf Kurs. Wir sollten innerhalb einer Stunde am Sprungpunkt sein.“

Jonah nickte ihr zu.

„Stellen Sie sich vor, Mr. Thrumm“, sagte sie, als sie ihn aus dem Cockpit schob, „Sie bekommen endlich das Privatzimmer, das Sie wollten.“

Thrumm wurde blass. Char zog ihn an den beiden anderen Passagieren vorbei. Die Geschäftsfrau starrte entsetzt, und der Teenager lehnte sich in seinem Sitz vor.

„Hey, Lady“, sagte der Junge, „kann ich als Nächster fliegen?“

Char schnaubte.

„Mach einen Flugschein.“

„Und, haben Sie über mein Angebot nachgedacht?“, fragte der Agent und schloss die Cockpittür.

„Ich will raus“, sagte Jonah, „und ich glaube nicht, dass Mickey mich einfach so gehen lassen wird. Sie sind die beste Chance, die ich habe. Wenn ich es nicht schaffe, Pietro bei der Übergabe zu treffen, wird Mickey mich mit Sicherheit umbringen. Außerdem haben Sie mein Schiff und wahrscheinlich auch mein Leben gerettet. Ich schulde Ihnen mehr, als ich zurückzahlen kann.“

„Helfen Sie mir, Pietro zu holen, und das wird mir genügen“, sagte Ardoss.

Jonah lächelte.

„Und wie soll ich Sie nennen?“, fragte er.

„Ardoss ist in Ordnung“, sagte er.

„Also war Pietro Ihr Partner?“, fragte Jonah.

„Mehr als das. Er war mein Freund“, sagte Ardoss.

„Und deshalb jagen Sie ihn?“

„Ja. Es sieht so aus, als sollte ich es sein, der ihn herbringt“, sagte Ardoss. „Und wenn es stimmt, was Char gesagt hat, und Mickey ihn zu all dem gezwungen hat, dann kann ich ihm vielleicht irgendwie helfen.“

Jonah nickte.

„Wie hat Mickey dich an den Haken bekommen“, fragte Ardoss.

Jonah streckte seine Hände aus und sah auf.

„Dieses Schiff. Ich konnte es mir nicht leisten, ich konnte keinen Kredit aufnehmen. Seit ich ein kleiner Junge war, wollte ich immer nur mein eigenes Raumschiff besitzen. Aber meine Familie ist arm. Mein Vater war Maschinenschlosser, meine Mutter war krank.“

„Warum fliegst du dann nicht für eine kommerzielle Firma?“, fragte Ardoss. „Die brauchen doch immer Piloten.“

„Das tat ich anfangs“, sagte Jonah. „Mein erster Job war als Co-Pilot auf einer Frachtfahrt.“

„Hat es dir nicht gefallen?“, fragte Ardoss.

Jonah schüttelte den Kopf.

„Ich wurde gefeuert. Wir wurden von Piraten geentert. Eines der Besatzungsmitglieder versuchte, sie abzuwehren. Es waren aber zu viele, als dass sie es allein hätte schaffen können, also beschloss ich zu helfen. Während des Kampfes wurden einige der übrigen Besatzungsmitglieder verletzt. Die Firma sagte, es sei unsere Schuld gewesen. Sie sagten, das wäre nicht passiert, wenn wir einfach kooperiert hätten. Das Nächste, was ich weiß, ist, dass ich auf dem Trockenen sitze. Danach hatte ich Schwierigkeiten, Arbeit zu finden, und konnte mich nicht lange halten, also beschloss ich, mich selbständig zu machen, aber ich konnte kein Schiff kaufen, und niemand wollte mir eines leihen, bis ich auf eigenen Füßen stand. Das heißt, alle bis auf eine Person.“

„Mickey Black“, sagte Ardoss.

Jonah nickte.

„Er bot mir an, das Schiff zu kaufen, wenn ich mit ihm zusammenarbeiten würde“, sagte Jonah. „Ich lehnte zuerst ab, wollte mein eigener Mann sein. Er sagte mir, das sei kein Problem. Ich würde ihm einfach ab und zu einen Gefallen tun und könnte das Schiff führen, wie ich wollte. Aber das stimmte nicht. Selbst mit einem Schiff konnte ich keine Arbeit finden, bis Mickey mich mit Meister Haru zusammenbrachte, aber mit den Schulden und Harus Anteil verdiente ich nicht genug. Das Komische ist, dass ich jetzt genug Kontakte und Knowhow habe. Ich könnte es auch alleine schaffen, wenn Mickey nicht mehr im Spiel wäre.“

„Und die Frau von dem Piratenangriff“, sagte Ardoss, „das war Char?“

Jonah nickte.

„Sie hat seitdem mit mir zusammengearbeitet.“

„Kein Wunder, dass sie so loyal ist“, sagte Ardoss.

„Ich bedaure es nicht“, sagte Jonah. „Ich habe das Richtige getan.“

„Natürlich hast du das“, sagte Ardoss. „Unabhängig davon, wie ich in die Lage gekommen bin, in der ich mich befinde“, sagte Jonah, „er weiß, wie er eine schlechte Situation zu seinem Vorteil nutzen kann. Ich wette, dass Pietro in ähnliche Schwierigkeiten geraten ist und Mickey ihm zu Hilfe kam. Das ist sein Ding. Und von diesem Moment an gehörst du ihm.“

„Selbst wenn das der Fall ist, muss ich Pietro trotzdem verhaften“, sagte Ardoss. „Wenn Pietro erpresst oder mit Gewalt dazu gebracht wurde, zu spionieren, dann ist Black ein viel größeres Problem, als irgendjemand geahnt hat, und der Rat muss es wissen. Es könnten noch andere Agenten für ihn arbeiten. Man kann nicht sagen, wie tief er in alles verstrickt ist.“

Jonah seufzte und lehnte sich gegen die Konsole. Er schloss für einen Moment die Augen. Er lauschte dem Surren des Schiffsmotors, spürte, wie er unter ihm vibrierte. Es sprach zu ihm. Er liebte das Fliegen, würde alles tun, um weiterzufliegen.

„Also, wenn wir das tun“, sagte Jonah, „dann habe ich ein paar Regeln.“

Ardoss schürzte die Lippen.

„Was für Regeln?“

„Ich werde Pietro nicht verletzen“, sagte Jonah. „Das ist das Allerwichtigste. Wir standen uns nicht nahe, aber er wurde genauso wie ich in die Sache hineingezogen.“

Ardoss verschränkte die Arme.

„Er war auch mein Freund, aber wenn er auf einen von uns schießt, werde ich zurückschießen.“

„Gut“, sagte Jonah, „wenn er zuerst schießt, werde ich Sie nicht aufhalten, aber das führt mich zu meiner zweiten Regel“, sagte Jonah. „Ich mache die Übergabe. Ich gebe ihm sein Paket und gehe wieder. Er wird nicht schießen, wenn ich ihm gebe, was er braucht.“

Ardoss’ Stirn legte sich in Falten.

„Das gefällt mir nicht. Du könntest ihn warnen, dass ich da bin.“

„Das werde ich nicht“, sagte Jonah.

„Ich habe Ihnen mein Wort gegeben. Auf diese Weise bin ich immer noch mit Mickey im Reinen. Alles, was danach passiert, kann nicht auf mich zurückfallen. Außerdem, wenn ich ihm sagen wollte, dass er abhauen soll, würde ich es ihm sagen, wenn ich ihn wegen der Treffpunktkoordinaten kontaktiere.“

„Moment, du weißt nicht, wo du ihn treffen sollst?“, fragte Ardoss.

Jonah lächelte.

„Sie sollten Pietro besser kennen. Er ist vorsichtig. Der Plan ist, einen Navigationspunkt zu erreichen und ihn zu kontaktieren. Von dort aus gibt er mir dann die endgültigen Koordinaten.“

„Also, wenn ich dich in den Spind gesperrt hätte..?“, fragte Ardoss.

„…wären Sie nicht sehr weit gekommen“, sagte Jonah. „Pietro muss meine Stimme hören.“

„Tja, ich schätze, es war so gewollt“, sagte Ardoss. „Wir werden es auf deine Weise versuchen. Aber wenn du ihn warnst, ist der Deal geplatzt.“

„Ich verstehe“, sagte Jonah.

„Dann lass uns jetzt zu Pietro fliegen.“

_____________________________

Sie erreichten den nächsten Sprungpunkt ohne Zwischenfälle. Die beiden anderen Passagiere, der Teenager und die junge Geschäftsfrau, störten sie nicht. Jonah nahm an, dass sie einfach nur froh waren, wieder auf dem Weg zu sein. Er sagte ihnen, dass es einen kurzen Umweg geben würde, und keiner von beiden hatte etwas dagegen.

Jonah war allerdings immer noch nervös. Er konnte es beschönigen, wie er wollte, aber er konnte nicht leugnen, dass er Mickey Black verraten hatte. Jonah erinnerte sich an einen Vorfall, als er anfing, für Mickey zu arbeiten. Sie hatten sich in einer anderen schmutzigen Bar in einem stillgelegten Bergbauhafen namens Grimhex getroffen. Er und Mickey arbeiteten gerade die Details eines Auftrags aus, als einer von Mickeys Handlangern jemanden hereinbrachte. Es war ein Mann, der etwas älter war als Jonah. Sein Gesicht war blutig und er bettelte um Gnade. Mickey stellte ihm nur eine Frage: Warum?

Der Mann starrte auf den Boden und hob seinen Kopf erst, als Mickey es verlangte. Als er es tat, sagte Mickey, es sei eine Schande. Das Nächste, was Jonah wusste, war, dass der Mann tot war, ein Schuss ins Gehirn, den Mickey ihm zu verdanken hatte. Mickey sagte Jonah nur, dass das mit Leuten passierte, die ihn hintergingen. Aber Jonah konnte so nicht weiterleben. Er wollte nicht sterben, aber so weiterleben, während Menschen, die ihm wichtig waren, bedroht wurden, war auch keine Option.

Jonah wollte einen Neuanfang. Pietro verdiente dasselbe. Er rief die sichere Frequenz auf, die Mickey ihm gegeben hatte.

„Du bist spät dran“, sagte Pietro.

„Wir hatten ein mechanisches Problem“, log Jonah.

 „Wenn ich diese Vorräte nicht bräuchte …“, sagte Pietro.

„Ich weiß“, erwiderte Jonah.

„Es tut mir leid. Ich werde es wieder gutmachen. Schicken Sie mir die Koordinaten und wir bringen Sie auf den Weg.“

Pietro grunzte.

Ein Text-Feed lief über Jonahs Konsole. Jonah hob eine Augenbraue, aber bevor er etwas anderes sagen konnte, war die Leitung tot.

„Also, wo ist es?“, fragte Ardoss, der von einer versteckten Ecke des Cockpits aus zugehört hatte.

„Es ist eine alter Reststop“, sagte Jonah. „Es ist niemand da, die Energieversorgung ist schwach, und es liegt außerhalb der normalen Reichweite der Advocacy.“

„Schlau“, sagte Ardoss. „Ich nehme an, du bist ihm hier noch nie begegnet?“

Jonah schüttelte den Kopf.

„Nein. Pietro und ich haben nicht viele Aufträge zusammen ausgeführt. Wir sind uns bei öfter mal über den Weg gelaufen, aber das war’s.“

„Aufträge“, sagte Ardoss, „das hört sich an, als wäre es eine gut geführte Organisation.“

„Es gibt einen Grund, warum du nicht viel über Mickey weißt“, sagte Jonah.

„Ich kenne Pietro und ich habe nachgedacht“, sagte Ardoss, „es wäre ein Fehler, wenn du allein und unbewaffnet gehst. Wenn er so in die Enge getrieben wird, ist er gefährlich. Du solltest Char mitnehmen, damit sie dir den Rücken freihält.“

Sie schüttelte den Kopf.

„Jonah macht die Übergaben immer allein. Wenn ich mitkomme, weiß er, dass etwas nicht stimmt.“

„Ich mache es allein“, sagte Jonah. „Ohne Waffe. Das war die Abmachung.“

Ardoss runzelte die Stirn und nickte.

„Also gut. Sobald die Übergabe erfolgt ist, entfernst du dich wieder. Wenn er das Feuer eröffnet, wenn ich ihn festnehme, will ich nicht riskieren, dass du ins Kreuzfeuer gerätst.“

„Okay.“

Jonahs Herz klopfte. Das war es. Sie taten es wirklich. Er hatte eine letzte Chance, der Sache ein Ende zu setzen. Ardoss drehte sich zu ihm um und legte eine Hand auf Jonahs Schulter.

„Habe keine Zweifel an mir“, sagte er. „Wir haben einen Plan. Wir sollten uns jetzt daran halten.“

Jonah nickte. Es war das Richtige, das zu tun. Char gab die Koordinaten für den Treffpunk ein. Sie kamen an einem Resttstop vorbei, die den Sprungpunkt versorgte. Es war nett, sauber und hatte gutes Essen. Es gab Veggie-Burger mit Proteinpaste und einen guten Vorrat an Bier. Der Ort, zu dem sie als nächstes flogen, hatte keinen. Er war außer Betrieb und verlassen. Vielleicht gab es noch etwas Treibstoff, wenn Aasfresser nicht längst alles durchwühlt hätten. Es hatte auf jeden Fall Strom. Nicht viel, aber etwas. Genug jedenfalls, um sich nicht in völliger Dunkelheit treffen zu müssen. Eine halbe Stunde später landeten sie und Jonah ging zu den beiden verbliebenen Passagieren.

„Wir müssen hier kurz stoppen“, sagte er. „Wenn unser Geschäft erledigt ist, werden wir diesen Ort so schnell wie möglich hinter uns lassen. Es gibt nur sehr wenig Strom und der Ort ist verlassen, also bleiben Sie zu Ihrer eigenen Sicherheit bitte an Bord.“

Der Teenager öffnete den Mund, wahrscheinlich um zu fragen, ob er mitkommen durfte, aber Char unterdrückte die Frage mit einem einzigen Blick. Die Geschäftsfrau verkroch sich in ihrem Stuhl. Jonah glaubte nicht, dass er mit einem von beiden ein Problem haben würde. Jonah ging zum Frachtraum und öffnete die Luftschleuse. Von dort aus brachte er Pietros Paket aus dem Schiff.

„Was hat dich aufgehalten?“, fragte eine Stimme.

Jonah drehte sich um und sah Pietro nur ein paar Meter entfernt stehen. Er sah älter aus, als Jonah es in Erinnerung hatte. Sein schwarzes Haar war schlaff und stumpf. Er hatte Ringe um die Augen und sein Gesicht war hager. Seine normalerweise gebräunte Haut war blass. Das Leben auf der Flucht war ihm offenbar nicht gut bekommen.

„Ich sagte doch, dass es unerwartete Verzögerungen gab“, sagte Jonah.

„Haben diese Verzögerungen etwas mit dem Veilchen in deinem Gesicht zu tun?“, fragte Pietro.

„Veilchen?“, erwiderte Jonah.

Er berührte sein Gesicht. Natürlich, der Kampf im Frachtraum. Ardoss muss ihn härter getroffen haben, als er dachte.

„Mickey dachte, ich bräuchte etwas mehr Überzeugungskraft, um den Job zu erledigen“, sagte Jonah.

„Lass uns das schnell erledigen, dann können wir uns beide wieder auf den Weg machen.“

„Es tut mir leid“, sagte Pietro. „Ich wusste, dass du nicht versuchen würdest, mich zu verarschen.“

Jonah zuckte fast zusammen. Das tat weh. Pietro vertraute ihm, oder zumindest vertraute er darauf, dass er zu feige war, etwas zu tun. Er hatte es satt, sich von anderen über den Tisch ziehen zu lassen.

Pietro kniete sich vor die Kiste und tippte auf seinen Code. Der Deckel sprang auf und er spähte hinein. Er verzog das Gesicht, als er ein schweres Tuch zur Seite zog.

„Soll das ein Scherz sein, Jonah?“, fragte er.

Jonah spürte, wie das Blut aus seinem Gesicht wich.

„Was für ein Scherz?“

„Hier ist nichts weiter drin als ein Haufen Steine.“

Jonah trat an die Kiste und blickte hinein. Tatsächlich: Steine, große graue Steine. Keine Vorräte, keine Transmitter, kein Bargeld. Nur ein großer Haufen Steine und Lehm. Er sah auf und starrte in den Lauf von Pietros Waffe. Er nahm die Hände hoch und wich einen Schritt zurück.

„Ganz ruhig, Pietro“, sagte Jonah.

Pietro spannte seine Waffe.

„Du hast etwa sechzig Sekunden, um es zu erklären.“

„Die Hälfte davon hast du, um die Waffe wegzulegen, Pete“, sagte Ardoss.

.

Kapitel 04

Ardoss’ Finger ruhte auf dem Abzug seiner Waffe. Er hatte immer gewusst, dass es so ablaufen würde. Na ja, vielleicht nicht ganz so. Mit der Hilfe des Schiffspiloten Jonah Ruskella hatte er endlich seinen Partner Pietro Marquez aufgespürt. Jonah war ein Botenjunge für den Piraten Mickey Black, der sich gegen seinen Arbeitgeber wenden wollte. Doch alles war schiefgegangen. Ardoss’ Tarnung war aufgeflogen, das Schiff war vorübergehend gekapert worden, und jetzt, wo sie endlich hier waren, stellte sich heraus, dass Mickey Pietro hintergangen hatte und die versprochene Fracht fehlte.

Jetzt standen sie in einem alten, verlassenen Reststop, mit gezogenen Waffen, und Jonah saß zwischen allen Stühlen. Nach allem, was Jonah für Ardoss riskiert hatte, konnte er nicht zulassen, dass Pietro ihn erschoss. Als Ardoss sah, wie eine Schweißperle über das Gesicht seines ehemaligen Partners rann, musste er an die Zeit denken, als die Advocacy ihn zum ersten Mal zu seinem Partner gemacht hatte. Pietro war ein Anfänger gewesen. Dieser junge Mann war verschwunden. Ardoss hatte es bis zu diesem Moment nicht wirklich bemerkt. Sein schwarzes Haar war ergraut und dünn. Falten umgaben seinen Mund und seine Augen, und der jugendliche Überschwang war verschwunden. Jetzt war nur noch ein älterer Mann übrig, müde und verängstigt.

„Ich erinnere mich an diesen Ort“, sagte Ardoss. „Er wurde von einer Bande von Schmugglern gehalten.“

„Sklavenhändler“, sagte Pietro.

„Schmuggelware ist Schmuggelware“, sagte Ardoss.

„Du hast schon immer alles vereinfacht, Ardoss“, sagte Pietro. „Die Dinge lassen sich aber nicht in kleine Haufen von Guten und Bösen, Schmuggelware und Nicht-Schmuggelware einteilen. Es ist so viel chaotischer als das.“

„Das beginne ich auch zu erkennen“, sagte Ardoss. Seine Hand begann sich zu verkrampfen. Sie konnten nicht ewig so weitermachen. Irgendwann würde jemand schießen.

„Ich glaube nicht, dass du das tust“, sagte Pietro.

„Wenn du nicht siehst, was Mickey Black tut, bist du blind.“

Ardoss merkte, dass Pietro unendlich müde war. Er war kein Meisterspion, der seine Prinzipien verraten hatte. Er saß in der Falle. Ardoss wollte ihn genauso wenig töten, wie er Jonah töten wollte. Es war nicht ihre Schuld.

„Mir sind die Augen geöffnet worden“, sagte Ardoss. „Mickey Black ist ein Ungeheuer. Ich will dir helfen, wo ich nur kann. Ihr müsst nicht fliehen. Wir können ihn zur Strecke bringen.“

Pietro lachte.

„Einen Mann wie Mickey Black kann man nicht zu Fall bringen. Weißt du, wie groß seine Organisation ist? Er hat tausende Leute. Von Kurieren wie Jonah über Spione wie mich bis hin zu Auftragskillern, an die man gar nicht erst denken will. Er ist ein Albtraum. Ein laufender, sprechender, atmender Albtraum. Es kommt etwas auf uns zu. Es ist groß, größer als groß. Es wird alles verändern. Ich bin nur ein kleiner Teil davon.“

„Du musst nicht in Angst leben“, sagte Ardoss. „Sprich einfach mit mir. Sag mir, warum.“

„Ich weiß es gar nicht mehr“, sagte Pietro. „Es spielt auch keine Rolle. Mein Leben ist vorbei. Ich muss weg von hier.“

„Du musstest wissen, dass es jemand herausfinden wird“, sagte Ardoss. „Solche Dinge bleiben nicht geheim. Und die Advocacy wird nicht aufhören. Selbst wenn du in das Gebiet der Banu gehst, werden sie weiter nach dir suchen.“

„Das ist besser als tot zu sein“, sagte Pietro.

„Ein Leben in Angst?“, fragte Ardoss. „Schlaflose Nächte? Immer in Bewegung sein? Über die Schulter schauen? Wir beide haben diese Typen schon gesehen. Irgendwann nehmen sie sich das Leben oder isolieren sich so weit vom bekannten Universum, dass sie den Verstand verlieren und nicht mehr wissen, was real ist. Das ist kein Leben, Pietro. Das ist ein eigenes Gefängnis. Gib der Advocacy alles, was du über Mickey Black hast, und wir können ihn ausschalten.“

„Es wird sich immer jemand finden, der seinen Platz einnimmt“, sagte Pietro.

„Sicher wird es das“, sagte Ardoss. „Aber er wird einer weniger sein. Wir können es ihnen schwieriger machen. Wir können nach Leuten suchen, die sie in ihren Dienst gezwungen haben. Wir können helfen, Pietro. Du weißt, dass wir das können.“

„…da ich gerade zwischen zwei Gewehrläufen festsitze“, sagte Jonah, „würde ich mich gerne einmischen.“

Pietro warf Jonah einen Blick zu.

„Ich bin in der gleichen Situation wie du“, sagte Jonah. „Ich habe ständig Angst davor, was Mickey Black mich als Nächstes tun lassen könnte. Ich habe Angst, dass ich verhaftet werde oder dass meiner Familie etwas passiert. Aber ich will nicht länger in Angst leben. Ich weiß, dass es dir genauso geht. Das ist kein Leben, jedenfalls keines, das sich lohnt. Wir müssen es wenigstens versuchen.“

„Hör auf ihn, Pietro“, sagte Ardoss. „Er hat eine Frau und Kinder zu Hause. Er denkt an sie. Du musst an deine eigene Familie denken. Willst du, dass sie sich Sorgen um dich machen und nie wissen, wo du bist? Oder willst du sie beschützen?“

„Ich will sie beschützen“, sagte Pietro leise.

„Natürlich willst du das“, sagte Jonah. „Das ist alles, was du je gewollt hast. Was jeder von uns will.“

„Du wirst sie in Schutzhaft nehmen, nicht wahr?“, sagte Pietro und senkte seine Waffe.

Jonah nahm die Waffe und steckte sie ein.

Ardoss ließ seine Waffe ebenfalls sinken.

„Ja“, sagte Ardoss. „Mickey wird sie nicht finden.“

„Ich werde dir alles sagen“, sagte Pietro. „Abholungen, Übergaben, mit wem ich mich getroffen habe und wo. Du solltest wissen, dass er plant -“

Aber was er plante, würde Ardoss niemals von Pietro erfahren. Ein Schuss ertönte in der Andockbucht und Pietro fiel wie eine Marionette um, deren Fäden durchgeschnitten wurden. Jonah stürzte sich auf hinter Kistenstapel, während Ardoss zu Boden fiel. Ardoss kroch ebenfalls in Deckung und suchte die Umgebung nach einem Schützen ab. Es gab hier zu viele Aussichtspunkte. Er hätte zuerst die Station absuchen sollen, aber dafür war keine Zeit gewesen. Jetzt sah er mehrere Verstecke.

Alte Schächte, verlassene Kisten, erhöhte Quergänge, Türen zu angrenzenden Räumen. Und schlimmer noch, es hallte. Das machte es schwierig, die Quelle zu finden. Ein weiterer Schuss ertönte und prallte ab. Der Schütze war gut, er hatte Pietro mit einem Schuss getroffen. Aber wo auch immer der Schütze hockte, es gab keine Sichtlinie zu Ardoss. Er traf eine Entscheidung. Er sprang vorwärts und kniete sich neben seinen alten Partner. Pietros Kleidung war blutdurchtränkt und seine Haut war blass. Er hob ihn an den Schultern an und zerrte ihn schnell zurück in seine Deckung. Pietro sprach kaum mehr als ein Flüstern und Ardoss musste sich tief bücken, um es zu hören.

„Der Senat…“, sagte Pietro.

„Der Senat.“

Dann war er verschwunden. Ardoss starrte ihm nach, unsicher, was er von dem halten sollte, was sein alter Partner gesagt hatte. Mickey Black plante etwas, und es hatte mit dem UEE-Senat zu tun.

_____________________________

Sie waren so nah dran gewesen. Pietro hatte eingewilligt, sich gegen Mickey zu wenden, wohl wissend, dass es seinen Tod bedeuten würde. Sie hatten nur nicht damit gerechnet, dass es so bald sein würde. Ardoss sah auf Pietro herab. Pietro war ein guter Mann gewesen, oder zumindest hatte er versucht, einer zu sein. Wenn Ardoss nur früher gewusst hätte, was vor sich ging, wäre sein Partner vielleicht noch am Leben. Er lugte aus seiner Deckung hervor und versuchte erneut zu erkennen, woher die Schüsse kamen. Woher  wusste noch jemand,  dass sie hier waren?

Doch das konnte eigentlich nicht möglich sein. Pietro hatte gewartet, bis Jonah ihn kontaktiert hatte, um ihm die Koordinaten zu geben. Nicht einmal Mickey konnte es wissen. Das ließ nur eine andere Möglichkeit zu. Es war ein weiterer Spion an Bord von Jonahs Schiff. Sein Blickwinkel war miserabel. Von dort, wo er stand, konnte er nicht viel sehen. Vorsichtig verließ er seine Deckung, mit gezogener Waffe und begann, durch den alten Frachtraum zu schleichen. Doch bevor Ardoss weitere Nachforschungen anstellen konnte, ertönte ein weiterer Schuss und er taumelte nach hinten.

Es fühlte sich an, als hätte ihm ein Mann, der doppelt so groß war wie er, einen Schlag in die Brust versetzt. Er blickte nach unten und sah, wie sein Anzug an der linken Schulter rot aufblühte. Ein weiterer Schuss ertönte, der an einem Schott abprallte. Ardoss schüttelte seine Benommenheit ab und schaffte es, sich hinter einige Kisten zu ducken.

„Er ist weiter oben“, sagte Jonah und kauerte sich neben ihn.

„Woher willst du das wissen?“, fragte Ardoss.

„Da ist ein Brandfleck auf dem Boden, genau dort“, sagte Jonah und zeigte darauf. Ardoss blinzelte und folgte Jonahs Finger. Und tatsächlich, da war ein Brandfleck auf dem Boden. Wäre der Schuss direkt auf sie gefallen, wäre der Brandfleck weiter hinter ihnen auf dem Boden. Der Schütze war ganz sicher weiter oben.

„Ich verstehe das nicht“, sagte Ardoss. „Dieser Scharfschütze hat Pietro mit einem einzigen Schuss erwischt. Und dann schießt er daneben? Spielt er mit uns?“

„Es ist wahrscheinlicher, dass er selbst unter Beschuss ist“, sagte Jonah.

„Char?“, fragte Ardoss.

Jonah nickte.

„Ich habe sie gebeten, Wache zu halten, falls Pietro lügt. Sie ist eine hervorragende Schützin.

„Warum schießt der Scharfschütze dann immer noch?“, fragte Ardoss, als eine weitere Explosion ertönte.

Jonah zuckte mit den Schultern:

Die Schüsse hörten auf. Jonah spähte vorsichtig über die Kiste, und Ardoss zog ihn wieder herunter.

„Char, hast du ihn erwischt?“, fragte Ardoss.

„Char?“

„Nein“, sagte sie knapp.

„Sie ist noch hier drin. Bleib auf der Hut.“

„Warte“, sagte Ardoss, „sie?“

„Ja“, sagte Char,

„jetzt halte die Augen offen.“

Ardoss spürte, wie sein Adrenalin in die Höhe schoss. Pietro war tot, und diese Frau war immer noch auf der Jagd nach ihnen. Wie viele plante sie zu töten? Nur Ardoss? Die gesamte Besatzung? Was war mit den anderen Passagieren? In diesem Moment wurde ihm klar, dass es die Geschäftsfrau sein musste. Sie war so ruhig und unauffällig, die perfekte Tarnung für eine Attentäterin.

Jonah kroch zwischen den Kisten hervor, die Waffe immer noch gezogen, der linke Arm nutzlos. Jonah packte Ardoss an der guten Schulter.

„Du wirst erschossen werden.“

„Ich wurde schon erschossen“, sagte Ardoss.

„Wir müssen sie finden. Sie wird uns nicht einfach ziehen lassen. Wir wissen zu viel.“

Jonah bewegte seinen Kiefer, sagte aber nichts weiter. Ardoss streckte den Kopf heraus. Er musste wissen, wo sie war, welche Möglichkeiten sie hatte. Dann, eine Bewegung. Ardoss richtete seine Waffe aus. Sie war nicht so hoch oben, wie er erwartet hatte, nicht in den Schächten. Sie lag auf ein paar Kisten. Chars Kopf lugte hinter den Kisten hervor. Sie zeigte auf Ardoss und dann hinter ihn. Er drehte sich um. Seine Schulter pochte, aber zum Glück hielt sich der intensive Schmerz, von dem er wusste, dass er kommen würde, noch in Grenzen. Zu viel Adrenalin, dachte er sich. Er warf einen Blick zurück zu Char, aber sie war verschwunden und kroch unter die Fracht. Er bewegte sich hinter die Kiste mit schimmeligen Lebensmitteln, wo sich Jonah immer noch versteckte.

Jonah sah ihn nur mit großen Augen an. Weiter hinten gab es einen weiteren Kistenstapel und ein paar alte Tanks. Ein perfekter Ort, um sich zu verstecken. Wie viele Schüsse hatte sie abgefeuert? Wie viele Patronen hatte sie noch? Genug, um ein oder zwei Leute auszuschalten? Mehr? Ardoss wusste, dass er das Hauptziel sein würde, dann Char. Jonah würde der letzte sein, zuvor würde sie  den Teenager und Thrumm töten, um jegliche Zeugen auszuschalten.

Der Stapel war schattig und stank. Es gab viele dunkle Ecken, um sich darin zu verstecken. Ardoss schlich am Rand einer Kiste entlang und um einen Treibstofftank herum. Dort sah er sich plötzlich der Mörderin seines Partners gegenüber. Ihr Geschäftsanzug war zerrissen und an einigen Stellen blutig. Schweiß verfilzte ihr kurzes Haar auf der Stirn. Ihre Haut war gerötet und ihr Brustkorb pulsierte heftig.

„Lassen Sie die Waffe fallen“, sagte sie, „oder ich erschieße Sie.“

„Unwahrscheinlich“, erwiderte Ardoss.

„Ich werde schießen“, beharrte die Frau.

Ardoss lächelte.

„Hättest du noch mehr Kugeln, hättest du mich schon längst getötet.“

 Die Frau grinste kurz, aber das Grinsen war im Nu verschwunden und wurde durch ein Knurren ersetzt. Sie ließ die Waffe fallen und stürzte sich auf ihn. Sie setzte ihre ganze Kraft ein, um seine linke Schulter zu treffen. Er schrie auf und sackte auf das Deck. Sie krabbelte über ihn hinweg und griff nach seiner Waffe. Ardoss drehte sich um, packte ihr Bein mit seiner guten Hand und zog kräftig daran. Die Frau fluchte und trat nach ihm. Der erste Tritt traf seinen Unterarm, aber er blieb standhaft. Der nächste traf seine Fingerknöchel und sein Griff lockerte sich. Sie schüttelte sich und kroch zu der Waffe. Ardoss begann, auf sie zuzukrabbeln, aber sie hatte die Waffe schon in der Hand. Sie kippte auf den Rücken und feuerte. Der Schuss ging daneben und Ardoss nutzte den Moment, um in Deckung zu gehen. Er warf einen Blick hinter sich. Die Frau war auf den Beinen.

„Ich mache es schnell“, sagte sie, „ich verspreche es.“

Er setzte zum Sprung an, um sich auf sie zu stürzen, aber er hatte keine Gelegenheit dazu. Er stieß einen Schrei aus als ein dunkler Fleck mit der Attentäterin zusammenstieß. Zwei Gestalten fielen zu Boden und die Waffe flog über das Deck. Ardoss stürzte sich auf die Waffe, seine Finger schlossen sich um den Griff und er wirbelte herum. Jonah lag auf der Frau, die Knie auf ihren Hüften, die Hände auf ihren Schultern. Jonah schlug auf sie ein und griff dann nach seiner eigenenHand und rieb sich die Knöchel.

„Geht es dir besser?“, fragte Ardoss.

„Nein“, sagte Jonah, „meine Hand tut weh.“

Ardoss lachte. Jonah starrte ihn an, dann begann er zu lachen.

„Habe ich etwas Lustiges verpasst?“, fragte Char.

Ardoss blickte auf. Sie stand hinter Jonah und der Attentäterin, die Waffe locker in der Hand und mit großen Augen.

„Pietro?“, sagte Char.

„Er hat es nicht geschafft“, sagte Ardoss, und sein Lachen verstummte. Auch Jonah hielt inne.

„Sie hat dich erwischt“, sagte Char.

Ardoss blickte zu Boden.

 „Wie konnten wir also einen Attentäter auf dem Schiff übersehen?“, fragte Jonah.

Er rollte sich von der Frau herunter. Char überquerte die wenigen Meter zwischen ihnen. Sie richtete ihr Gewehr auf den Kopf der Frau.

„Fang an zu reden.“

Die Frau leckte sich über die Lippen und verschmierte sie mit Blut.

„Das geht dich nichts an“, sagte sie.

Char spannte das Gewehr.

„Das ist keine gute Antwort.“

Die Frau starrte ihn an.

„Wenn du sie tötest, bekommen wir keine Antworten“, sagte Ardoss.

„Wer hat etwas davon gesagt, sie zu töten?“, sagte Char.

Sie schwang den Kolben ihrer Waffe herum und rammte ihn gegen das Knie der Frau. Die Mörderin schrie auf und umklammerte ihr Bein.

„Pietro sollte nie lebend davonkommen“, sagte sie keuchend.

„Was?“, sagte Jonah.

Char stupste das Knie der Frau mit dem Lauf ihrer Waffe an.

„Mach weiter.“

Die Frau zuckte zusammen.

„Die Übergabe war eine Farce“, sagte sie.

„Es war ein abgekartetes Spiel. Mickey wusste, dass Pietro nur dir vertrauen würde, also hat er die ganze Sache eingefädelt, Passagiere organisiert und dafür gesorgt, dass ich die Überfahrt buchen konnte.“

Jonah sackte in sich zusammen.

„Warum?“, fragte Jonah. „Warum das alles?“

Die Frau zuckte mit den Schultern.

„Ich tue das, wofür ich bezahlt werde. Mickey wird dich umbringen, wenn er erfährt, dass du mit einem Agenten zusammenarbeitest.“

„Verlassen Sie sich nicht darauf“, sagte Char.

„Was willst du mit ihr machen?“

„Ich muss sie zur Advocacy bringen“, sagte Ardoss.

„Ich will einen Deal“, sagte die Frau.

„Ich habe Ihnen Informationen gegeben. Sie müssen mich beschützen.“

„Warum?“, fragte Ardoss.

„Sie haben Ihren Auftrag erfüllt.“

„Und wenn Black erfährt, dass Sie noch leben, bin ich tot“, sagte die Frau.

„Ich werde darüber nachdenken“, antwortete  Ardoss.

„Dann hast du mich so gut wie umgebracht“, sagte sie.

„Das hättest du dir überlegen sollen, bevor du dich mit Mickey Black eingelassen hast.“

Char nickte und gab ihr einen Tritt.

_____________________________

Die örtlichen Behörden holten Thrumm auf der nächsten Station ab. Advocacy Agenten nahmen Ardoss’ Aussage auf. Er teilte ihnen mit, dass der Attentäter ein wichtiger Zeuge sei und geschützt werden sollte. Die Agenten nahmen auch die Leiche von Pietro in Verwahrung. Ardoss hatte mit der Arbeit an dem Antrag begonnen, seinem Partner auf dem Rückflug die volle Ehre zu erweisen. Er hatte ihn gerade abgeschickt, als seine neuen Befehle von Junior Director Vami auf seinem Mobi eintrafen.

Zurückkehren. Unverzüglich.

Unwahrscheinlich, dachte er. Ardoss wollte den Rat warnen, dass Black etwas gegen den Senat plante, aber er hatte keine Beweise. Solange er diese nicht gefunden hatte, konnte er die Befehle von Vami nicht befolgen. Die drei saßen im Cockpit und tranken eine Flasche Sky-Whiskey aus Croshaw.

„Was wirst du jetzt tun?“, fragte Jonah.

„Ich soll zurück in mein Büro gehen und mich leise zurückziehen“, sagte Ardoss, „aber ich glaube nicht, dass ich das tun kann.“

„Du willst Mickey Black verfolgen“, sagte Jonah.

Ardoss nickte. Mickey hatte einen der besten Männer, die er je gekannt hatte, zerstört, und das wollte er dem Bastard nicht durchgehen lassen.

„Pietro sagte, er hätte Pläne“, sagte Ardoss. „Etwas, das mit dem Senat zu tun hat. Aber ohne Beweise, die die Geschichte untermauern …“

„Ihr wollt diesen Beweis finden“, sagte Char.

„Und ihn damit an die Wand nageln“, sagte Ardoss. „Ich will sicherstellen, dass er nie wieder einer lebenden Seele etwas antun kann.“

In diesem Moment begann das Schiffskommunikationssystem zu piepen. Jonah hielt einen Finger hoch. Jonah drückte einen Knopf und Mickeys zerstörtes Gesicht erschien auf dem Bildschirm.

„Jonah, mein Junge, ich habe gehört, die Mission ist erledigt“, sagte Mickey.

 Jonah presste den Kiefer zusammen.

„Du hast Pietro getötet.“

„Ja, das tut mir leid, es musste sein“, sagte Mickey.

„Schreckliche Sache, aber ich konnte nicht riskieren, dass er sich verplappert.“

„Ich mag es nicht, benutzt zu werden“, sagte Jonah.

„Ich werde dich benutzen, wie ich es für richtig halte“, sagte Mickey.

Seine Stimme klang gefährlich.

„Was hast du mit meiner Attentäterin gemacht?“

„Ich musste sie den örtlichen Behörden ausliefern“, sagte Jonah.

„Pietro ist tot und sein Partner auch. Die Staatsanwaltschaft wollte Antworten.“

Mickeys Augen wurden groß.

„Ich hätte nicht gedacht, dass Du das tun würdest.“

„Habe ich auch nicht“, sagte Jonah.

Char warf einen Blick auf Ardoss. Er fühlte sich ziemlich gut für einen toten Mann, aber er schwieg. Er hoffte, die Agenten würden den Attentäter in Sicherheit bringen. Mickey sah beeindruckt aus.

„Ich hatte gehofft, meine Killerin zurückzubekommen. Sie war ziemlich gut, aber ich nehme an, man kann nicht immer gewinnen. Ich werde mich natürlich um sie kümmern müssen, aber das ist mein Problem, nicht deins.“

„Ich habe getan, was Sie wollten, und wäre dabei fast gestorben“, sagte Jonah.

„Ich will mein Geld.“

„Es wird kommen, Junge, es wird kommen“, sagte Mickey, „aber du hast nicht genau das getan, worum ich dich gebeten habe. Meine Killerin hat den Agenten getötet, nicht du.“

 Jonah starrte Mickey an, seine Augen waren voller Wut. Mickey zuckte mit den Schultern.

„Hey, ein Deal ist ein Deal. Ich habe dich gebeten, etwas zu tun, und du hast es nicht getan. Du schuldest mir immer noch was.“

„Du wusstest, dass ich das nicht tun würde“, sagte Jonah.

„Jeder Mensch muss diese Entscheidung treffen“, sagte Mickey. „Du hast deine getroffen.“

„Was willst du?“, fragte Jonah.

„Flieg zu diesen Koordinaten für weitere Anweisungen“, sagte Mickey.

„Und Jonah, ich erwarte wirklich, dass du es dieses Mal zu Ende bringst. Ganz und gar. Wenn du es vermasselst, wirst du dich bei mir so sehr verschulden, dass deine Kinder es noch lange nach deinem Tod abbezahlen müssen.“

Der Bildschirm wurde schwarz, bevor Jonah die Chance hatte, zu widersprechen. Er drehte sich um und sah Ardoss an.

„Nun, Ardoss“, sagte Jonah, „es sieht so aus, als würden Sie Ihre Chance bekommen, sich zu rächen. Ich werde alles tun, was ich kann, um Ihnen zu helfen, diesen Bastard zu erledigen.“

„Großartig“, sagte Ardoss und kippte den letzten Rest Whiskey in sein Glas zurück.

„Wir haben eine Menge Arbeit vor uns.“

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