„Ein Bomber hat hier nichts verloren“

Friedrich Winters, CEO von Nordlicht Aviation, über Luxusreisen und Militärschiffe

Von John Brubacker


Mr. Winters, Sie sind Geschäftsführer von Nordlicht Aviation, einem renommierten Familienunternehmen mit Schwerpunkt auf Deep Space Exploration und Luxury Cruise. Stellen Sie uns Ihr Unternehmen doch einmal kurz vor.

Nordlicht Aviation ist ein Familienunternehmen, das ich im Jahr 2925 neu gegründet habe. Ursprünglich hat einer meiner Vorfahren Nordlicht Aviation im Jahr 2532 als orbitale Airline gegründet. 2608 wurde das Unternehmen dann von der Messer-Administration aufgelöst, letztlich unter dem Vorwand, wir hätten eine zu große Nähe zu Pro-Tevarin-Aktivisten gehabt. Jetzt, nach mehr als 300 Jahren, konnte ich unser Unternehmen wieder ins Leben rufen. Wir beschäftigen uns hauptsächlich mit Aufklärungs- und Forschungsmissionen, aber auch mit Personenbeförderung. Hier geht es hauptsächlich darum, die Wunder des Weltraums in individualisierten Reisen zu erfahren und zu erleben.

Ursprünglich war ihr Firmensitz im Ellis-System. Kürzlich haben Sie ihn ins Stanton-System verlegt. Können Sie uns dafür vielleicht die Hintergründe erklären?

Das war eine strategische Entscheidung des Unternehmens. Stanton ist ja touristisch gesehen kaum erschlossen. Momentan haben wir ein kleines Büro in New Babbage. Vorher waren wir zwischenzeitlich kurz in Port Olisar. Wir haben diverse Hangars angemietet, aber all das ist natürlich nur eine Zwischenlösung. Wir verhandeln verschiedene Optionen und wollen uns möglichst in der Nähe von Microtech niederlassen. Eine Option, die wir gerade untersuchen, ist auch der Erwerb eines kleinen Stücks Land auf dem Mond Clio.

Das Ellis-System, aus dem Sie ursprünglich stammen, ist ja auch Heimat des Murray Cups. Die Verlegung nach Stanton hat nicht vielleicht auch damit zu tun gehabt, dass die dort beheimateten Billig-Criuselines Ihnen das Wasser abgegraben haben – und Sie ihnen nicht Paroli bieten konnten oder wollten?

Nun ja, das ist sicherlich kein Geheimnis, dass uns die Dumpingpreise von den Billig-Cruiselines sehr zugesetzt haben, aber es geht auch nicht nur darum. Allgemein haben wir im Ellis-System einen Trend zu Extremen gesehen. Viele Unternehmen versuchen, von dem Tourismusboom, den der Murray Cup ausgelöst hat, zu profitieren und bieten entweder immer günstigere Reisen an oder überfrachten ihre Reisen mit zu vielen Erlebnissen, spektakulär klingenden Highlights. Das Erleben selbst und die Zeit, das einfach zu genießen, gehen dabei verloren. Aber Sie haben sicherlich recht, dass uns das auch wirtschaftlich vor Probleme gestellt hat. Schlussendlich sind wir mit der strategischen Entscheidung, nach Stanton zu gehen, zufrieden. Und sie kommt eben unserer Firmenphilosophie, den Weltraum wirklich erleben zu wollen und sich Zeit für seine Wunder und Besonderheiten zu nehmen, sehr entgegen.

Mit welchen Schiffen sind Sie aktuell eigentlich auf dem Markt und welche wollen Sie gegebenenfalls künftig in Ihr Portfolio übernehmen? Wie sieht denn hier Ihre langfristige Strategie aus?

Unsere Strategie zielt natürlich erst mal darauf ab, uns hier zu etablieren, uns einen Ruf zu erarbeiten, Partner und Kunden zu gewinnen. Wir werden sicherlich Dienstleistungen in dem System, vorwiegend aber auch darüber hinaus anbieten. Wir suchen auch noch Vertragspartner im Sicherheitsbereich. Was unsere Flotte angeht, ist das Flaggschiff unserer Flotte die „Nordlicht Eins“, unsere Origin 890 Jump, die für den Personenverkehr zuständig ist. Weiterhin besitzen wir eine Anvil Carrack, die Forschungs- und Aufklärungsmissionen durchführt und für kleinere Frachtmissionen noch eine Cutlass Black sowie ein paar Sicherheitsschiffe. Zudem planen wir  momentan, eventuell auch in den Sektor der notfall-medizinischen Dienstleistungen zu expandieren und haben in diesem Rahmen gerade eine Cutlass Red geleast. Nicht zuletzt haben wir gerade  einen Vorvertrag für eine RSI Apollo unterzeichnet.

Sie erregen ja auch immer wieder mal Aufsehen mit spektakulären Aussagen, die auch mal einen ganzen Markt durcheinander wirbeln können. So haben Sie vor kurzem Crusader Industries für seine Firmenpolitik kritisiert – zu einem für das Unternehmen sicherlich ungünstigen Zeitpunkt – als es gerade seinen neuen Frachter Starlifter Hercules vorstellte. Wie man hört, haben Sie sogar ein Abendessen mit Marketing-Vertretern von Crusader platzen lassen. Können Sie mal  erklären, was da genau vorgefallen ist und was Sie dem Unternehmen denn genau vorwerfen?

Auf die Inhalte von Geschäftsessen kann ich nicht im Detail eingehen, aber die Boulevardpresse hat ja darüber berichtet und ich will das auch nicht dementieren, dass ich dieses Geschäftsessen verlassen habe wegen einer Meinungsverschiedenheit. Im Grunde genommen geht es darum, dass Crusader Industries ja nicht nur die Hercules in der C2- und M2-Variante anbietet, sondern auch für Privatkunden die A2. Und dafür wollten sie eben auch Werbespots oder haben mir angeboten, Werbespots auf Luxusreisen zu zeigen. Für so etwas habe ich eben überhaupt kein Verständnis. Ein Schiff wie die A2, das ein Orbital-Bomber ist, hat für mich auf dem zivilen Markt überhaupt nichts zu suchen. Und ja, darüber gab es Meinungsverschiedenheiten.

Wo sehen Sie denn das Problem?

Generell finde ich es einfach bedenklich, dass die privaten Flotten immer mehr aufrüsten dürfen. Vor einiger Zeit hatte ich deshalb auch schon mal einen offenen Brief an den Vorstand von Aegis Dynamics geschrieben, als sie ihre Eclipse als Tarnkappenbomber für den zivilen Verkauf freigegeben haben. Da wird letztlich aus reiner Profitgier die zivile Raumfahrt gefährdet. Und ein ähnliches Problem sehe ich letztlich bei der A2 Hercules, weil es einfach ein Schiff ist, das in erster Linie über Offensiv-Qualitäten verfügt und ich weiß nicht, was man mit einem derartigen Angriffschiff im Raum machen soll, außer eben halt Profite.

Finden Sie das nicht ein bisschen hart? Das Verse ist nun mal kein friedlicher Ort. Allenthalben Piraten. Niemand weiß, ob und wann nicht doch wieder die Vanduul erneut in den von Menschen besiedelten Raum vorstoßen. Es gibt Organisationen, die setzen auf die Crusader Hercules ganz bewusst als Abschreckung.

Das mag mancher so sehen, aber Abschreckung ist sicherlich nicht das richtige Mittel. Es gibt Leute und Organisationen wie zum Beispiel die Navy, die  eben für solche Bedrohungen zuständig sind. Aber gerade in der privaten Raumfahrt ist der Raum insbesondere gefährlich, weil wir ihn gefährlich machen. Ich meine, ich weiß nicht, ob Sie kürzlich den Angriff von Xenothreat mitbekommen haben. Das wurde ja von der Civlian Defense Force als großer Erfolg gefeiert, wie man diesen Angriff zurückgeschlagen hat. Ich fand das Ganze schockierend. Verstehen Sich mich nicht falsch. Ich bin natürlich auf keinen Fall auf der Seite von Xenontheat. Aber ein Piratenangriff, in dem mehrere Schiffe der Idris-Klasse auftauchen, ist schon mal bedenklich. Da frage ich mich, wie so etwas sein kann. Aber wenn man sich dann die Leichtigkeit anguckt, mit der quasi zivile Verbände Schiffe der Capital-Klasse  einfach ausradieren, ist das für mich mindestens genauso erschreckend.

Ich meine, wir überschwemmen den ganzen Weltraum, unseren Lebensraum mit Gewalt und Waffen. Diese Mentalität kann nur dazu führen, dass Leid und Tod entstehen. Es gibt da draußen viel zu entdecken und zu erleben. Und ich finde, wir sollten uns eigentlich mehr miteinander und übereinander daran erfreuen. Neugier sollte herrschen und nicht Furcht, Toleranz statt Hass, Bescheidenheit und Großzügigkeit statt Gier und Egoismus. Und ich denke, Zusammenhalt und Vertrauen sind das, was uns am besten schützt und nicht starke Waffen. Wir sollten uns respektieren und nicht bekämpfen. Ich weiß, dass man das nicht von heute auf morgen ändern kann. Und es wird auch immer Bedrohungen geben, gegen die wir uns auch militärisch verteidigen müssen. Aber gerade unsere alltäglichen Taten und Entscheidungen, die sind es doch, die unsere Wirklichkeit gestalten. Und man sollte seine eigenen und die Taten anderer auch regelmäßig infrage stellen. Macht eine stärkere Waffe einen zu einem besseren Menschen? Ist das wirklich der Beitrag, den man als Mensch zu unserem Universum leisten möchte?

Kommen wir zu einem anderen Punkt. Ich habe das mal nachgeschlagen: Sie waren selbst beim Militär und dort Raumpilot. Kommen da vielleicht auch Ihre Abneigung und Ihre Angst her, dass militärische Komponenten allzu sehr den zivilen Markt dominieren könnten? Haben Sie – kurz gesagt – zu viele schreckliche Dinge gesehen?

Meine Erfahrungen beim Militär spielen sicherlich eine wichtige Rolle. Und um das zuvor Gesagte mal in einen richtigen Kontext zu rücken: Ich bin dankbar für alle Sicherheitsunternehmen die den Raum sicherer machen und ich denke auch, dass die Flotten gut ausgerüstet sein müssen. Nur halt die reinen Angriffsschiffe, die da auf den Markt drängen, die stören mich. Ich habe viel Schlimmes gesehen und erlebt, das mag stimmen – aber ich habe eben auch viel Schönes gesehen und ich hoffe, dass man vielleicht auch ein wenig mehr in diese Richtung schauen und gehen kann. Letztlich ist es mir einfach unverständlich, warum man Orbital-Bomber für den zivilen Markt produziert – und diese Frage muss sich Crusader Industries einfach stellen lassen.

Crusader Industries dürfte Ihre Kritik recht kalt lassen. Die Verkaufszahlen der Crusader Starlifter waren schon im Vorfeld des Verkaufes durch die Decke gegangen. Glauben Sie, dass der nunmehr öffentlich ausgetragene Streit einen Rückschlag für die Expansion Ihres Unternehmens im Stanton-System bedeuten könnte? Crusader Industries galt bisher ja als Ihr wichtigster Partner. Auch ist das Unternehmen eine kaum zu unterschätzende Macht in Stanton…

Crusader ist natürlich ein großer Spieler in Stanton. Und letztlich sind wir ja auch froh darüber. Crusader ist noch ein relativ junges Unternehmen, das auch seit seiner Gründung regelmäßig in Wohltätigkeit investiert. Deshalb erschüttert mich die Entscheidung, militärische Schiffe auf den zivilen Mark zu bringen, umso mehr. Natürlich ist es ein Konflikt und es wird vielleicht auch die Zusammenarbeit ein wenig belasten, aber schließlich muss man zu seinen Überzeugungen stehen und ich denke, dass trotz oder gerade durch offene Kritik und kontroverse Diskussionen eine langfristige und ehrliche Zusammenarbeit überhaupt nur möglich ist. Ich glaube nicht, dass wir wahnsinnig viel bewirken können, aber das wird mich nicht daran hindern, meine Meinung zu diesen Dingen auch weiterhin zu sagen.

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