Bericht von der „Invictus Launch Week“ der UEE Navy auf ArcCorp
Von John Brubacker
Die Menschen sind aus dem gesamten Verse nach ArcCorp geströmt. Die Masse reckt die Köpfe in den Himmel. Dann ist es so weit: Der Krach der Triebwerke wird immer lauter, bis er fast unerträglich wird, schließlich donnern die Flieger des 999th Squadron über die Köpfe der Menschen hinweg. Der Überschallknall des Afterburners lässt die Scheiben der umliegenden Wolkenkratzer erzittern. Man erspäht noch kurz ein feuerndes Hecktriebwerk, dann – von einer Sekunde zur nächsten – ist die Staffel wieder auf und davon.
Action in der Luft, große Träger im Orbit über ArcCorp und eine einwöchige Messe mit ausgestellten Raumschiffen aller Hersteller des Verse im Bevic Convention Center am Boden – kaum ist die Staffel vorbeigerast, herrscht wieder babylonisches Stimmengewirr. Die Menschen fachsimpeln miteinander, etwa darüber, ob es im direkten Kampf von Schiff zu Schiff mehr auf Wendigkeit ankommt oder auf eine bessere Panzerung. Oder ob man besser zu ballistischen oder zu Energie-Waffen greifen sollte. Die Messehallen der „Invictus Launch Week“ sind gut besucht und laden dazu ein, die Dinge mal aus dieser, mal aus jener Perspektive zu betrachten.
Beinahe ununterbrochen jubeln die Besucher dabei den Piloten und Soldaten zu, die auf den Schiffen im Orbit oder auf der Messe Dienst tun. Kein Wunder: Die Marines – sie sind schließlich ihre Söhne und Töchter, Brüder und Schwestern, Freunde und Nachbarn. Überall im Empire verabschieden sich Bürger der UEE von ihren Lieben, schließlich heißt es für viele nun: „You’re in the army now.“
Militärparaden gab es schon immer – und wird es immer geben. Sie demonstrieren Stärke. Und wann wäre ein Gefühl der Einigkeit jemals wichtiger gewesen, als in diesen Zeiten? Das Empire des Jahres 2950 steht wieder einmal vor großen Zerreissproben, vor gewaltigen Herausforderungen. Am Horizont zieht ein großer Krieg mit den Vanduul herauf. Verschwendung, Korruption und Intrigen schütteln des Empire im Innern. Als Schmelztiegel, der ohne Ansehen der einzelnen Person, ohne Fragen nach der Herkunft, Stand oder Religion, aber mit Ansprache an die tiefsten menschlichen Gefühle, Zusammengehörigkeit erzeugt, ist die „Invictus Launch Week“ daher mehr als nur eine Messe. Sie dient vielmehr der Selbstvergewisserung der UEE-Gemeinschaft. „Invictus“ – das heißt auf Latein schließlich „unbesiegt“.
Halb ArcCorp, so scheint es, ist daher in Marineblau getaucht, steht ganz im Zeichen der Ausstellung. Das beginnt auf dem Riker Memorial Spaceport und endet auf den Messeständen im Bevic Convention Center, eine perfekt inszenierte Werbemaschinerie mit T-Shirts, Basecaps und Flyern. Tapferkeit, Pflichterfüllung, Treue, kurz: Dienst am Gemeinwesen – niemand kann sich dem entziehen. Man läuft über die Messe, begutachtet martialisches Kriegsgerät, wie etwa die Anvil Ballista, ein Fahrzeug, das Raketen abfeuert und mit dem sich aus sicherer Distanz ganze Raumschiffe zerstören lassen – und denkt sich nichts weiter dabei. Man schlendert vorbei an großkalibrigen Geschützen, sauber poliert und doch todbringend, die unter den Flügeln diverser Kampfflieger hängen. Man ertappt sich dabei, wie man die kritische Distanz verliert, ganz hineingesogen wird, in diesen kollektiven Taumel.
Soll man dem Krieg das Wort reden? Natürlich nicht – es gibt daran nichts, was zu verherrlichen wäre. Krieg ist etwas Furchtbares. Gleichwohl: Es sind die Vanduul, die brutal und ohne geringstes Mitleid immer wieder unsere Systeme überfallen. Muss man sich dann wehren können? Natürlich muss man das. „Die Vanduul sind der Feind, sie greifen uns an. Wir müssen kämpfen“, sagt zum Beispiel ein Mann auf der Messe, der sich selbst als Söldner bezeichnet, aber lieber anonym bleiben möchte.
Und ein anderer, etwas älterer UEE-Bürger ergänzt: „Nun, meine Militärzeit liegt schon eine Weile zurück. Es war eine schöne Zeit mit den ganzen Kameraden.“ Angst vor einem großen Krieg mit den Vanduul hat er nicht, aber: „Ich bin mir nicht sicher, ob wir zu diesem Zeitpunkt schon dafür bereit sind, einen Krieg mit ihnen durchzustehen und als Sieger daraus hervorzugehen.“ Allein diese Antwort zeigt: Lassen die Rekrutierungsstände der Navy auf der Messe keinen Zweifel daran aufkommen, dass dem so sein wird, so sind die Besucher durchaus zwiegespalten.
Verständlich: Lernt man auf der Messe doch, dass auch vermeintlich rein zivile Schiffe durchaus für das Militär eingesetzt werden – wie etwa die Constellation Taurus, die von der UEE Navy als kleiner Frachter genutzt wird. Andererseits: Zwischen militärischen und zivilen Schiffen gab es schon immer Überschneidungen – wie etwa bei der Retaliator von Hersteller Aegis, die ja einst das Machtinstrument der Messer-Schreckensherrschaft schlechthin gewesen ist. Ob gewollt oder nicht: Die Grenze zwischen zivilem Leben und Militär wird nicht zuletzt durch die „Invictus Launch Week“ durchlässiger. Dass im Stanton-System während der Messe-Zeit gleich zwei Idris und eine Javelin patrouillieren tut ein Übriges.
Wie heißt es auf einer Infotafel doch so passend? „Invictus“ ist der Zeitpunkt, an dem man sich gegenseitig feiert. Nun, dem ist nichts hinzuzufügen, außer: Gehen Sie hin und machen Sie sich ein eigenes Bild. Das Verse ist mehr denn je auf engagierte Bürger angewiesen, die genau wissen, wo sie stehen.